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Fünf entscheidende Fragen an Beate Zschäpe

 

In dieser Woche soll Beate Zschäpe im NSU-Prozess aussagen – und wird dadurch womöglich mehr Rätsel schaffen als aufklären. Um Klarheit in den Terrorkomplex zu bringen, müsste die Angeklagte unbedingt diese fünf Fragen beantworten.

Mehr als zweieinhalb Jahre eisernes Schweigen von Beate Zschäpe enden vielleicht diese Woche, wenn kein aufschiebender Antrag dazwischenkommt. Nicht nur Prozessbeobachter wollen endlich hören, was die 40-Jährige zu sagen hat – beziehungsweise ihr Anwalt Mathias Grasel, der ihre schriftliche Einlassung verliest. Angehörige der NSU-Mordopfer wollen endlich wissen, warum die Terrorzelle ausgerechnet jemanden aus ihrer Familie für einen grausamen Terrorakt ausgewählt hat.

Die Aussage könnte erlösende Antworten bringen. Sie könnte aber auch unbekannte Handlungsstränge bis tief in die rechte Szene Deutschlands hinein enthüllen. Oder sie wird eine große Enttäuschung – wenn Zschäpe versucht, mit juristisch geschliffenen Sätzen so viel Schuld wie möglich an sich abperlen zu lassen. Will sie einen Strafrabatt für sich erreichen, muss sie zu Aufklärung beitragen. Das wiederum wäre zum wesentlichen Teil geschafft, wenn Zschäpe Antworten auf diese fünf Fragen liefert.

Frau Zschäpe, …

1. … wie haben Sie vom Tod Ihrer Komplizen erfahren?
Kurz vor 12 Uhr am 4. November 2011 erschossen sich Zschäpes Gefährten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach einem misslungenen Banküberfall in einem Wohnmobil. Eine Polizeistreife hatte die beiden im Eisenacher Stadtteil Stregda gestellt. Gut drei Stunden später zündete Zschäpe die Wohnung des Trios in der Zwickauer Frühlingsstraße an und begann eine mehrtägige Flucht quer durch Deutschland.

Wie sie vom Tod der Männer erfuhr, ist eines der größten Rätsel des NSU-Komplexes. Ermittlungen des BKA schlossen aus, dass Zschäpe in den Nachrichten vom Vorfall in Eisenach gehört hatte. Auch online hatte sie ausweislich der Daten auf ihrem Computer nicht nach Neuigkeiten gesucht. Hatten unbekannte Verbindungsmänner ihr die Nachricht zukommen lassen?

Nachgewiesen ist, dass sich das Handy eines alten Bekannten, des Jenaer Neonazis André K., am selben Tag zweimal in die Funkzelle in Eisenach einbuchte, die auch den Bereich des Wohnmobils abdeckte. K. erklärte gegenüber den Ermittlern jedoch, er sei dort vorbeigefahren, um mit seinem Vater ein Auto zu kaufen. Auf Zschäpes Handy fanden sich keine Spuren. Mit ihrem mutmaßlichen Fluchthelfer, dem Mitangeklagten André E., telefonierte sie erst nach der Brandstiftung.

2. … waren Sie in die Morde und Anschläge eingeweiht?
Essentiell für die Anklage ist die Frage nach Zschäpes Wissen um die Taten ihrer Komplizen Mundlos und Böhnhardt. Die Anklage lautet auf zehnfache Mittäterschaft beim Mord und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Für beides muss Zschäpe sich allerdings über die Mordserie im Klaren gewesen sein – andernfalls hätte sie Delikte nicht dulden und somit unterstützen können.
Kann ihr die Mitwisserschaft nicht nachgewiesen werden, so werden ihre Verteidiger versuchen, Zschäpe als mehr oder weniger harmlose Mitbewohnerin darzustellen, die mit zwei heimlichen Mördern unter einem Dach gelebt hat. Gegen diese These spricht allerdings, dass Zschäpe etwa ein Zeitungsarchiv über die Taten verwaltete und DVDs mit dem Bekennervideo des NSU verschickte – auf beidem befanden sich Fingerabdrücke der Angeklagten.

