Zum fünften Mal sagte der Thüringer Neonazi und frühere V-Mann Tino Brandt am Dienstag als Zeuge im NSU-Prozess aus. Befragt wurde er zu einer Behauptung, die der Angeklagte Ralf Wohlleben in seiner Aussage aufgestellt hatte: Brandt habe dem Waffenkurier Carsten S. das Geld für die NSU-Mordpistole Česká 83 gegeben. Daran, sagte der Zeuge aus, könne er sich nicht erinnern.
„Brandts Auftritt ist gerissen“, kommentiert Konrad Litschko von der taz. Er habe „die Verantwortung weg von den einstigen ‚Kameraden‘ Richtung Verfassungsschutz geschoben“. Schließlich, sagte Brandt aus, habe die Behörde ihm ständig Geld gezahlt. Wohlleben, meint Litschko, werde die Aussage gefallen haben.
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Allerdings: „Wohlleben, der nach wie vor in Untersuchungshaft sitzt, wurde (…) nicht entlastet“, wirft Alf Meier vom Bayerischen Rundfunk ein.
Unstrittig ist für uns bei ZEIT ONLINE, was Brandt mit seinen Angaben bezweckte: „Es liegt auf der Hand, dass der 41-Jährige seinen Gefängnisaufenthalt nicht noch durch eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord verlängern will – zumal ihm ohnehin noch eine weitere Anklage ins Haus steht.“ Der Zeuge blieb seiner Linie treu, weder sich noch Kameraden vor Gericht zu belasten. Somit „liegt der Ball nun wieder bei Wohllebens Verteidigern“ – die bislang nicht überzeugend darlegen konnten, wieso jemand anderes die Finanzierung der Pistole übernommen haben sollte.
Nach Brandts Vernehmung prägte ein Konflikt den restlichen Prozesstag: Bundesanwalt Herbert Diemer antwortete auf die Gegenäußerungen mehrerer Nebenklageanwälte, die auf diesem Wege zuvor vom Gericht abgelehnte Beweisanträge doch noch durchbringen wollen. Dabei wählte er heftige Worte: Die Anwälte betrieben „aus fachlicher Sicht groben Unfug“ und verhielten sich dem Gericht gegenüber „despektierlich“. „Für die Staatsanwälte ist nach nunmehr dreijähriger Beweisaufnahme klar: Die Behörden haben nichts von den Taten des NSU gewusst – obwohl die Terrorzelle von staatlichen Spitzeln nur so umstellt war“, merkt Annette Ramelsberger von der Süddeutschen Zeitung an.
Hinter den Kulissen ist erneut die Untersuchungshaft von Ralf Wohlleben Thema: Einem Bericht der Welt zufolge beantragte seine Anwältin Nicole Schneiders, dass seine Zeit im Untersuchungsgefängnis doppelt auf die wohl anstehende Strafhaft angerechnet wird – aufgrund von „besonderen Widrigkeiten“. Einem Bericht der Anstaltsleitung zufolge geht es dem Angeklagten aber sogar besser als den Durchschnittshäftlingen: Er besitze einen Flachbildfernseher und eine Spielkonsole, verfüge über ein eigenes Fach im Kühlschrank und dürfe häufiger als andere Besuch empfangen.
Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 9. Juni 2016.