Der NSU-Prozess wird ganz anders verlaufen, als das noch vor wenigen Monaten vorstellbar war. Nach Beate Zschäpe will nun auch der mutmaßliche Waffenbeschaffer Ralf Wohlleben sein Schweigen brechen und eine Aussage abgeben, wie der Spiegel berichtet. Unterdessen wurde durch einen Bericht von BR und SWR bekannt, dass sich Zschäpes Aussage auf den 8. Dezember verschiebt – weil ihr neuer Anwalt Hermann Borchert zuvor in Urlaub fährt.
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Wohlleben ist angeklagt, dem NSU durch seine Kontakte die Pistole vom Typ Ceska 83 beschafft zu haben. Mit der Waffe wurden neun Menschen erschossen. Der 40-Jährige ist daher wegen der Beihilfe zum Mord angeklagt. Er sitzt in Untersuchungshaft.
Wann Wohlleben aussagen wird und ob er sich wie Zschäpe durch eine vom Anwalt verlesene Erklärung oder selbst äußert, geht aus den Berichten nicht hervor. Dass seine Aussagebereitschaft ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt publik wird, ist wohl kein Zufall: Es sei „zu vermuten, dass die Anwälte mit Zschäpes Verteidiger Grasel über eine mögliche Aussage Wohllebens gesprochen haben“, schreibt Frank Jansen vom Tagesspiegel.
Mit Zschäpes neuem Anwalt Borchert beschäftigt sich ein Bericht der Süddeutsche-Autoren Annette Ramelsberger und Tanjev Schultz. Diese stellen auch die bislang unbeantwortete Frage, wie der als Wahlverteidiger von Zschäpe bestellte Anwalt bezahlt wird. In einem Portrait skizziert Ramelsberger zudem den vierten Anwalt der Hauptangeklagten, Mathias Grasel.
Unter dem bedeutungsschweren Titel „Ich klage an“ setzt sich der Nebenklageanwalt Mehmet Daimagüler in einem Artikel in der ZEIT mit Verfehlungen vor und nach dem NSU-Prozess auseinander. Die Anklage richtet er zunächst gegen sich selbst, weil er in seiner Zeit als FDP-Vorstandsmitglied nie die damals noch ungeklärte Mordserie thematisierte: „Ich habe Schuld auf mich geladen, Schuld durch Unterlassen.“ Gleichsam hegt er Wut gegen die Vertreter der Anklage. „Nicht die Kaltschnäuzigkeit einer Beate Zschäpe macht mich fassungslos, sondern die Dreistigkeit einer Bundesanwaltschaft, die behauptet, der NSU-Komplex sei ‚ausermittelt'“, schreibt der Anwalt. Dies gelte insbesondere, da die Bundespolitik zuvor Aufklärung in der Affäre versprochen hatte.
Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 16. November 2015.