3. … wie kam der NSU an Schusswaffen?
Insgesamt vier Pistolen nutzten Mundlos und Böhnhardt bei den zehn Morden der NSU-Serie – bei den neun Morden an Migranten war darunter immer die tschechische Česká 83. Das Arsenal der Gruppe war jedoch viel größer: Insgesamt 20 Schusswaffen stellten die Ermittler im Wohnmobil der Männer und in der Zwickauer Wohnung sicher, zudem 1.600 Schuss Munition.

Die Česká ist die einzige Waffe, deren Schmuggelroute zum Trio weitgehend sicher rekonstruiert werden konnte, beteiligt waren demnach die Mitangeklagten Ralf Wohlleben und Carsten S. Wer aber besorgte die anderen 19 Stück? Möglicherweise beteiligt waren Mitglieder der mittlerweile verbotenen Organisation Blood & Honour, wie abgefangene Kommunikation rechter Kameraden nahelegt. Ob die lose Truppe jedoch in der Lage war, so viele Waffen zu besorgen, ist zweifelhaft. Hilfreich waren womöglich Unterstützer, die im Zeugenstand jede Beteiligung von sich wiesen – oder bislang völlig unbekannte Helfer.

4. … wie suchte die Terrorzelle ihre Opfer aus – und wer half ihr dabei?
Wie kamen Mundlos und Böhnhardt am 9. September 2000 darauf, an einer Ausfallstraße in Nürnberg den hessischen Blumenhändler Enver Şimşek an seinem mobilen Verkaufsstand zu erschießen? Wie suchten sie am 25. April 2007 die Polizistin Michèle Kiesewetter aus, die mit ihrem Kollegen Mittagspause auf einem Parkplatz machte? Die NSU-Opfer schienen präzise ausgesucht, mit zuvor recherchierten Gewohnheiten und Fluchtwegen.

Es erscheint unwahrscheinlich, dass die Terrorzelle diese Arbeit in acht deutschen Städten allein geleistet hat. Vermutlich konnte der NSU auf ein engmaschiges Netzwerk an Kameraden vor Ort zurückgreifen. Diese These besteht vor allem für das mit einer starken rechten Szene ausgestattete Dortmund, wo 2006 der Kioskbesitzer Mehmet Kubaşık erschossen wurde.

Allein: Für derartige lokale Unterstützer gibt es bislang keinen sicheren Beweis. Das rechte Milieu von Thüringen und Sachsen hat das Gericht mit einigem Engagement durchleuchtet, für die betroffenen Orte gilt das jedoch nicht. Würde Zschäpe Namen nennen – es wären wohl welche, die man im Prozess bislang nicht gehört hat.

5. … haben Sie mit dem Verfassungsschutz zusammengearbeitet?
Der Weg des NSU ist von Informanten des Verfassungsschutzes regelrecht gesäumt. V-Männer tummelten sich in der Szene, als das Trio noch daheim in Jena unterwegs war, und sie tauchen in bemerkenswerter Zahl auch unter Bekannten der drei auf, nachdem diese 1998 in den Untergrund geflüchtet waren. Nicht wenige hegen den Verdacht, die NSU-Mitglieder hätten selbst auf der Gehaltsliste des Verfassungsschutzes gestanden.

Das kann man seriöserweise nicht mehr als eine Verschwörungstheorie nennen – denn jeder überzählige Kontakt in die Szene hätte irgendwann zum Auffliegen der vor der Polizei geflohenen Neonazis führen können. Gleichsam gab es mehrere Versuche, sie an bekannt gewordenen Verstecken festzunehmen – Ermittler mussten jedoch feststellen, dass die Gesuchten beim Zugriff immer „gerade weg gewesen“ waren, wie es im Thüringer Untersuchungsausschuss hieß.

Bekamen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe vom Verfassungsschutz Informationen zugesteckt? Gab es eine Vereinbarung? Die Geheimdienstfrage gehört zu den spannendsten an die Hauptangeklagte.