Arbeitete Beate Zschäpe am Bekennervideo des NSU mit? Hinweise aus dem Prozess scheinen diesen Verdacht zu bestätigen. Beweise gibt es aber noch nicht.
Was hatte Beate Zschäpe mit dem Bekennervideo des NSU zu tun? Sammelte sie Zeitungsausschnitte über die Morde und Anschläge, die die Täter später stolz als Belege ihrer Grausamkeit präsentierten? Nahm sie mit einem Videorekorder Fernsehberichte über den Bombenanschlag in der Kölner Keupstraße auf, um diese für den Film zu verwenden?
Mit diesen Fragen muss sich der 6. Strafsenat des Münchner Oberlandesgerichts derzeit beschäftigen. Zwei Ermittler des Bundeskriminalamts bekundeten als Zeugen, was bei der Auswertung von Fundstücken aus dem niedergebrannten Zwickauer NSU-Haus über den Entstehungsprozess des Videos herausgekommen war.
In dem Film brüstet sich die Gruppe mit den Taten, wegen derer Beate Zschäpe heute vor Gericht steht: den Morden an neun Migranten und einer deutschen Polizistin sowie zwei Sprengstoffanschlägen in Köln. Auf dem Film sind die Tatbekenntnisse eingebettet in einen Zusammenschnitt der Trickfilmserie Paulchen Panther.
Hauptverantwortlich für das Video waren vermutlich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Zschäpe hatte im Dezember ausgesagt, von der Herstellung zwar etwas mitbekommen, daran jedoch nicht beteiligt gewesen zu sein. Der erste Ermittler sprach fast bewundernd davon, wie organisiert die Macher bei der Herstellung des Films vorgegangen waren: Alles war sorgfältig in Ordnern sortiert, die Dateien präzise benannt.
Der Kommissar hatte anhand der Zeitangaben für die einzelnen Szenen herausgefunden, dass ab Mai 2006 offenbar erstmals an der Version mit Paulchen Panther gearbeitet wurde, danach wieder im Frühjahr 2007. Ende des Jahres wurde der Film dann fertig. Der letzte Mord der NSU-Serie, der im April 2007 die Polizistin Michèle Kiesewetter traf, war da bereits geschehen.
Deutlich war auch der hohe Aufwand für das Video: „Da hat man sich wirklich Mühe gegeben, das filmisch sehr überzeugend darzustellen“, sagte der BKA-Mann. Zwischenzeitlich wurden auch Elemente des Films ausgetauscht. So steht Paulchen Panther in der finalen Version vor einem Schild mit der Aufschrift „Steh zu deinem Volk, steh zu deinem Land, unterstütze den NSU“. In einem früheren Bearbeitungsschritt hatte dort noch „Mitstreiter gesucht im Kampf gegen die Kanakenflut“ gestanden.
Eine weitere Beamtin widmete sich dem sogenannten NSU-Archiv, einer Sammlung von 68 Zeitungsartikeln zu Morden und Anschlägen, die dem Zwickauer Trio zugeschrieben werden. Einige davon werden im Video eingeblendet. Auf zwei der Ausschnitte finden sich Fingerabdrücke von Zschäpe – für die Bundesanwaltschaft ein Beweis dafür, dass Zschäpe von den Taten nicht nur wusste, sondern sie auch billigte.
Anders sieht das Zschäpes Verteidiger Wolfgang Stahl: Nachdem nur an zwei Seiten Spuren seiner Mandantin gefunden worden waren, sei es „schwer nachzuvollziehen, dass Frau Zschäpe an der Erstellung des Archivs mitgewirkt haben soll“. Zudem gehe aus dem Bericht nicht hervor, ob die Ausschnitte etwa in einer Mappe organisiert waren oder lose herumlagen – in dem Fall könne man nicht von einem Archiv sprechen.
Für Aufsehen hatte in der vergangenen Woche der Vermerk einer anderen BKA-Beamtin gesorgt – demnach war der NSU im Besitz von Videomaterial, das auf einem VHS-Rekorder aufgezeichnet wurde, und zwar bereits zwei Stunden nach dem Kölner Bombenanschlag vom 9. Juni 2004. In dieser Zeit, heißt es im BKA-Vermerk, hätten die mutmaßlichen Täter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nicht von Köln zurück nach Zwickau fahren können.
War es also Zschäpe, die die Aufnahme startete und währenddessen mehrfach die Kanäle wechselte – und somit in die Tat eingeweiht gewesen muss? Der Schluss liegt nahe. Doch wurde in der NSU-Wohnung kein Videorekorder sichergestellt.
Dass Mundlos und Böhnhardt die Aufnahmen etwa aus einem Wohnmobil mit Satellitenschüssel und angeschlossenem Rekorder selbst gemacht haben könnten, ist ausgeschlossen: Sie hatten für die Fahrt nach Köln und zurück nur ein Auto gemietet. In einem Hotel hätte das Material aber durchaus entstehen können – oder durch die Mitwirkung von Dritten. Den eindeutigen Beweis für Zschäpes Mitwirkung am Video gibt es bislang nicht.
Zudem ging es am Dienstag um das Ermittlerversagen des Brandenburger Verfassungsschutzes. Doris Dierbach, die zusammen mit ihren Kollegen Thomas Bliwier und Alexander Kienzle die Familie des 2006 in Kassel ermordeten Halit Yozgat vertritt, stellte einen Beweisantrag, der die Geschehnisse im Jahr 1998 aufklären soll: Demnach verhinderte die Behörde im September des Jahres die Festnahme von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die kurz zuvor untergetaucht waren.
Die Brandenburger hatten das Thüringer Landeskriminalamt über den Berichts des V-Manns Carsten Sz. alias Piatto informiert, wonach der Rechtsextremist Jan W. dem Trio eine Waffe beschaffen sollte. Um mögliche Kontakte aus dem Umfeld des späteren NSU zu überwachen, etwa am Telefon, benötigten die Thüringer einen Beschluss vom Amtsgericht. Voraussetzung dafür war jedoch der schriftliche Bericht des V-Manns oder ein sogenanntes Behördenzeugnis, eine knappere Darstellung, vom Brandenburger Verfassungsschutz. Vertreter der Geheimdienste von Thüringen und Brandenburg setzten sich daraufhin zusammen – doch das benötigte Dokument rückten die Kollegen nicht heraus: Offenbar hatte sich das Innenministerium dagegen entschieden, um die Quelle Carsten Sz. zu schützen.
Unterlagen, die beim Treffen der Geheimdienste gefertigt wurden, sollen nach dem Willen der Nebenklageanwälte nun als Beweisstücke ins NSU-Verfahren eingeführt werden – die Verteidiger des Mitangeklagten Ralf Wohlleben schlossen sich an. Ob es dazu kommt, ist noch unsicher. Die Nebenkläger sind sich ihren Angaben nach sicher: Hätte sich das Ministerium nicht gesperrt, hätten die Taten der Terrorzelle verhindert werden können.