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Die rechtsextreme Krabbelgruppe

 

Das militante Netzwerk Blood & Honour soll den NSU mit Waffen und Pässen unterstützt haben. Verdächtig ist eine Zeugin im Münchner Prozess – doch sie verharmlost die Organisation.

Ehrliche Antworten von rechtsextremen Zeugen im NSU-Prozess, damit rechnet schon lange niemand mehr. Wenn ein früherer Weggefährte von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt aussagt, beginnt ein Spiel des Lavierens, des Verschweigens, des Beschönigens. Und wer es nicht fertigbringt, seine Unterstützung für die Terrorgruppe NSU oder sein Verhalten in der rechten Szene schönzureden, der lässt sich von einem schweren und unheilbaren Gedächtnisverlust treffen.

Am 162. Verhandlungstag tritt vor Gericht eine Zeugin auf, die das Prozedere der Verweigerung bis ins Detail perfektioniert hat. Antje B. gründete in den neunziger Jahren in Sachsen einen Ableger der rechtsradikalen Skinhead-Organisation Blood & Honour (B&H), die mittlerweile verboten ist. Ihre rechten Verbindungen allerdings versucht B. nach besten Möglichkeiten zu verbergen, so wie sie ihre Frisur hinter einem breiten schwarzen Haarband verbirgt – wahrscheinlich bindet der Stoff den Federschnitt zusammen, eine Frisur mit langen Koteletten und Erkennungszeichen von Frauen in der Skinhead-Szene.

Waffen? Davon war nie die Rede

Die 40-Jährige aus dem Erzgebirge soll das NSU-Trio nach seiner Flucht in den Untergrund 1998 unterstützt haben. Der sächsische Verfassungsschutz ermittelte, dass sie vorhatte, Beate Zschäpe ihren Reisepass zu überlassen. Damit sollten die drei nach Südafrika fliehen, wozu es letztlich nicht kam. Zudem sollten Kameraden, Gründungsmitglieder der B&H-Division, Waffen für Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt besorgen.

Davon will B. jedoch nichts wissen. Die Sache mit dem Pass? Das sei nicht passiert. Waffen? Davon sei nie die Rede gewesen. Dass sie bei einem B&H-Treffen zu Anschlägen aus dem Untergrund heraus aufgerufen haben soll? „Das ist eine ganz bösartige Unterstellung.“

B&H ist ein Netzwerk, das sich für die Vorherrschaft der weißen Rasse einsetzt, weltweit fungiert es als Sammelbecken für militante Rechte. Doch auch davon will B. nichts wissen. Sie erzählt, wie sie Mitte der neunziger Jahre in Chemnitz einen Stammtisch mit anderen Kameraden gründete – darunter Jan W. und Thomas S., die beide als Zeugen im Prozess geführt werden. „Wir waren der Meinung, es wäre schön, wenn wir musikalische Veranstaltungen hier hätten“, erzählt die Zeugin. Also habe die Gruppe Bands angefragt und Konzerte organisiert, zwischen 70 und 400 Gästen seien gekommen. Richter Manfred Götzl erkundigt sich nach der Musikrichtung. „Zwischen Rock ’n‘ Roll und Heavy Metal“, antwortet B.

Vieles nicht verstanden

Tatsächlich waren die Konzerte typische Rechtsrock-Veranstaltungen. Um Inhalte habe man sich nicht geschert, sagt die vierfache Mutter. Eher sei es ihr darum gegangen, bestimmte Werte zu propagieren: Ehrlichkeit, Demut, Treue. Und Unternehmungen mit Kindern habe sie sich gewünscht. Götzl ist von den Heile-Welt-Sprüchen zunehmend genervt: „Das klingt wie eine Idylle, wo sich Musikliebhaber treffen, dann gibt es noch Familienanschluss – Richtung Krabbelgruppe, sag ich mal. Gab es keine politische Zielrichtung?“

Zögernd räumt B. ein, dass es manchen „vielleicht auch ein Stück weit um rechtes Gedankengut“ gegangen sei. Begriffe wie „White Power“ und „Deutschland den Deutschen“ seien kursiert. Aber das seien nur Floskeln gewesen, nur die anderen seien rechts gewesen. Und rechts zu sein, das habe schließlich stets eine negative Bedeutung, „aber der Mensch dahinter wird nicht gesehen“. Zumal sie vieles von dem, was sie da von sich gegeben habe, auch nicht verstanden habe.

„Scheiße.“ – „Wie soll ich das verstehen?“

Das erscheint, wie so vieles, höchst zweifelhaft – betrieb ihr früherer Mann doch zwei Läden, in denen rechte Kleidung und CDs verkauft wurden und in denen sie hinter dem Tresen stand. Zudem existieren zwei Fotos einer Veranstaltung, die B. in lockerer Atmosphäre neben Beate Zschäpe und Uwe Mundlos zeigen. Als ihr die Bilder im Gerichtssaal gezeigt werden, will sie keinen der beiden wiedererkennen.

Schließlich fragt Götzl sie, ob sie den Mitangeklagten André E. kenne, angeklagt als Unterstützer und ebenfalls aus dem Erzgebirge. B. verneint. Götzl weist sie auf eine Aussage hin, die sie im Jahr 2012 beim Bundeskriminalamt gemacht hatte. Demnach waren ihr sowohl E. als auch sein Zwillingsbruder bekannt. Sie habe gewusst, dass beide in ihrem heutigen Wohnort Aue ein Geschäft eröffnen wollten. „Was sagen Sie dazu?“, fragt Götzl. „Scheiße.“ – „Wie soll ich das verstehen?“ Die Zeugin gerät ins Stottern. „Ja, wie soll ich sagen. Jetzt steht natürlich meine Glaubwürdigkeit infrage.“

B. muss im Dezember erneut erscheinen.