Die Vernehmung des Kasseler Neonazis Bernd T. war am Dienstag Nebensache – im Fokus stand ein Antrag der Anwälte von Beate Zschäpe. Sie forderten, der psychiatrische Sachverständige Henning Saß solle seltener an den Verhandlungen teilnehmen, weil die Angeklagte unter seiner Dauerbeobachtung leide. Mehrere Stunden Debatte folgten, am Schluss lehnte das Gericht ab – wiewohl Bedenken der Verteidigung gegen den Gutachter verständlich seien, analysiert Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online: Gutachten wie das zu erwartende hätten „oft mehr mit Kaffeesatzleserei zu tun als mit einer wissenschaftlich begründeten Expertise“.
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Zschäpe spricht nicht mit Saß, so wie sie auch vor Gericht schweigt. Daher fertigt der Psychiater sein Gutachten auf der Grundlage von Akten, Zeugenaussagen und Beobachtungen von Zschäpes Mimik und Gesten – also praktisch aus zweiter Hand. „Es verwundert eher, dass sich immer wieder Gutachter zu einer solchen Vorgehensweise bereit finden“, schreibt Friedrichsen. Die Initiative gegen den Sachverständigen hätten die Anwälte offenbar auf Zschäpes Wunsch hin unternommen.
Konkret forderten sie, ihn während Verhandlungspausen des Saals zu verweisen und bei der Behandlung von Taten, während derer Zschäpe nicht am Tatort war. „Das wäre eine Quasi-Ausladung des Psychiaters“, merkt Annette Ramelsberger von der Süddeutschen Zeitung an. Der Hintergrund: Zschäpe leidet zunehmend unter dem Prozess. „Man sieht es, man spürt es, auch aus der Entfernung.“
Für die Partei der Hauptangeklagten könne das Dienstag vorgetragene Ansinnen „noch heikel werden“, heißt es bei Frank Jansen vom Tagesspiegel. Denn die Anwälte nahmen in ihrem Antrag Bezug auf das Gutachten des Psychiaters Norbert Nedopil, der für das Gericht Zschäpes psychische Gesundheit untersucht hatte. Nun könne diese Expertise womöglich öffentlich in der Verhandlung verlesen werden. Dies „würde den psychischen Stress, dem sich Zschäpe ausgesetzt sieht, noch erhöhen“.
Über den Antrag sprachen Zschäpes Verteidiger auch mit dem Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten. Die Situation hat Eckhart Querner vom Bayerischen Rundfunk mit feiner Beobachtungsgabe aufgeschrieben. „Eine gute Figur machen sie dabei nicht“, bilanziert er.
Thies Marsen vom BR greift die Aussage des Zeugen Bernd T. auf. Dieser bekräftigte restlos, was er bei seinem ersten Gerichtstermin bereits angesprochen hatte: Frühere Aussagen zu angeblichem Wissen über den NSU waren komplett gelogen. Der im Gefängnis sitzende T. hatte sich davon Hafterleichterungen versprochen. Somit habe es sich um einen Gerichtstag gehandelt, „der den NSU-Prozess nicht wirklich weitergebracht hat“, schreibt Marsen.
Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 21. Mai 2015.