Es war ein weiterer, offenbar ein verzweifelter Versuch, ihre Anwälte loszuwerden: Beate Zschäpe hatte ihre drei alten Anwälte angezeigt, weil diese Geheimnisse ausgeplaudert haben sollen. Die Staatsanwaltschaft München sieht das anders: Anja Sturm, Wolfgang Stahl und Wolfgang Heer hätten sich korrekt verhalten, teilte die Behörde mit und stellte die Ermittlungen ein. Die Hauptangeklagte habe „im Kleinkrieg mit drei ihrer vier Pflichtverteidiger eine Niederlage erlitten“, kommentiert Frank Jansen vom Tagesspiegel.
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Mit dem Ergebnis sei allerdings zu rechnen gewesen. Zschäpe habe wohl versucht, „den Konflikt um des Konflikt willens weiter eskalieren zu lassen“. Ihre Anträge auf die Entlassung von Sturm, Stahl und Heer liegen weiter bei Richter Manfred Götzl auf dem Schreibtisch. Nach der abgelehnten Strafanzeige gilt es jedoch als höchst unwahrscheinlich, dass Götzl den Gesuchen stattgibt.
Die drei Anwälte hatten Götzl in einem Gespräch außerhalb der Verhandlung mitgeteilt, sie hätten Zschäpe nicht angewiesen, vor Gericht die Aussage zu verweigern. Das sahen Zschäpe und vermutlich auch ihr neuer Anwalt Mathias Grasel als Verrat eines Geheimnisses. Durch die Ablehnung der Ermittlungsbehörde sei „viel Druck aus dem NSU-Prozess genommen – sofern sich Zschäpe nun nicht neue Dinge ausdenkt“, meint Holger Schmidt vom Südwestrundfunk. Durch die Anzeige sei klar geworden, dass ihr das Schweigen im Saal nicht aufgezwungen wurde, sondern ihrem eigenen Willen entspricht. Diesen Eindruck habe sie bislang versucht zu verhindern.
Angesichts solcher Scharmützel sei es naheliegend und dennoch „grob falsch und gefährlich, den Prozess als Posse oder gar als Farce zu bezeichnen“, heißt es in einer Analyse von Helene Bubrowski in der FAZ. Das Gericht gehe den Tatvorwürfen mit großer Akribie nach. Indes seien Konflikte zwischen Mandant und Verteidiger bei langen Verfahren nicht ungewöhnlich. Sturm, Stahl und Heer müssten Zschäpe dennoch weiter korrekt verteidigen und einsehen, „dass ein Strafprozess keine Showbühne für Rechtsanwälte ist“.
Wie am Vortag setzte Richter Götzl unbeirrt die geplanten Zeugenvernehmungen fort. Zu einem Eklat kam es bei der Befragung des V-Mann-Führers, der den rechtsextremen Informanten Carsten Sz. alias Piatto betreut hatte. Der zum Schutz seiner Person verkleidete Beamte hatte einen Aktenordner bei sich, in dem möglicherweise Dienstgeheimnisse nachzulesen waren. Götzl ordnete nach Forderungen von Nebenklageanwälten daher an, die Dokumentensammlung zu beschlagnahmen. Bis der Verfassungsschützer wiederkommt, bleibt der Ordner nun im Gericht. Zu der Vernehmung berichten Annette Ramelsberger in der Süddeutschen Zeitung und Oliver Bendixen vom Bayerischen Rundfunk.
Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 31. Juli 2015.