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Zschäpe testet ihre Grenzen – Das Medienlog vom Mittwoch, 22. Juli 2015

 

Der Streit um das Verteidigerteam von Beate Zschäpe ist noch lange nicht beigelegt: Am Dienstag beantragte die Hauptangeklagte, ihrem Anwalt Wolfgang Heer das Mandat zu entziehen – einen Tag, nachdem dieser und seine beiden Kollegen Wolfgang Stahl und Anja Sturm erfolglos um ihre Entpflichtung gebeten hatten. Die Querelen offenbarten viel über Zschäpe, schreibt unter anderem Annette Ramelsberger von der Süddeutschen Zeitung: Sie zeige „offen Genugtuung darüber, wie sie ihren Willen durchsetzt, dem Gericht einen vierten Verteidiger abtrotzt und ihre alten Anwälte behandelt wie Dreck“. Dies sei ein Sieg für sie.

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Zurzeit probe sie, wie weit sie ihre Macht im Prozess ausreizen könne, „ohne zu spüren, wie sie sich damit selbst schadet“, schreibt Ramelsberger. Sie entlarve sich damit „als hoch manipulative, Strippen ziehende Führungspersönlichkeit“. So handelte sie nach Ansicht der Anklage auch im Untergrund – was wiederum den Schluss nahelege, dass sie von den Morden wusste, die dem NSU zur Last gelegt werden.

„Beate Zschäpe hat Oberwasser. Sie ist zurzeit der Mittelpunkt“, bilanziert Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online. Das sei jedenfalls Zschäpes eigener Eindruck. Sie glaube, „es besser zu wissen als ihre Anwälte“. In der Folge würden ihre alten Anwälte „schon wieder gepiesackt“, schreibt Frank Jansen vom Tagesspiegel. Die Provokationen der Angeklagten würden als Zumutung gegenüber den Angehörigen der Mordopfer empfunden.

„Wenn das Thema nicht so ernst wäre – die Verteidigung Zschäpe wäre eher ein Fall für die Boulevardpresse als für die Gerichtsberichterstattung“, merken wir auf ZEIT ONLINE an. Die Querelen hängen mittelbar oder unmittelbar mit ihrem neuen vierten Verteidiger Mathias Grasel zusammen. Den alten Anwälten gilt er zwar „nicht als Spaltpilz oder Emporkömmling“, doch kümmert er sich derzeit statt echter Juristerei nur um die internen Kämpfe seiner Mandantin.

Einzig Christoph Arnowski vom Bayerischen Rundfunk sieht den NSU-Prozess zur Normalität zurückgekehrt. Trotz des neuen Entpflichtungsantrags sei „erstaunlich schnell Routine“ eingekehrt. Der Vorsitzende Richter sei bemüht, mit der Aufklärung der angeklagten Taten fortzufahren.

Den Tücken der Misstrauensanträge, mit denen Zschäpes Verteidiger Anja Sturm, Wolfgang Stahl und Wolfgang Heer um ihr Ausscheiden aus dem Prozess baten, widmet sich Helene Bubrowski in der Frankfurter Allgemeinen. Ihr Fazit: „Nie war die Gefahr so groß wie jetzt, dass der NSU-Prozess platzt.“

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 23. Juli 2015.