Hatte der NPD-Abgeordnete David Petereit Kontakt zum NSU? Darauf deutet eine mysteriöse Botschaft hin, die in einem Szeneheft erschien – doch davon will der Rechtsextremist nichts mehr wissen.
„Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen ;) Der Kampf geht weiter…“ Diese damals noch rätselhafte Botschaft erschien im September 2002 im Vorwort eines leidlich professionell gestalteten Heftchens namens Der Weisse Wolf, einer Postille für Eingeweihte – verkauft, verschickt und weitergegeben unter Mitgliedern der rechten Szene. Es war das erste Mal, dass die heute bekannte Abkürzung NSU öffentlich genannt wurde – gut neun Jahre, bevor die Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund aufflog.
Herausgeber des Hefts war unter dem Tarnnamen Eiwahz der Rechtsextremist David Petereit, der seit 2011 für die NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern sitzt. An diesem Tag ist der 34-Jährige in den Münchner NSU-Prozess geladen. Der Zeuge, linksgescheitelt, mit Nickelbrille und Zimmermannshose, hat sicherheitshalber gleich einen Anwalt mitgebracht. Schließlich steht er durch den klandestinen Gruß im Verdacht, in die Machenschaften einer Terrororganisation eingeweiht gewesen zu sein.
Er wisse ja, wieso er hier sei, sagt Petereit: wegen der Nachricht in dem Heft, dessen Titelbild ein Foto von Adolf Hitler als Kleinkind zeigt. Aber, das stellt er ebenfalls gleich zu Beginn klar: Obwohl er die Artikel für das Heft auswählte, das Design am Computer zusammenstellte und das Vorwort schrieb, habe er keinerlei Erinnerung, wer die NSU-Zeile auf die Seite setzte – „ich weiß es ehrlich nicht mehr“.
Ebenso wenig wisse er über den eng bedruckten, zweiseitigen Brief, dessen Absender der Nationalsozialistische Untergrund ist. Beamte des Bundeskriminalamts hatten den Brief 2012 in Petereits Rostocker Wohnung aus einem Ordner gezogen. „Niemand bei klarem Verstand will in so einen Zusammenhang gerückt werden“, sagte der Rechtsextremist vor Gericht.
Von den Mitgliedern Beate Zschäpe, Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt ist in dem Brief keine Rede. Stattdessen liest sich der Text als Gründungsmanifest einer rechten Untergrundorganisation, die „die neue politische Kraft im Ringen um die Freiheit der deutschen Nation“ verkörpere. Wie das geschehen soll, stellt der Brief ziemlich unmissverständlich dar: „Worte sind genug gewechselt, nur mit Taten kann ihnen Nachdruck verliehen werden“, und zwar nach der Parole „Sieg oder Tod“.
Versehen sind die Seiten mit dem geschwungenen Logo des NSU, das auch im Bekennervideo der Gruppe auftaucht. Mit im Briefumschlag hatten offenbar Geldscheine gelegen. Einer Meldung des Verfassungsschutzes von Mecklenburg-Vorpommern zufolge handelte es sich um 2.500 Euro. In einer Anmerkung am Fuß des Briefs heißt es zudem, die Spende sei an keine Gegenleistung geknüpft, der Empfänger dürfe sie nach Gutdünken nutzen.
Eine Spende, sagt Petereit, sei ihm ebenfalls nicht in Erinnerung. Bei dieser Darstellung bleibt er auch, als ihn Richter Manfred Götzl ermahnt, vor Gericht die Wahrheit zu sagen. Lügen, so Petereit, hätten die Medien verbreitet – „ich lese ja, was da für ein Dreck geschrieben wird“. Er habe mit dem Schaden klarkommen müssen: Die Polizei sei bei ihm aufgekreuzt, seine Autos seien in Brand gesteckt worden.
Gab es mit Petereit einen relativ prominenten Mitwisser oder gar Unterstützer der Terrorzelle? Das ist vor Gericht nicht zu klären. Über Hilfshandlungen seinerseits ist nichts bekannt. Immer wieder äußert sich der Zeuge im Tenor vieler anderer Szeneangehöriger vor ihm: „Mit der Erinnerung ist es echt schlecht heute“, antwortet er in beinahe höhnischem Ton auf die Frage einer Nebenklageanwältin.
Auch steht nicht fest, ob der NSU flächendeckend Kameraden mit Spenden eingedeckt hat. Zumindest ein anderes Szenemagazin erhielt Geld. Der Herausgeber eines Hefts namens Fahnenträger gab dem Bundeskriminalamt gegenüber an, den Brief samt einer Beilage von 500 Euro erhalten zu haben.
Dabei handelt es sich nicht um die einzige Querverbindung in rechten Kreisen. So gab es für den Weissen Wolf auch eine Internetseite, für die ein Kamerad Speicherplatz auf einem Server zur Verfügung stellte. Dessen Name: Thomas Ri., beim Bundesverfassungsschutz als Informant unter dem Decknamen Corelli tätig. Wie der Untersuchungsausschuss des Bundestags ermittelt hatte, nahm Ri. im Auftrag seiner Quellenführer Kontakt zu P. auf. Ob so auch Informationen aus der Redaktionsarbeit des Hefts an die Behörde flossen, ist nicht belegt.
Unterstützte Petereit den NSU zumindest im Geiste? Richter Götzl fragt ihn, welche Bedeutung wohl der Satz „Der Kampf geht weiter“ haben könnte. Für Petereit keine große Sache: „So einen Wortgebrauch finden Sie ja auch bei der SPD“, sagt er.
Dabei hatte er selber für seine Leser so manchen konkreten Ratschlag, der weit über Parteirhetorik hinausging. So heißt es im Vorwort direkt über der Zeile mit dem enigmatischen Gruß: „Wenn die Zeiten härter werden – muss der Kampf es auch werden. Unterstützt die Kameraden (…) auf der Straße, bildet Netzwerke – nur vom Musikhören und Feiern kommt die Wende nicht.“ Ein Motto, an das sich der NSU ziemlich genau gehalten hat.