Beate Zschäpe antwortet nicht auf die Fragen von Opferanwälten – eine gefährliche Entscheidung. Dafür rückt das Urteil im NSU-Prozess ein Stück näher.
Es ist ein zähes Durchsitzen, ein Abwarten. Warten auf Antworten, geliefert von der Hauptangeklagten im NSU-Prozess, Beate Zschäpe – beziehungsweise von ihren Verteidigern, die grundsätzlich alle Äußerungen im Namen ihrer Mandantin durch Ablesen vom Blatt wiedergeben.
Am Vortag hatte Zschäpes Anwalt Mathias Grasel überraschend angekündigt, eine Stellungnahme abzugeben zu den Fragen, die die Verteidiger des Mitangeklagten Carsten S. gestellt hatten, außerdem der psychiatrische Gutachter Henning Saß und die Anwälte der Nebenklage. Sie, die Vertreter der Opfer im NSU-Prozess, konfrontierten Zschäpe vor rund zwei Monaten mit mehreren Hundert Fragen – etwa der, wie Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die zehn Opfer der Mordserie aussuchten.
Zuvor nehmen sich die Richter um den Vorsitzenden Manfred Götzl Zeit, den Zeugen und mutmaßlichen früheren V-Mann Marcel D. zu vernehmen. Es kommt zu mehreren Unterbrechungen – die logische Fortsetzung des Wartespiels der vergangenen Wochen.
Zur Mittagszeit ergreift Grasel das Wort. Es gibt, römisch erstens, knappe Antworten auf die acht Detailfragen der Verteidiger von Carsten S. Grasel trägt aus der Sicht von Zschäpe geschrieben vor: „Römisch zweitens: Die Fragen der Nebenklage beantworte ich nicht. Sollte sich der Senat die Fragen zu eigen machen, werde ich sie beantworten.“ Ebenfalls keine Antworten gibt es, römisch drittens, auf die Fragen von Professor Saß. Nach fünf Minuten ist der Akt vorbei.
Was das für das Strafmaß bedeutet, kann sich jeder ausrechnen
Dass Zschäpe den Nebenklägern keine Antworten geben werde, hatte sie bereits bei ihrer ersten Aussage im Dezember 2015 angekündigt. Später war dennoch die Hoffnung aufgekeimt, dass sie sich mit den Fragen beschäftigen werde. Hat sich ein Angeklagter nämlich einmal zum Reden entschlossen, sollte er tunlichst keine Fragen offenlassen. Andernfalls werten Richter die Aussage als Teilschweigen – ein Verhalten, das sofort den Verdacht weckt, da habe jemand etwas Wichtiges zu verheimlichen. Unter diesem Verdacht stand Zschäpe ohnehin schon.
Mit diesem Schritt könnte sie sich endgültig in die denkbar schlechteste Lage manövriert haben. Schließlich hatten die Richter gerade am Vortag mehrere Fragen für zulässig erklärt, die Zschäpes Verteidiger zuvor als irrelevant beanstandet hatten. Damit sendeten Götzl und Kollegen das Signal, dass auch sie mit dem Aussageverhalten nicht zufrieden sind. Was das für das Strafmaß bedeutet, kann sich jeder ausrechnen.
In jedem Fall hat Zschäpes Rückfall ins eiserne Schweigen den Prozess abgekürzt. Weitere Fragen zu stellen, dürften die Opferanwälte für sinnlos erachten. Kommt jetzt wieder Tempo in das seit Langem mehr oder weniger auf der Stelle tretende Verfahren, können noch die restlichen Zeugen gehört und die Beweisaufnahme abgeschlossen werden. Dann ist der Weg frei für die Plädoyers. In der Theorie der Strafprozessordnung steht das Urteil kurz bevor.
Tatsächlich säumen weiter langwierige Volten das Verfahren. So wie der gleich nach Zschäpes Verweigerung gestellte Antrag eines Nebenklageanwalts, der beantragt, als Beweisstück den Brief zu verlesen, den die Angeklagte einem Dortmunder Neonazi ins Gefängnis schickte. Weil Zschäpes Verteidiger allein durch Verlesung des Antrags die Privatsphäre ihrer Mandantin gefährdet sehen, schließt Götzl die Öffentlichkeit aus dem Gerichtssaal aus – um zu beraten, ob der Antrag unter Ausschluss der Öffentlichkeit verlesen werden muss. Stoff, über den sich lange streiten lässt, wird im Prozess einfach nicht knapp.
Ein „hochrangigster Neonazi“
Ein klares Bekenntnis legte an diesem Prozesstag nur einer ab: der Zeuge Marcel D., den der Thüringer Verfassungsschutz einst als V-Mann unter dem Decknamen „Hagel“ geführt hatte und der möglicherweise Unterstützer des NSU-Trios kannte. Weil er in bisherigen Vernehmungen stets abstritt, als Informant gearbeitet zu haben, führt die Münchner Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Falschaussage gegen ihn.
Zu Beginn des Prozesstags gab Richter Manfred Götzl D. die Chance, sich aus der misslichen Lage zu befreien, indem er feststellte, dass das Gericht seine Aussage bislang als noch nicht abgeschlossen betrachtete.
Die Möglichkeit einer Korrektur in letzter Minute nutzte D. aber nicht. Auf die Frage, ob er etwas zu ergänzen habe, antwortete er mit „Nein“. Als Götzl noch einmal deutlich wegen der V-Mann-Tätigkeit nachfragte, verweigerte D. die Aussage mit Hinweis auf die Ermittlungen gegen ihn. Daraufhin entließ ihn der Richter endgültig aus dem Zeugenstand.
Mit dem Ende der Aussage sei eine weitere Möglichkeit der Aufklärung gescheitert, rügte etwa die Nebenklageanwältin Antonia von der Behrens: D. hätte „einer der wichtigsten Zeugen des Verfahrens“ sein können. Er war demnach „hochrangigster Neonazi“ und Sektionsleiter in der Neonazi-Organisation Blood & Honour. Mehrere Figuren der mittlerweile verbotenen Gruppe stehen im Verdacht, das untergetauchte Trio unterstützt zu haben. Eins der Mitglieder hatte nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes den Auftrag, eine Waffe für die drei zu beschaffen.