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„Ich hatte Angst vor Uwe Böhnhardt“

 

Gemeinsam knackten sie Autos und brachen ein – doch vor allem fürchtete der Zeuge Thomas B. die Wutausbrüche des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt.

Als er 16 ist, fliegt Thomas B. mit einem Knall aus der rechten Szene. Ein geklautes Auto, eine Runde auf dem alten Truppenübungsplatz in Jena, die Kumpels schauen zu. Der Wagen springt, B. wird durch die Frontscheibe geschleudert und bleibt bewusstlos liegen. Die Freunde hauen ab, sie wollen keinen Ärger. Außerdem hat B. zuvor mehrere von ihnen bei der Polizei angeschwärzt, weil sie ein Waffenlager betreiben sollen. Einem Verräter hilft man nicht.

Nach dem Vorfall im Mai 1993 lag B. zwei Wochen lang im Koma. Der Tag wirkt nach bis heute. B. will mit den Kameraden von damals nichts mehr zu tun haben. Am 141. Prozesstag ist der heute 37-Jährige als Zeuge geladen, weil er in seiner Zeit als Mitläufer unter Nazis in Kontakt zu wichtigen Kameraden kam. Dazu zählen Uwe Böhnhardt, als NSU-Mitglied mutmaßlicher Mörder von zehn Menschen, und Enrico T., der geholfen haben soll, eine Pistole zur Gruppe zu schmuggeln.

T. ist ein Mensch mit vielen Problemen. Ein Ausreißerjunge, der in der Pubertät in Jena Halt bei den Jugendlichen mit Springerstiefeln und Bomberjacken suchte, aber immer wieder Prügel bezog – „das war eine harte Zeit“. Ein Mann, der auch heute noch kämpft: mit Angstzuständen und Alkohol. Zu seinem vorigen Zeugentermin im Juli schaffte er es nicht nach München, er versackte auf halbem Weg in einer Kneipe.

Jetzt muss er, der mit seinen graumelierten Haaren viel älter aussieht, wieder von der Gesellschaft der Rechten erzählen. Kamerad Böhnhardt ist ihm bis heute in Erinnerung geblieben: „Das war ein ziemlich lustiger Typ. Der hatte immer so ein Lächeln im Gesicht.“ In einer Clique habe man sich zum Mopedschrauben und zum Saufen getroffen. Ob Böhnhardt einer gewesen sei, der den Ton angab, wisse er nicht mehr, sagt der Zeuge.

Die Wutausbrüche des Kameraden hat er hingegen nicht vergessen: „Ich hatte Angst vor ihm. Das war ein lockerer Typ, aber der konnte ruckzuck umschalten, wenn ihm etwas nicht gepasst hat.“ Dann habe er rumgebrüllt und zugeschlagen.

Die Beschreibung deckt sich mit den Schilderungen von Zeugen aus der Szene oder der des Vaters von Uwe Mundlos, der Böhnhardt im Gericht eine „tickende Zeitbombe“ nannte. Nur ergeben diese Aussagen das Bild eines Impulsivtäters und nicht das des kalkulierenden Killers aus der Anklageschrift, der mit seinem Partner Uwe Mundlos beinahe lautlos Geschäftsleute überfällt.

B. zufolge war Böhnhardt sehr wohl in der Lage, sich zusammenzureißen. Etwa, wenn es um ihr gemeinsames Hobby ging: Autodiebstahl. „Ich habe geguckt: Da steht ein Auto, gefällt mir, nehme ich mir.“ Böhnhardt habe nicht einfach einen Wagen aufgebrochen, sondern ihn beobachtet, ein Zeitfenster recherchiert, damit er nicht überrascht werden konnte. „Da war er zu clever dazu.“ Dass er gemeinsam mit Böhnhardt in einen Jenaer Abholmarkt eingebrochen und Waren im Wert von 1.000 Mark gestohlen haben soll, daran kann sich B. hingegen nicht mehr erinnern.

B. hat sich nach eigenen Angaben von den rechtsextremen Kreisen gelöst. Seine Aussage ergibt ein unromantisches Abbild dieser Szene, von der viele Aktive vor Gericht behaupten, es gehe vielen dort um hehre politische Ziele. B. erzählt von einem Waffenversteck an einer Burgruine und einem Mann mit dem Spitznamen Papst. Dieser Typ, „die Stadtglatze von Jena“, habe jegliche Waffen besorgen können.

Und auch sein Kumpel Enrico T. sei ausgerüstet gewesen. In seinem Haus an der Saale habe er ihm Revolver und Pistolen gezeigt, die dort auf einem Tisch lagen. T. wird beschuldigt, als Mittelsmann den Kontakt zwischen zwei Waffenschmugglern hergestellt zu haben. So soll die Pistole Ceska 83, mit der neun Migranten erschossen wurden, aus der Schweiz in die Hände des NSU gelangt sein.

Heute, sagt B., empfindet er die Zeit in der Szene als Trauma. Der Unfall auf dem Übungsplatz war es schließlich, der ihn vom Ausstieg überzeugte. Als er im Krankenhaus lag, hätten einige der früheren Kumpels versucht, ins Krankenhaus zu kommen und ihn zu töten. Daraufhin streuten Familie und Freunde die Nachricht, er sei tot. Erst dann ließen die Kameraden ihn in Ruhe.