Nach Beate Zschäpes Anzeige gegen ihre eigenen Anwälte erwarteten viele Prozessbeobachter eine Reaktion von Richter Manfred Götzl. Doch der zog ungerührt die Vernehmung eines Zeugen aus der rechten Szene Thüringens durch. Er „setzt die Beweisaufnahme so unbeirrt fort wie Zschäpe das Ignorieren ihrer drei Anwälte fortsetzt“, fällt Wiebke Ramm von Spiegel Online auf. Die Hauptangeklagte habe an diesem Tag „aufgeräumt“ gewirkt.
„Keine Spur von Nervosität bei diesem Richter, keine Eile, keine Hektik“, beobachtet Frank Jansen vom Tagesspiegel. Zschäpe hingegen sei womöglich ungeduldig. Sie reichte erneut ein Papier an den Strafsenat ein, in dem sie nach Jansens Vermutung noch einmal gegen ihre Verteidiger nachlegte.
Fast überrascht von Götzls Gemütsruhe ist auch Hannelore Crolly von der Welt: „Deutlich hat der Richter signalisiert, dass er sich nicht weiter am Nasenring herumführen lassen will.“ Ruhe komme nun wegen und nicht etwa trotz Zschäpes Anzeige in den Prozess – denn vor einer Entscheidung über die weiter anhängigen Entlassungsanträge gegen ihre drei alten Anwälte werde Götzl die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abwarten. Zschäpes Versuche, den Prozess zu torpedieren, waren bislang zwar erfolglos. Ihr neuer Anwalt Mathias Grasel werde aber womöglich weitere Versuche unternehmen, das Verfahren platzen zu lassen.
Hoher Besuch im #NSU Prozess: @Tatort Kommissar Klaus Borowski aka Axel Milberg ist unter den Besuchern – und hat einen #SWR Kuli am Mann!
— Holger Schmidt (@terrorismus) 28. Juli 2015
„Warum Manfred Götzl ihn als vierten Pflichtverteidiger beigeordnet hat, bleibt rätselhaft“, analysiert Holger Schmidt vom SWR auf seinem Terrorismus-Blog. Seine bisherigen Aktionen hätten der Angeklagten mehr geschadet als genutzt. Wenn Götzl dachte, er könne mit der Beiordnung Ruhe ins Verfahren bringen, „ist das gründlich misslungen“.
Bei ZEIT ONLINE fragen wir uns, ob vom Prozess die „Knalleffekte der Konflikte auf der Anklagebank“ oder die respektable Aufklärungsarbeit der Richter in Erinnerung bleiben werden. Der Fall, um den es eigentlich im Prozess geht, wird dabei vom Verhalten von Anwälten und Mandantin in den Schatten gestellt: „Wer dem anderen Beachtung schenkt, verliert, gibt sich die Blöße“ – das scheint das Spiel zu sein, das Zschäpe und ihre Stammverteidiger spielen.
An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.
Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 30. Juli 2015.