Beate Zschäpe erhält regelmäßig Geld in der Haft – auch aus einer dubiosen Quelle. Der NSU-Prozess schließt unterdessen eines der letzten Kapitel ab.
Beate Zschäpes Gesicht prangt inmitten eines Herzens aus Rosenblättern, darunter steht die Botschaft „Alles Liebe zum Valentinstag Bea!“. Ein anderes Foto, wieder mit Zschäpe, die Nachricht darauf diesmal: „Egal wie schwer die Zeiten noch werden, ich werde immer zu Dir stehen, Beate.“ Daneben hat sich der Urheber, ein Mann mit Brille und Schnauzbart, selbst abgebildet. Enrico K. heißt der Nutzer, der in seinem Twitter-Profil eine unsterbliche Liebe für die Hauptangeklagte im NSU-Prozess bekundet.
Auf seiner Facebookseite finden sich ähnliche Schwärmereien, aber auch Links zu rechtsextremen Seiten. Seine Zuneigung bekundet der nach eigenen Angaben aus München stammende Mann allerdings nicht nur virtuell, sondern auch finanziell: Mehrmals schon hat er Zschäpe Geld auf ihr Konto im Münchner Gefängnis Stadelheim überwiesen, wo sie während des NSU-Prozesses in Untersuchungshaft sitzt. Zschäpe kann damit Lebensmittel und Tabak im Anstaltsladen kaufen – oder ihren Anwalt Hermann Borchert bezahlen, dessen Honorar als Wahlverteidiger nicht aus der Staatskasse vorgestreckt wird.
„Mal 100, mal 200 Euro“ gab es, berichtet die stellvertretende Leiterin der Justizvollzugsanstalt (JVA), Mariona Hauck. Sie ist an diesem Tag als Zeugin im Prozess. Demnach erhält Zschäpe regelmäßig Überweisungen, in der Regel „von nahen Angehörigen“. Von wem genau und wie viel im Monat zusammenkommt, wird nicht klar. So muss auch offenbleiben, ob Zschäpe in der Lage ist, Anwalt Borchert von ihrem Knastkonto voll zu bezahlen.
Auch besucht wird die Insassin demnach von Angehörigen, zudem von einer Bekannten. Über einen Kontakt mit ihrem Verehrer K. ist nichts bekannt. Spinner, die in Zschäpe regelrecht vernarrt sind, gibt es allerdings zuhauf. So kamen 2012 mehrfach Pakete mit Sexspielzeug in der JVA Köln an, wo Zschäpe damals inhaftiert war. Der Absender blieb anonym. Dass jedoch jemand direkt hohe Beträge an die Angeklagte überweist, ist neu. Es beweist indes nicht, dass sie weiterhin in Austausch mit der rechten Szene steht.
Vielmehr hat sich Zschäpe offenbar in den Verhältnissen der JVA eingerichtet, in die sie im März 2013 eingeliefert wurde. In der Anstalt, die Untersuchungsgefangene und Verurteilte mit kurzen Strafen beherbergt, ist sie mittlerweile die Insassin mit der längsten Haftzeit. Sie habe zwar „eine gewisse Prominenz“, sei aber ansonsten bestens in den Gefängnisbetrieb mit Bastelgruppe und Weihnachtsgottesdienst integriert, sagt Hauck. Auch mit Gefangenen anderer Herkunft habe sie keine Probleme.
Disziplinarmaßnahmen seien niemals gegen sie verhängt worden, bei Konflikten sei sie stets sachlich geblieben – etwa, als sie sich beschwerte, dass auf dem Hof nicht genügend Volleybälle zum Spielen zur Verfügung standen, „das haben wir dann nachgebessert“. Als die Anstalt entschied, dass Zschäpe sich von Privatsachen trennen musste, weil ihre Zelle sonst schwerer zu durchsuchen gewesen wäre, habe sie das akzeptiert.
Das Bild, das die Beamtin von ihrer bekanntesten Gefangenen zeichnet, ist unauffällig, beinahe langweilig. Einen Beweiswert hat es aber höchstens in der Vorstellung von Zschäpes Neuverteidigern Mathias Grasel und Hermann Borchert. Die hatten in der vergangenen Woche angekündigt, die Ladung einer JVA-Aufseherin zu beantragen. Als der Antrag am Dienstag noch nicht fertig war, verließ Richter Manfred Götzl die Geduld, er lud Hauck ohne weitere Absprachen.
Der Schritt zeigt: Götzl will nicht einen Tag mehr verlieren, er führt den Prozess in Höchstgeschwindigkeit Richtung Urteil – im Zweifel auch mal an den Interessen der Anwälte vorbei. Die wollten nämlich nicht die Leiterin hören, sondern eine Beamtin, die täglich Dienst auf Zschäpes Gefängnisstation tut.
Götzls Plan geht auf. Der Psychiater Professor Henning Saß, der Zschäpe begutachtet und ihr die volle Schuldfähigkeit attestiert hatte, sieht in der Vernehmung keinen Anlass, seine Einschätzung abzuändern. Eher sieht er sich bestätigt, hatte er doch bereits beobachtet, dass sich Zschäpe „sehr kontrolliert der Situation angepasst verhalten kann“, im Leben mit zwei mutmaßlichen Mördern also genauso wie in der Enge des Gefängnisses.
„Wir würden dann die Vernehmung von Professor Saß abschließen“, sagt Götzl gegen Ende des Prozesstags. Seit Jahresbeginn hatte der Gutachter vor Gericht Rede und Antwort gestanden, der Abschluss seiner Befragung war nur eine Frage der Zeit. Zschäpes Altanwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm widersprechen der Verwertung seiner Ergebnisse, sie wollen ein methodisches Gegengutachten in den Prozess einführen, auch noch die Vernehmung Zschäpes durch einen weiteren Sachverständigen abwarten – doch damit werden sie wohl nichts aufhalten.
Mit der Saß-Vernehmung ist die letzte entscheidende Hürde im NSU-Prozess genommen. Die Verteidiger mehrerer Angeklagter werden wohl noch mit Anträgen versuchen, das Ruder herumzureißen. Nun aber geht das Verfahren bis Anfang März in die Faschingsferien. Dann dürften schon bald die Plädoyers anstehen.