Uwe Mundlos war offenbar ein Vordenker der rechten Szene – und politisch gefestigt. Doch eine Frau, die das hätte bezeugen können, gibt sich im NSU-Prozess schmallippig.
Katrin D. sieht aus, als wäre sie in der Zeit steckengeblieben, über die sie heute aussagen soll: blonde Vokuhila-Frisur, rosa Sonnenbrille im Haar, schwarze Lederjacke. So lief man rum in den neunziger Jahren – auch, wenn der Stil in D.s Umfeld weniger bunt gewesen sein dürfte. Springerstiefel und Bomberjacken sah man im Chemnitz der Neunziger wohl eher. Und die Zeugin steckte mittendrin in der Skinhead-Szene.
Im Münchner NSU-Prozess bricht der 200. Verhandlungstag an. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe muss sich erneut einer Wand aus Fotografen und Kameraleuten stellen. Ihr Schweigen gilt als Grund dafür, dass der Staatsschutzsenat noch immer vor dem Oberlandesgericht zusammentreten muss. An ihrer Stelle sagen Zeugen aus der Zeit aus, da sie und ihre Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sich zu einem Dreiertrüppchen zusammenschweißten, das später zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge begangen haben soll. Es ist eine Wahrheitsfindung, wie sie kleinteiliger nicht sein könnte.
Die 46-jährige D. ist eine von Dutzenden Zeugen, die auf Antrag der Verteidiger des Mitangeklagten Ralf Wohlleben geladen wurden. Wohlleben soll laut Anklage die Beschaffung einer Pistole für den NSU organisiert haben. Eigentlich sollten diese alten Kameraden den Angeklagten entlasten und bestätigen, dass damals ständig Waffen in Neonazi-Kreisen kursierten. Doch die erhofften Aussagen blieben aus.
Stattdessen zeichnen die Zeugen ein immer detaillierteres Bild der Szene, in der sich Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt von jungen Leuten mit fremdenfeindlichen Ideen zu gewaltbereiten Rechtsextremen wandelten. Viel funktionierte, wie heute noch, über Konzerte rechter Bands – Sammelpunkte, an denen stumpf denkende Skinheads mit politischen Vordenkern zusammentreffen. Ein solcher Vordenker war nach Zeugenaussagen auch Mundlos. Katrin D. will davon allerdings nicht viel mitbekommen haben.
Mehrmals traf sie Mundlos und Zschäpe Mitte der neunziger Jahre auf Konzerten, bevor die gemeinsam mit Böhnhardt nach einer Razzia in Zschäpes Garage in den Untergrund flüchteten. Dazu gehörte auch ein Konzertbesuch in Chemnitz. Das Paar reiste aus Jena an und übernachtete in ihrer Wohnung.
Für D. keine große Sache. Doch ist sie wie viele Mitglieder rechter Kreise eine Zeugin, die nicht nur wenig, sondern auffällig wenig sagt. Ist es plausibel, dass sie Zschäpe nach nur einigen wenigen Begegnungen „Beatchen“ nannte, wie sie bereits bei der Polizei ausgesagt hatte? Und wie ist zu erklären, dass ihr Name samt Adresse und Telefonnummer auf einer Kontaktliste stand, die in der Garage gefunden wurde? Notiert war dazu ihr Spitzname „Mappe“.
Erkenntnisse der Ermittler stützen die Vermutung, dass D. mehr weiß, als sie von sich gibt. „Ich würde niemanden verraten, nicht meine Freunde und sonst jemanden“, sagt die Zeugin. Ob Mundlos und Zschäpe nicht doch zu ihren Freunden zählten, ist zumindest fraglich. „Die waren nett und zuvorkommend. Anderen ging es nur ums Trinken und Rumgrölen, so waren sie halt nicht.“
D.s Lebenspartner war damals Rocco E., wie sie unterwegs auf rechten Konzerten und bei Springerstiefelträgern in bester Gesellschaft. E. allerdings hatte offenkundig deutlich bessere Erinnerungen an die Treffen mit den späteren Terroristen. So konnte er eine Einschätzung von Uwe Mundlos‘ politischer Einstellung abgeben, als er 2012 vom Bundeskriminalamt befragt wurde – obwohl er ihn genauso oft getroffen hatte wie seine damalige Freundin.
Der Bekannte aus Jena „hat damals politisches Geschwafel von sich gegeben“, erinnerte er sich. Mundlos habe viele Späße gemacht, auch Judenwitze hätten dazugehört. Schließlich habe er aber gesagt, dass Konzerte dazu dienten, „gleichgesinnte Kameraden zu treffen, um sich politisch zu organisieren“ – mit dem Ziel, „dass man gegen die Juden viel härter vorgehen sollte“. Überhaupt „war er auch sehr arisch“.
E. selbst steht allerdings nicht auf der Liste der Zeugen, die im Prozess aussagen sollen – verwunderlicherweise. Wohllebens Verteidiger hatten nicht beantragt, ihn nach München zu laden, auch das Gericht gibt keine Signale, ihn anhören zu wollen.
Sind Hintergründe und Ideologie des NSU bereits abschließend aufgeklärt? Sicher nicht. Zweifelhaft ist jedoch auch, ob die Opfer des NSU und ihre Angehörigen die Antworten erhalten werden, die sie in diesem Prozess suchen. Die Ermittlungen vor Gericht sind in der letzten Phase. Einen 300. Verhandlungstag wird es mit Sicherheit nicht geben.