Der Zeuge Ralph H. ist ein mutmaßlicher Unterstützer des NSU – „mit einem seltsamen Verhältnis zur Wahrheit“, beobachtete Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung. Denn im Zusammenhang mit dem Zeugen geschahen seltsame Dinge, die er vor Gericht nicht erklären konnte. So wurde sein Personalausweis im ausgebrannten Haus des NSU-Trios gefunden. „An einen Zufall kann man da nicht mehr glauben.“
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Unter H.s Namen wurde Ende der neunziger Jahre eine Wohnung gemietet, an die Adresse nie bezahlte Bestellungen geliefert – und zwar von einem Versandhaus, bei dem der Zeuge schon vorher Waffen zur Dekoration gekauft hatte. Zu dem Betrug kam es, nachdem H. seinen Personalausweis angeblich verloren hatte – was Bestellungen an die darin eingetragene Wohnadresse ermöglicht haben könnte. Zuvor hatte ihn der Zeuge Thomas S. gebeten, Kameraden Unterschlupf zu bieten – mutmaßlich dem geflüchteten NSU-Trio.
„Ist diese Geschichte ein weiterer Hinweis auf die enorme kriminelle Energie des NSU – und seiner Helfer?“, fragt Frank Jansen vom Tagesspiegel. Aus dem Zeugen war dazu nicht viel herauszubekommen, er berief sich auf Erinnerungslücken und wehrte Fragen ab, die er angeblich nicht einordnen konnte. So habe er „seine Rolle im braunen Skinheadmilieu“ kleingeredet.
Gisela Friedrichsen von Spiegel Online beobachtet: „H. drückt sich stockend und gewunden aus“, wenn er von seinem Bezug zur rechten Szene erzählen soll. Seine Aussage stehe für das Verhalten der rechten Szene, die sich auf „das Schweigen und Verschweigen und auch Lügen vor Gericht als oberste Devise“ verständigt habe.
Da H. möglicherweise seinen Personalausweis an die Kameraden abgegeben hatte, fragen wir auf ZEIT ONLINE: „Ist Ralph H. ein engagierter rechtsextremer Helfer? Oder ein gutmütiger Mitläufer, der sich von den Terroristen des NSU hat einspannen lassen?“ Falls es sich nur um einen Gefallen handelte, habe der Zeuge die Folgen seiner Handlung eventuell nicht überblicken können – den späteren Terroristen ermöglichte er damit den Versandhausbetrug.
Am Nachmittag kam es zu einem Streit zwischen Nebenklageanwälten, Verteidigern und Gericht, als der Opferbeistand Mehmet Daimagüler dem Zeugen die Namen der mutmaßlichen NSU-Opfer vorhielt. Dabei wurde es im Gerichtssaal laut. Tim Aßman vom Bayerischen Rundfunk beobachtet: „Nach mehr als 18 Monaten zerrt das Verfahren offenbar sehr an den Nerven einiger Beteiligter.“
Weitere Berichte
Felix Huesmann vom Magazin Vice beleuchtet in einem Artikel die Rolle des militanten Netzwerks Combat 18 für den NSU-Komplex. Die Organisation war mit einer Gruppe in Dortmund aktiv, wo 2006 der Kioskbetreiber Mehmet Kubasik erschossen wurde.
Mysteriöse Anrufe, verschwundene Fotos, vernichtete Akten: Mit den unbeantworteten Fragen zum NSU beschäftigt sich eine neue Serie des Stern. Autor Nicolas Büchse schildert im ersten Teil mehrere Szenen aus der Zeit der Zwickauer Terrorgruppe.
Uwe Mundlos: Die Entwicklung des NSU-Mitglieds zeichnet ein Artikel von Mira Erdmann auf der Seite Netz gegen Nazis nach. Im Zentrum steht die Frage, warum aus einem Jugendlichen aus geordneten Verhältnissen ein Terrorist werden konnte.
Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 28. November 2014.