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Zschäpes ausgeklügelte Erklärung

 

Vom Mord an Peggy Knobloch will Beate Zschäpe nichts gewusst haben. Eigenartig äußert sie sich zu Kinderpornografie auf einem Rechner des NSU – wohl als Dienst an ihren toten Komplizen.

Was wusste Beate Zschäpe über den Mord an der neunjährigen Peggy Knobloch aus dem bayerischen Lichtenberg? Die Frage schwebte über dem NSU-Prozess, seit der Fund von DNA ihres Komplizen Uwe Böhnhardt am Fundort des Mädchens vor knapp zwei Monaten öffentlich geworden war. Nun hat sich die Angeklagte durch ihre Verteidiger geäußert – knapp und voraussehbar, aber mit einer auffällig einleuchtenden Erklärung.

Drei Fragen hatte Richter Manfred Götzl Zschäpe damals gestellt. Mit den Antworten ließ sich die Verteidigung rund anderthalb Monate Zeit. Auf die erste Frage, nämlich ob Zschäpe Informationen zum Fall Peggy vorlägen, die sie nicht aus den Medien habe, verlas ihr Anwalt Hermann Borchert ein knappes „Nein“. In den anderen Fragen geht es um mehrere kinderpornografische Fotos, die Ermittler auf der Festplatte eines PCs in der ausgebrannten Zwickauer Wohnung des NSU-Trios entdeckt hatten. Der Verdacht lag nahe: Gab es einen Zusammenhang zwischen dem verbotenen Material und dem Mord?

Zunächst gab Borchert im Namen seiner Mandantin zu Protokoll, dass auf den Rechner sowohl sie selbst als auch Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zugreifen konnten. Von den Bildern habe sie jedoch nichts gewusst. Überraschend lieferte sie eine Erläuterung hinterher, wie die Dateien auf die Festplatte gelangt sein könnten: Mundlos habe den Computer selbst zusammengebaut. Für Teile habe er regelmäßig in An- und Verkaufsläden eingekauft. „Darum bin ich mir sicher, dass es eine gebrauchte Festplatte war.“

In der Welt, die Beate Zschäpe mit ihren Aussagen zeichnet, finden sich immer wieder die passenden Erklärungen für verdächtige Sachverhalte. So hatte Zschäpe angegeben, von den Gewalttaten ihrer beiden Mitbewohner immer erst im Nachhinein erfahren zu haben – was sie zur Mitwisserin, aber nicht zur Mittäterin machen würde. In den schriftlich niedergelegten Antworten umschifft die Verteidigung mit höchster Präzision mögliche Schuldeingeständnisse der Angeklagten. Dieses Kalkül geht auf Kosten der Glaubwürdigkeit.

Das muss freilich nicht bedeuten, dass Zschäpes unablässig Lügen verbreiten würde. In einem anderen Fall hatten Kommissare des Bundeskriminalamts eine Art Wettvertrag zwischen ihr und Böhnhardt gefunden, in dem als Einsatz unter anderem „200x Videoclips“ schneiden vorgesehen war. Die Bundesanwaltschaft deutete das als Mitarbeit an dem Bekennervideo des NSU, in dem die Morde und Anschläge der Gruppe mit Fernsehausschnitten dargestellt werden.

Zschäpe teilte hingegen mit, es sei darum gegangen, Werbepausen aus aufgenommenen Fernsehserien zu schneiden. In Nachforschungen fanden die Ermittler tatsächlich DVDs mit Serien wie Grey’s Anatomy oder Malcom mittendrin mit herausgeschnittener Werbung.

Eigenartig wirkt Zschäpes Anmerkung mit den gebrauchten Festplatten dennoch. Es war nie ein Verfahren wegen des Besitzes von Kinderpornografie gegen sie eingeleitet worden, weil die anderen Vorwürfe ohnehin schwerer wogen. Die einzigen, die von ihrer Erklärung profitieren, sind Mundlos und Böhnhardt. Es scheint, als wolle Zschäpe posthum den Ruf ihrer Komplizen schützen.

Ihre erst im vergangenen Jahr dazugekommenen Anwälte, Hermann Borchert und Mathias Grasel, hatten auch eine Stellungnahme zu dem psychiatrischen Gutachten angekündigt, das der Sachverständige Henning Saß über die Angeklagte verfasst hat. Kurz vor Weihnachten soll Saß das Ergebnis im Gericht vortragen. Das Statement verschoben die Verteidiger jedoch – weil Zschäpes drei Altanwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm dem Bericht zunächst ein Gegengutachten entgegensetzen wollen.

Das ist aus Verteidigersicht auch sinnvoll, schließlich steht viel auf dem Spiel: Der Psychiater empfiehlt, unter Umständen die Sicherungsverwahrung gegen Zschäpe zu verhängen. Den Altanwälten zufolge wird das Gegengutachten bis zum Gerichtstermin in zwei Wochen noch nicht vorliegen. Richter Götzl will dennoch an seinem Zeitplan festhalten. Zieht er sein Programm durch, wäre die Beweisaufnahme im Terrorverfahren zum Jahresende nahezu abgeschlossen.