Im NSU-Prozess hat das Gericht die Pistole in Augenschein genommen, mit der neun Menschen erschossen wurden. Die Untersuchung der Waffe durch das BKA wirft allerdings Fragen auf.
Was vom rechtsextremen Terror übriggeblieben ist, ist im Vorzeigezustand. Glänzend schwarz, fast frei von Kratzern ist der lange Schalldämpfer, nur der Griff ist verunstaltet durch geschmolzenes und aufgewelltes Plastik. Vor dem Richtertisch im Oberlandesgericht München liegt die Pistole Modell Ceska 83, Kaliber 7,65 Millimeter – die Waffe, mit der die mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Menschen erschossen haben sollen.
Richter Manfred Götzl hat an diesem Tag 20 Gewehre, Pistolen und Revolver in den Gerichtssaal schaffen lassen – allesamt sichergestellt in der Zwickauer Wohnung des NSU-Trios oder in dem Wohnmobil, in dem sich Mundlos und Böhnhardt am 4. November 2011 nach einem Banküberfall erschossen hatten. 20 baugleiche Waffen hat der Büchsenmachermeister Eberhard O., beim Bundeskriminalamt tätig als Sachverständiger für Schusswaffen, aus der Vergleichssammlung der Ermittlungsbehörde mitgebracht.
Das Arsenal ließ vermuten, dass die rechte Terrorzelle noch weitaus mehr geplant hatte als die Morde an neun Migranten und einer deutschen Polizistin, ergänzt durch zwei Sprengstoffanschläge in Köln. Mit Waffen verschiedenster Art war die Gruppe auf alle Möglichkeiten vorbereitet – zum Beispiel für den Fall, dass plötzlich die Polizei in Zwickau vor der Tür gestanden hätte. Mundlos und Böhnhardt hätten geplant, „sich freischießen“ zu wollen oder ersatzweise das Leben zu nehmen, hatte die Hauptangeklagte Beate Zschäpe in ihrer Aussage vom Dezember zu Protokoll gegeben.
Tatsächlich lagen viele der Pistolen und Revolver geladen und schussbereit in der Wohnung. Als Zschäpe das Haus in der Frühlingsstraße 26 an dem Novembertag 2011 in Brand setzte, explodierte das Schießpulver in etlichen Patronen, die sich bereits in den Magazinen der Waffen befanden.
Mit handwerklichem Geschick hatte die Terrorzelle ihr Arsenal vergrößert oder vergrößern lassen: Vier Pistolen waren Schreckschusswaffen, von denen zwei mit einem neuen Lauf versehen wurden. Dadurch konnten sie als normale Schussgeräte verwendet werden. Dazu kam es auch: Eine Pistole der Marke Bruni kam bei zwei Morden zusätzlich zur Ceska zum Einsatz.
Gutachter O. war zuständig dafür, die Waffen zu identifizieren – was dadurch erschwert wurde, dass sowohl die Wohnung als auch das Campingmobil lichterloh gebrannt hatten. Die meisten Waffen tragen erhebliche Spuren, sind geschmolzen, verrußt oder gesplittert. In manchen Fällen musste O. Teile davon ausbauen und in funktionsfähige Vergleichsmodelle einsetzen – nur so war es möglich, testweise Munition daraus zu verfeuern.
Auf diese Weise ermittelten Ballistiker, dass es sich bei der Ceska 83 aus der Frühlingsstraße um die Tatwaffe bei den neun Morden handelte: Die verschossene Munition trug die gleichen mikroskopischen Spuren wie die Patronenhülsen, die Polizisten an den Tatorten sichergestellt hatten.
Verwunderlich ist allerdings, dass zumindest der Schalldämpfer heute ganz anders aussieht als zu dem Zeitpunkt, als er aus dem Brandschutt des Hauses geborgen wurde. Die Pistole war durch die Hitze vollständig mit Plastik überzogen, wahrscheinlich hatte sie in einer Tüte gelegen.
O. ließ die Ceska wie auch die anderen Waffen reinigen – nach seiner Aussage allerdings nur so weit, wie es nötig war, um sie wieder in Funktion zu setzen. Darauf beziehen sich anschließend mehrere Fragen von Zschäpes Verteidiger Wolfgang Stahl und der Anwältin des Mitangeklagten Ralf Wohlleben, Nicole Schneiders.
Denn tatsächlich wurde von der Ceska sämtliches Plastik entfernt, auch das auf dem Schalldämpfer – der beim Probeschießen aber gar nicht zum Einsatz kam. Ob der geschmolzene Überzug weggeworfen wurde, ob er auf Spuren untersucht wurde – das ist unbekannt.