Im Mittelpunkt des 180. Verhandlungstags stand die Frage: Wer darf im NSU-Verfahren Nebenkläger sein – und schadet es dem Prozess, wenn offenbar unberechtigte Teilnehmer dabei sein dürfen? Anlass war die Aussage eines Zeugen des Bombenanschlags in der Kölner Keupstraße von 2004. Vor Gericht gab es einen Versuch, ihn zum Nebenkläger zu machen. Wie es zu diesem Versuch kam, ist umstritten. Der Zeuge sagt, sein Anwalt Ferhat Tikbas habe ihn gegen seinen Willen zum Nebenkläger machen wollen. Tikbas bestritt dies gegenüber mehreren Medien. Doch handelte es sich bei der Aussage des Zeugen nun um einen Fall, „den die Verteidiger Zschäpes und Wohllebens kritisch beäugten“, wie Frank Jansen vom Tagesspiegel schreibt.
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Ein weiterer Fall, der am Donnerstag behandelt wurde: der der Keupstraßen-Nebenklägerin Sermin S., die unter einer Angststörung leidet. Dazu wurde ihr Psychiater befragt – der jedoch vortrug, dass die Zeugen schwere Schicksalsschläge in ihrer Kindheit erlebt hatte. Somit ist heute kaum festzustellen, welche Auswirkungen der Anschlag auf ihre Psyche hatte. Die Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe befragten den Psychiater dementsprechend kritisch. Sie deuteten an, dass überprüft werden müsse, ob S. zurecht Teil der Nebenklage sei.
„Das Klima im Münchner Schwurgerichtssaal A101 ist seit einigen Tagen deutlich rauer geworden“, bilanziert Kai Mudra von der Thüringer Allgemeinen. Für die Opfer der NSU-Taten sei dies nach Ansicht mehrerer Nebenklage-Anwälte „ein untragbarer Zustand“.
Auch wir bei ZEIT ONLINE fragen: „Wie wirkt das auf die Opfer, die in diesem Prozess um ihre Rehabilitierung nach Verdächtigungen durch die Polizei kämpfen?“ Zwar kann man bei Betroffenen eines Anschlags kaum unterteilen, wer von ihnen mehr oder weniger schlimm betroffen ist. „Es macht aber sehr wohl einen Unterschied, ob ein Schaden in der Kfz-Werkstatt oder im Krankenhaus behoben werden muss.“ Durch zweifelhafte Mandate wird demnach die Institution der Nebenklage beschädigt, die sich im Prozess um Aufklärung bemüht.
„Es treten nun schwer gezeichnete Menschen auf, aber auch Menschen, von denen man nicht recht weiß, ob sie wirklich geschädigt wurden“, kommentiert Annette Ramelsberger von der Süddeutschen Zeitung. Fraglich ist damit, welche Konsequenzen angebracht sind für den Fall, dass ein Unberechtigter zum Teilnehmer der Nebenklage gemacht werden sollte: „Es wird noch intensive Fragen geben in diesem Gericht.“
Eine Ermittlerin des Bundeskriminalamts sagte am Donnerstag zu einem Fundstück aus der letzten Wohnung des NSU in Zwickau aus: eine DVD mit Dateien mit Bezug zum Bekennervideo, das Beate Zschäpe nach dem Auffliegen der Gruppe im November 2011 verschickt haben soll. Auf dem Datenträger fanden sich etwa Bilder, die von „zynischen Wetten“ unter den dreien zeugen, wie Eckhart Querner vom Bayerischen Rundfunk im Gerichtsreporter-Tagebuch berichtet.
Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 2. Januar 2015.