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Die gefährliche Taktik von Zschäpes Anwälten – Das Medienlog vom Donnerstag, 1. September 2016

 

„Hat Zschäpe die Zügel in der Hand?“, fragt Per Hinrichs von der Welt – und beleuchtet damit die sehr ungewöhnliche Praxis, dass die Hauptangeklagte Fragen schriftlich durch Verlesen beantworten darf statt wie üblich direkt und mündlich. Am gestrigen Dienstag, dem ersten Tag nach der Sommerpause, gab Beate Zschäpe keine weitere Auskunft. Vertreter der Nebenklage werden weiter auf Antworten warten müssen. Mittlerweile ist laut Hinrichs ein Hin und Her aus Fragen und Antworten entstanden, „das den Prozess verkompliziert und in die Länge zieht – und nichts bringt“. Denn die Angeklagte äußerte sich in der Vergangenheit unglaubwürdig oder wich den Fragen aus.

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Ob es überhaupt einen Sinn hat, Fragen zu stellen, ist unter den Opferanwälten umstritten. Unklar ist zudem, ob das Gericht der Angeklagten demnächst eine zeitliche Frist für die Antworten stellen könnte. „Sollten Zschäpe oder ihre Verteidiger tatsächlich vorhaben, das Verfahren zu verzögern, könnten sie mit dieser Taktik vor die Wand fahren“, schreibt der Autor.

„Das Verhalten der Hauptangeklagten und ihrer Verteidiger (…) wirkt zunehmend wie Verzögerungstaktik“, kommentiert auch Tim Aßmann vom Bayerischen Rundfunk. Die Verzögerungen durch das Frage-Antwort-Spiel hemmten den Fortschritt des Verfahrens. Ob das Prozedere, offenbar erdacht von Zschäpes neuen Anwälten Mathias Grasel und Hermann Borchert, überhaupt im Interesse der Mandantin sei, sei fragwürdig.

Statt Zeugen zu vernehmen verlasen die Richter am Mittwoch Dokumente aus den Gerichtsakten. Darin ging es auch um den Selbstmord von Zschäpes Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 4. November 2011 in Eisenach. Die beiden erschossen sich nach einem Banküberfall in einem Wohnmobil, in dem ein regelrechtes Waffenarsenal lagerte. Warum wehrten sich die beiden damit nicht gegen die Streife aus zwei Polizisten, die sie gestellt hatten? Diese und weitere Merkwürdigkeiten um den Tag seien weiter offen, heißt es bei Gisela Friedrichsen von Spiegel Online. Auch Zschäpe habe bislang nicht an der Aufklärung mitgewirkt. „Der Grund dazu dürfte in ihrer Weigerung liegen, eventuelle Unterstützer, Mitwisser oder -täter zu nennen“, merkt die Autorin an.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 2. September 2016.