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Absage für die Aussage – Das Medienlog vom Mittwoch, 11. November 2015

 

Die Spannung einen Tag vor Beate Zschäpes geplanter Aussage war am Dienstag im Gericht zu spüren – wich aber rasch Resignation: Zschäpes drei Altverteidiger beantragten erneut ihre Entlassung, die Anwälte des Mitangeklagten Ralf Wohlleben stellten einen 37-seitigen Befangenheitsantrag gegen die fünf Richter. Das Verfahren ist nun bis zum nächsten Dienstag ausgesetzt. Der Antrag der Zschäpe-Anwälte ist eine Nachwirkung der Vertrauenskrise in der Verteidigung. „Daran könnte der Prozess irgendwann noch platzen. Zschäpe sollte aber vorher wenigstens noch reden“, kommentiert Annette Ramelsberger von der Süddeutschen Zeitung.

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Im Misstrauensantrag berufen sich Wohllebens Anwälte darauf, dass unerwarteterweise ein weiterer Anwalt ein Mandat für Zschäpe angezeigt hatte: Hermann Borchert, Kanzleikollege ihres neuen Verteidigers Mathias Grasel. Unklar ist, ob Borchert derzeit Zschäpes Wahlverteidiger ist oder honorarfrei arbeitet. Zschäpes alte Anwälte beschwerten sich in ihrem Antrag wiederum darüber, dass das Gericht bereits länger von der geplanten Aussage ihrer Mandantin wusste. Im Wohlleben-Antrag kam auch heraus, dass dessen Anwälte – nicht aber Wohlleben selbst – ebenfalls eingeweiht waren.

„Es ist müßig, darüber zu spekulieren, welchen Sinn derlei Aktionen haben sollen – außer zu verhindern, dass der NSU-Prozess in geordneten Bahnen auf ein Urteil zusteuert“, schreibt Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online. Somit sei es „in höchstem Maß befremdlich, was sich in München in Sachen NSU gerade abspielt“, kommentiert sie in einem weiteren Artikel. Durch Störmanöver lenke Zschäpe immer wieder von der Anklage ab.

Götzl hatte einer eigenen Mitteilung zufolge auch mit Phantom-Verteidiger Borchert kommuniziert. „Dass der Vorsitzende sogar mit einem Anwalt sprechen soll, der gar nicht Verteidiger von Zschäpe, sondern ’nur‘ der Sozius von Grasel sein soll, macht die Sache sicher nicht einfacher“, schreibt Udo Vetter im Lawblog. Einen früheren Entpflichtungsantrag der drei Verteidiger hatte das Gericht abgelehnt, weil sie für eine ordnungsgemäße Verteidigung unabdingbar seien. Ihre Anwesenheit wäre „wirklich nur noch eine Fassade, wenn das Gericht die Verteidiger nicht mal darüber informiert, welche weichenstellenden Dinge mit Grasel besprochen werden“. Den Begriff Fassade hatte auch Zschäpe-Anwalt Wolfgang Stahl benutzt.

Die Hauptangeklagte muss mit ihrer Einlassung also noch etwas warten. „Sollte Zschäpe eine taktische Aussage machen und keine vollständige Lebensbeichte ablegen, würde der Senat bei der Befragung schnell auf die Schwachpunkte der Geschichte stoßen“, merkt dazu Per Hinrichs von der Welt an. In diesem Fall müsste Zschäpe die Aussage teils wieder verweigern und würde so eine strafmildernde Wirkung der Einlassung wieder zerstören. Was sie zu sagen hat, soll allerdings umfangreich sein: Eine Erklärung, die Grasel verlesen soll, ist angeblich 57 Seiten lang.

Dass es mit der Aussage nun länger dauert, ist für viele Prozessbeobachter zwar ärgerlich, aber angesichts der Menge an bisher absolvierten Verhandlungstagen auszuhalten, meint Julian von Löwis vom Bayerischen Rundfunk. Die Aussage sei „ein bis vor wenigen Monaten als romantisch abgetaner Gedanke“ gewesen. Nun sei „zu hoffen, dass durch Zschäpes Einlassung auch tatsächlich Licht in so manches noch dunkle Kapitel des Nationalsozialistischen Untergrundes kommt. Dann hätte sich das Warten auch gelohnt“.

Zur aktuellen Lage hat Frank Jansen vom Tagesspiegel die Nebenklägerin Gamze Kubasik befragt, deren Vater 2006 in Dortmund erschossen wurde. Zur geplanten Aussage Zschäpes hat sie eine pessimistische Meinung: „Ich befürchte, sie will damit nur ihre eigene Haut retten, ohne dass es endlich ehrliche Erklärungen für den Mord an meinem Vater und die vielen anderen Morde und Anschläge gibt.“

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 12. November 2015.