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Die gespaltene Verteidigung

 

Im NSU-Prozess wollen Beate Zschäpes Verteidiger die Richter ablehnen. Doch daraus wird nichts – weil sie das gar nicht will. Die Anwälte kämpfen zunehmend für sich selbst.

Der Riss ist tief. Immer noch. Bald zwei Jahre ist es her, dass sich Beate Zschäpe mit ihren drei Rechtsanwälten zerstritt und zwei neue in ihre Verteidigung holte. Seitdem sitzt sie an einer Seite der Anklagebank, flankiert von ihrem neuen Pflichtverteidiger Mathias Grasel und gelegentlich dem Wahlverteidiger Hermann Borchert. Erst dann folgen die Abgelehnten: Wolfgang Stahl, Wolfgang Heer, Anja Sturm.

Die Verteidigung Zschäpes, das sind zwei Teams, die einander wenig zu sagen haben, weil sie nicht dieselbe Strategie verfolgen. Grasel und Borchert verlasen für Zschäpe im Dezember 2015 ihre Aussage, entfalten ansonsten so gut wie keine sichtbare Tätigkeit. Stahl, Heer und Sturm machen weiter, irgendwie, auch wenn ihre auf Schweigen basierte Strategie durchkreuzt ist.

Derzeit befragen sie den psychiatrischen Gutachter Henning Saß, der Zschäpe die Schuldfähigkeit attestiert und zudem in seiner Expertise die Sicherungsverwahrung nahegelegt hatte. Dabei zeigt sich erneut, dass die Verteidigung noch immer unheilbar gespalten ist.

Die Altverteidiger hatten von den Richtern verlangt, sie sollten Saß auffordern, seine fast 800 Seiten umfassenden Notizen mit Beobachtungen über Zschäpe vorzulegen. Sie sind Teil des Materials, auf dem das Gutachten beruht. Als erste Amtshandlung des Prozesstags verkündet der Vorsitzende Richter Manfred Götzl: Die Notizen gehören nicht zum Gutachten, der Antrag wird abgelehnt.

„Sie wissen von nichts“

Anwalt Heer meldet sich und fordert, die Verhandlung bis in den Nachmittag zu unterbrechen, Zweck: die Formulierung eines Ablehnungsgesuchs gegen „alle Mitglieder des erkennenden Senats“. Im Prozess ist das schon fast eine Formsache. Rund ein Dutzend Mal schon haben die Verteidiger versucht, einen oder mehrere Richter aus dem Verfahren zu kegeln, wegen der „Besorgnis der Befangenheit“, wie es standardmäßig in diesen Schriftsätzen heißt.

Ebenfalls standardmäßig fragt daraufhin Richter Götzl die Angeklagte, ob dieser Antrag in ihrem Sinne sei. Denn Befangenheitsanträge dürfen nur im Namen der Mandantin gestellt werden, nicht auf eigene Faust der Verteidiger. „Frau Zschäpe, ist das von Ihnen getragen?“, fragt Götzl. Zschäpe schüttelt den Kopf.

„Sie wissen von nichts“, sagt der Richter halb fragend, halb bestätigend. Heer, Stahl und Sturm stecken die Köpfe zusammen. Eine Zeitlang ist unklar, bei wem nun der Ball liegt. Heer setzt an, verweist darauf, dass sowohl Zschäpe als auch die drei Anwälte selbst bereits versucht hatten, das Pflichtverteidigermandat aufzulösen. Das Gericht entschied jedoch jedes Mal, dass die Anwälte für ihre Verteidigung unentbehrlich seien.

Daraus, sagt Heer, ziehe er den Schluss, dass der Antrag „auch im Interesse des Mandanten“ und nicht nur in seinem Namen gestellt werden könne. Ihr Interesse vertreten fühlt Zschäpe allerdings nur noch durch ihre neuen Anwälte Grasel und Borchert.

Die Arbeit machen die Abservierten

Borchert ist nicht da, nur Grasel. Doch der: sitzt da und schweigt. Nach einer einstündigen Pause kommt Borchert dazu, nimmt Platz und schweigt.

Es ist ein Paradoxon: Die, denen Zschäpe vertraut, tun wenig. Die, die sie abserviert hat, haben ihren Kampfeswillen merklich hochgefahren, nun da es um das psychiatrische Gutachten geht. Würde Zschäpe mit ihnen zusammenarbeiten, könnten sie den Gutachter womöglich wesentlich gezielter angehen.

Indem die Altverteidiger den Psychiater befragen, bestätigen sie zumindest ihr eigenes Existenzrecht im Verfahren. Sie liefern eine Verteidigung, auf die Zschäpe ausdrücklich verzichten wollte.

Und so sind es auch heute Sturm, Stahl und Heer, die die zuletzt nur ermüdend wirkende Befragung von Gutachter Saß führen. Erstmals gelingt es ihnen, eine Zange an den Inhalt des Sachverständigendokuments anzusetzen. In einer beharrlichen Befragung wirft Anwalt Stahl einige grundsätzliche Fragen auf. Dazu gehört die, wie verlässlich die Kriterien sind, nach denen Saß Zschäpe als sogenannte Hangtäterin identifiziert hat. Der Psychiater stützt sich demnach auf neun Kriterien, von denen seiner Ansicht nach acht erfüllt sind.

Auch fragt Stahl, wie Saß sicher sein kann, dass Zschäpe sich zwischenzeitlich nicht von den Taten distanziert und von ihrer Einstellung gelöst hat, wie sie selbst im Prozess behauptet hat. Es braucht einige Versuche, bis der zunehmend genervt erscheinende Sachverständige deutlich benennt, welche Faktenbasis seinem Gutachten zugrunde liegt.

Saß zu demontieren, wie sich die Verteidigung das offenbar vorgenommen hat, gelingt in dieser Sitzung allerdings nicht. In der nächsten Woche haben sie erneut das Fragerecht. Mit der Hilfe ihrer Mandantin können sie nicht rechnen.