Im NSU-Prozess beantwortet der mutmaßliche Waffenbeschaffer Ralf Wohlleben Fragen des Richters – und enthüllt dabei seine ewiggestrige Weltsicht. Die Schuld schiebt er auf einen anderen.
Es gibt Dinge, an die erinnert sich Ralf Wohlleben noch ganz genau. Etwa an die Zeit, in der er mit seinem Kumpel Holger das Lehrlingsgehalt in eine Spielhalle in Jena trug, wie er an zehn Automaten gleichzeitig spielte und das Geld in ein bis zwei Tagen alle war. Ein pathologischer Spieler war er nach eigener Schilderung, aber davon kam er schnell wieder runter. So genau muss man es gar nicht erfahren.
Dann gibt es noch Sachen, da weiß es Wohlleben nicht mehr so genau. Etwa, wann und wo er die untergetauchten Rechtsextremisten Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt traf, die spätere Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Auch, was sie damals besprochen hatten über Waffen für das Trio, das ist ihm in Teilen angeblich entfallen.
Der 40-Jährige sitzt als Angeklagter im Münchner NSU-Prozess, weil er der Beihilfe zum Mord in neun Fällen angeklagt ist. Der Scheitel sitzt sorgfältig gezogen auf der rechten Seite, einige der Haare hängen ihm auf die Stirn. Wohlleben soll die Pistole Ceska 83 organisiert haben, mit der die NSU-Mitglieder Mundlos und Böhnhardt neun Migranten erschossen haben sollen. Dazu soll er dem weiteren Angeklagten Carsten S. den Auftrag zum Kauf und Transport der Waffe an das Trio erteilt haben. Ebenfalls auf der Anklagebank sitzt übrigens Holger G., der Kumpel aus der Spielhalle. Auch er soll den mutmaßlichen Terroristen geholfen haben.
Im Dezember hatte Wohlleben, kurz nach der Hauptangeklagten Zschäpe, schon einmal ausgesagt. Es hieß: Von ihm kam kein Auftrag zum Waffenkauf, das habe S. wohl allein gemacht. Doch es blieben Ungereimtheiten. Deswegen befragt ihn nun der Vorsitzende Richter Manfred Götzl.
Dabei wird erneut deutlich, dass der Angeklagte nicht aus rechtsstaatlicher Überzeugung mit dem Gericht kooperiert. Dem Gedankengut seiner rechten Kameraden ist er weiter treu verbunden. So wehrt er sich dagegen, „dass man die deutsche Geschichte auf zwölf Jahre reduziert“ und „dass man immer nur guckt, welche Kriegsschuld der Deutsche trägt – nicht der Amerikaner oder der Engländer“. Ein Beispiel dafür seien die Luftangriffe der Alliierten auf Dresden, „wo man die Opferzahlen runterlügt, von einer hohen sechsstelligen Zahl auf eine fünfstellige“.
Nur vage will sich Wohlleben noch erinnern, dass er Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe dreimal traf, nachdem sie Anfang 1998 nach einem Sprengstofffund in Zschäpes Garage vor der Polizei geflohen waren. Beim zweiten Mal habe Böhnhardt dann nach einer Waffe gefragt, „möglichst deutsches Fabrikat“.
Mit der Pistole, habe Böhnhardt angegeben, wolle er sich im Falle einer drohenden Festnahme erschießen. Wohlleben will mit der Beschaffung jedoch nichts zu tun gehabt haben: „Ich habe gesagt, ich gucke, was sich machen lässt und dann ist gut. So hinhalten war damals eine gängige Taktik von mir“, sagt er.
Darauf habe sich das Trio an Carsten S. gewandt. Er besorgte schließlich eine tschechische Ceska 83 in einem Jenaer Neonazi-Laden. Genutzt wurde das Exemplar allerdings nicht zum Suizid, sondern als Mordinstrument. S. hatte zu Beginn des Prozesses ausgesagt, Wohlleben habe ihn in das Geschäft geschickt.
Wohlleben gibt durchaus zu, ihm den Laden empfohlen zu haben – aber nur, weil er geglaubt haben will, dass es ohnehin nicht zum Kauf kommt. Er selbst habe Böhnhardt weiter vertröstet, wenn der bei konspirativen Gesprächen von Telefonzelle zu Telefonzelle nachhakte, wo die Waffe bleibe: „Ich habe irgendwelchen Kakao erzählt, der nicht stimmt.“
Ebenfalls gibt Wohlleben an, dass S. die erfolgreich gekaufte Ceska zuerst zu ihm in die Wohnung gebracht und ihm dort gezeigt habe, obwohl er damit ja angeblich nichts zu tun haben wollte. „Überrascht“ sei er dann gewesen, dass der Waffe ein Schalldämpfer beigelegen habe – mit dem ein Selbstmörder eigentlich nichts anfangen kann. Dem Angeklagten zufolge war das Zubehörteil „einfach dabei, ein Gimmick“, wie die Beilage aus dem Yps-Heft.
In der rechten Szene allerdings hätten die Kameraden nicht über Waffen und Sprengstoff geredet, sagt Wohlleben, „Bewaffnung war jedermanns eigene Sache“. Manche allerdings hätten sich entsprechend auf mögliche Angriffe von Linken vorbereitet. Er selber allerdings will sich davon streng ferngehalten haben – „weil ich damit eh nichts anfangen konnte“.
Am Nachmittag verkündet Wohllebens Anwalt Olaf Klemke, sein Mandant leide unter Rücken- und Kopfschmerzen, die Sitzung wird abgebrochen. Der Angeklagte wird am Folgetag erneut Rede und Antwort stehen müssen.