Fortsetzung der Nebenklage-Plädoyers: Am Dienstag brachte die Anwältin Antonia von der Behrens scharfe Angriffe gegen die Bundesanwaltschaft vor, die ihrer Meinung nach Verfassungsschutz und V-Männer trotz gravierender Fehler mit eingeschränkten Ermittlungen geschont hat. Den Sicherheitsbehörden warf sie vor, bewusst Wissen über Strukturen der rechten Szene verschwiegen zu haben.
„Das bittere Fazit der Opferanwältin: Die Staatsräson habe intensivere Ermittlungen verhindert“, fasst Alf Meier vom Bayerischen Rundfunk zusammen. Auch dem Gericht warf von der Behrens vor, durch häufige Ablehnung von Beweisanträgen Aufklärung verhindert und den Verfassungsschutz geschützt zu haben. „Doch das Zeugnis, das sie den Richtern ausstellt, ist geringfügig besser als jenes, das sie der Bundesanwaltschaft ausstellte“, bilanziert Wiebke Ramm von der Süddeutschen Zeitung.
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„Beim NSU-Prozess geht es schon lange nicht mehr nur um Beate Zschäpe“, merkt Frank Jansen vom Tagesspiegel an. Die scharfe Kritik sei „fast schon ein Ritual“ und nehme kein Ende. Zschäpes Verteidiger beanstandeten den Vortrag – ebenfalls nahezu rituell – als ausschweifend. Die Richter ließen die umfangreiche Kritik jedoch abermals zu.
Julia Jüttner und Thomas Hauzenberger von Spiegel Online konzentrieren sich auf Vorwürfe gegen den Mitangeklagten Ralf Wohlleben. An diesen richteten sich Vorwürfe, die der Opferanwalt Alexander Hoffmann vorbrachte. Hoffmann „seziert in seinem Plädoyer die Ideologie des NSU“, heißt es.
Wir bei ZEIT ONLINE ziehen ein Zwischenfazit der bisherigen Schlussvorträge: Die Nebenklageanwälte haben die Mission „zu verhindern, dass die Verantwortung des Staats im NSU-Komplex hinter der Schuld der Angeklagten verblasst“. Dabei geht es insbesondere darum, zu zeigen, dass der NSU anders als von der Bundesanwaltschaft behauptet aus mehr als drei Personen bestanden habe. Die Folge: „Aus einem unscharfen Kreis von Unterstützern würden potenzielle Mitglieder der Terrorgruppe.“ So kämen die Opfervertreter zu einer bitteren Bilanz: „Dass die Sicherheitsbehörden den Opfern nicht einmal den Gefallen getan haben, an ihren Fehlern zu wachsen.“
Um den Fall der erfundenen Nebenklägerin Meral Keskin geht es in einem Beitrag von Detektor.fm. Der Fall um den Anwalt, der sich gegen Provision das nicht existente Opfer von einem mittlerweile verstorbenen Nebenkläger vermitteln lassen haben soll, ist noch immer nicht juristisch aufgeklärt. Der dazu befragte Anwalt Achim Doerfer meint: „So viel anwaltliche Dummheit und ein Verstoß gegen wirklich alle Vorschriften der anwaltlichen Sorgfaltspflicht – das ist gar nicht denkbar, dass er das nicht gewusst hat.“
Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 7. Dezember 2017.