Ein wichtiger Schritt bei der Aufklärung des Nagelbombenanschlags auf der Kölner Keupstraße von 2004: Zwei Zeugen sagten am Dienstag aus, sie hätten Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt vor und nach der Explosion in der Nähe des Tatorts gesehen. Eine Zeugin sah einen nach ihren Angaben deutsch oder osteuropäisch wirkenden Mann, der mit größter Vorsicht ein Fahrrad schob – darin befand sich mutmaßlich der Sprengsatz. Diesen Hinweis nahmen die Ermittler offenbar nicht sonderlich ernst. „Es ist unfassbar!“, echauffiert sich Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online: „Warum ging die Polizei diesen Angaben nicht gründlich nach? Wieso verfolgte sie die Hinweise nicht weiter?“
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Tatsächlich konzentrierte sich die Polizei auf die Suche nach einem Täter aus dem migrantischen Milieu. Auch am Dienstag schilderten Zeugen mehrfach, die Ermittler hätten nach ihrer Verstrickung in die Strukturen der Mafia gefragt. Da half es auch wenig, dass ein weiterer Zeuge erzählte, er habe einen Mann nach der Explosion auf einem Fahrrad flüchten sehen. Seine Beschreibung ähnelte jener der Frau, die zuvor ausgesagt hatte.
„Ihre Beschreibung ist präzise und detailliert“, resümiert Harald Biskup im Kölner Stadtanzeiger. Das genügte den Fahndern anscheinend dennoch nicht als Anlass, andere Hintergründe als den der organisierten Kriminalität ausführlich zu beleuchten. Eine andere Erkenntnis habe sich nun vor Gericht etabliert: „Solche Details sind in dem Puzzle, das der Staatsschutzsenat zusammenzusetzen versucht, von großer Bedeutung.“
Es ist einer von wenigen Fällen, in dem Mundlos oder Böhnhardt am Tatort gesichtet worden sein könnten. Ein Umstand, der den Keupstraßen-Anschlag von vielen anderen NSU-Delikten unterscheidet: „Damit ist die Indizienlage im Fall Keupstraße ungewöhnlich komfortabel für die Anklage“, analysieren wir bei ZEIT ONLINE. Doch das bedeutet nicht, dass sie auch unangreifbar ist: Dem Zeugen, der einen mutmaßlich flüchtenden Täter sah, wurden keine Bilder einer Überwachungskamera gezeigt, auf dem zwei Verdächtige zu sehen sind. Damit ist der Wert der Aussage auf dem heutigen Stand fraglich – und ein Angriffspunkt für die Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe.
Andere Autoren konzentrieren sich weiter auf die Folgen für die Menschen auf der Keupstraße. So mussten die Geschäftsleute der vormals belebten Einkaufsstraße schwere Einschnitte hinnehmen. Die Inhaberin eines Schmuckladens musste „nicht nur den Schock verarbeiten, sondern auch einen Rückgang der Kundschaft verkraften“, resümiert Tanjev Schultz in der Süddeutschen Zeitung. Verletzte trauten sich nicht einmal, mit ihren Schmerzen zum Arzt zu gehen, weil sie fürchteten, als Tatverdächtige betrachtet zu werden. „Das klingt absurd, doch einige Opfer empfanden die Ermittlungen als derart drückend, dass sie es vorzogen, still zu leiden“, schreibt Frank Jansen vom Tagesspiegel.
Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 29. Januar 2015.