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Aus dem Innenleben einer Terrorzelle

 

Wie eng die Mitglieder der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) zusammenlebten, zeigt schon ein Blick in das Zimmer von Beate Zschäpe. Unter ihrem Hochbett stand der Computer, den jeder in der Wohnung nutzte: Zschäpe selbst, ihr Freund Uwe Böhnhardt und ihr Ex-Freund Uwe Mundlos. Auch eine Sitzecke samt Fernseher fand sich in dem Raum, man darf sich gemütliche Abende ausmalen.

Privatsphäre war unwichtig, Geheimnisse schien es zwischen den drei Mitbewohnern nicht zu geben. Dafür sehr viel Vertrauen. Der Ausschnitt aus der konspirativen Bleibe ist ein Blick in das Innenleben des NSU, geronnen aus Zeugenvernehmungen, Dokumenten und anderen Beweisen – dieser Tage zusammengefasst im Plädoyer der Bundesanwaltschaft.

Am Dienstag hatten Bundesanwalt Herbert Diemer und seine Kollegin, die Oberstaatsanwältin Anette Greger mit dem Schlussvortrag der Anklage begonnen – nach mehr als vier Jahren Beweisaufnahme im Terrorprozess. Sie ließen keine Zweifel, dass sie Beate Zschäpe für einen unverzichtbaren Teil der rechtsextremistischen Gruppe halten. Die Hauptangeklagte war demnach Mittäterin bei zehn Morden, zwei Bombenanschlägen und 15 Raubüberfällen. Am Ende dürfte die Forderung nach lebenslanger Haft mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld stehen, möglicherweise kombiniert mit der Sicherungsverwahrung.

Am Mittwoch beleuchtet Greger intensiv das Leben der untergetauchten Neonazis. 1998 waren Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt vor der Polizei in den Untergrund geflüchtet, lebten erst in Chemnitz, später in Zwickau. Das Ende des NSU war der Selbstmord der beiden Männer im November 2011, nach dem sich Zschäpe bei der Polizei stellte.

Die Schilderung der Oberstaatsanwältin ist gespickt mit teils romanwürdigen Formulierungen, die das Geschehen im jeweiligen Unterschlupf beschreiben – vor allem in den letzten beiden Wohnungen in Zwickau. Das Zuhause war demnach das „Herzstück“ des NSU, während vor allem Zschäpe dem Umfeld eine „Schimäre des ganz normalen Lebens“ vorspielte. Nachbarn erzählte sie, bei den Uwes handle es sich um ihren Partner und dessen Bruder. Deren Berufe waren mal Autos überführen, mal eine Arbeit auf Montage – immer etwas, das eine mehrtägige Abwesenheit plausibel erscheinen ließ.

Zschäpe, die „Meisterin im Verschleiern“

Denn Mundlos und Böhnhardt fuhren mit gemieteten Autos kreuz und quer durch die Republik, um zu morden, Bomben zu legen oder Überfälle zu begehen. Zschäpe blieb daheim und spielte die „harmlose Hausfrau“, hielt die „Stallwache“ in der Wohnung. Für wen sie da das Haus hütete, wusste sie der Bundesanwaltschaft zufolge ganz genau: „Mundlos und Böhnhardt waren kein psychopathisches Duo, das neben der Angeklagten her lebte und hin und wieder in mörderische Exzesse verfiel“, trägt Greger vor.

Stattdessen kümmerte sich jeder um seine Aufgabe. Im Fall Zschäpe gehörte dazu auch, Handys und Sim-Karten zu besorgen. Das machte sie teils, indem sie Fremde auf der Straße ansprach und sie überredete, in einem Handyladen einen Prepaid-Vertrag abzuschließen. Auch Kameraden aus der Szene wurden zur Mithilfe bewegt – sie unterschrieben Mietverträge oder stellten ihre Ausweise zur Verfügung. So etwa Holger G., heute als Terrorhelfer mit auf der Anklagebank. Allein Beate Zschäpe nutzte elf verschiedene Aliaspersonalien, Greger nennt sie eine „Meisterin im Verschleiern“.

Selbst untereinander sprachen sich die drei nicht als Uwe oder Beate an, sondern mit ihren aus den Tarnidentitäten abgeleiteten Spitznamen: Max, Gerry und Liese.

Noch drei Sitzungstage bis zur Sommerpause

Ihre letzte Wohnung in der Zwickauer Frühlingsstraßen sicherten die drei mit paranoider Sorgfalt: Vier Kameras überwachten das Geschehen rund um das Haus. Immerhin lagerte im Inneren ein Arsenal aus 20 Schusswaffen, mehr als 1.600 Schuss Munition und Sprengstoff. Bei der Beschaffung sei jeder der drei eingebunden gewesen, sagt Greger.

Ebenso bei der Planung der Morde, Anschläge und Raubüberfälle. Rund 10.000 Adressen sammelte der NSU in verschiedenen Datenbanken, hinzu kamen Stadtpläne mit Markierungen. Greger spricht von einer „büromäßigen Abklärung möglicher Anschlagsziele“.

Ebenso sorgfältig hatte das Trio sich seine vielen Helfer organisiert. Vier von ihnen sitzen mit als Angeklagte im Münchner Prozess. Doch zu den Anteilen der Unterstützer sind die Vertreter der Bundesanwaltschaft bislang nicht gekommen. Prognostiziert ist eine Vortragsdauer von 22 Stunden – an reiner Vorlesezeit sind bislang aber erst rund sechs Stunden vergangen. Vor der Sommerpause, bis zu der das Plädoyer eigentlich abgeschlossen sein soll, sind es aber nur noch drei Sitzungstage. Es wird, mal wieder, knapp im NSU-Verfahren.