Je zwölf Jahre Haft fordert die Bundesanwaltschaft für die Angeklagten André E. und Ralf Wohlleben. E. wurde verhaftet und stellte einen Befangenheitsantrag gegen die Richter des Strafsenats, nun hat auch Wohlleben nachgezogen und seinerseits die Richter abgelehnt. Das sagte seine Verteidigerin Nicole Schneiders der Deutschen Presse-Agentur. Gründe teilte sie nicht mit.
Ob der Schritt Auswirkungen auf den Prozessverlauf haben wird, ist unklar. Am Mittwoch sollen nach derzeitiger Planung die Plädoyers der Nebenklage beginnen.
Am Donnerstag erschienen die Richter nicht einmal im Saal. Sie ließen mitteilen, dass die Verhandlung erst am Mittwoch fortgesetzt werde – wegen eines Befangenheitsantrages gegen sie. Er kommt vom Angeklagten André E., der seit Mittwochabend wegen Fluchtgefahr und „Schwerkriminalität“ in Untersuchungshaft sitzt. Zuvor hatte die Bundesanwaltschaft zwölf Jahre Haft für E. beantragt, unter anderen wegen Beihilfe zum Mord.
Richter Manfred Götzl hat am Mittwoch entschieden: Der Mitangeklagte André E. wird in Untersuchungshaft genommen. Damit folgte Götzl dem Antrag der Bundesanwaltschaft, die bei E. Fluchtgefahr sieht. Grund: Die überraschend hohe Forderung von zwölf Jahren Haft unter anderen wegen Beihilfe zum Mord, die Bundesanwalt Herbert Diemer am Vortag gestellt hatte. Laut Anklage hatte E. dreimal Wohnmobile für den NSU gemietet – mit einem davon fuhren Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zum Kölner Bombenanschlag von 2001.
Die Entscheidung ist ein Ausblick auf das zu erwartende Urteil. „Der NSU-Prozess könnte für André E. bitter ausgehen“, schreibt etwa Konrad Litschko von der taz. Seine Strategie, als einziger Angeklagter bis zum Ende des Prozesses zu schweigen, „könnte nun nach hinten losgehen“.
Die Bundesanwaltschaft hat ihr Plädoyer am Dienstag beendet, gestern beriet das Gericht über den Haftbefehl gegen den Mitangeklagten André E. Kommt es heute nicht zu anderen Beratungen oder Anträgen, können die Schlussvorträge der Nebenkläger beginnen, also der Angehörigen von Mordopfern und Verletzten der Anschläge und Raube.
Das wird dauern: 95 von ihnen sind in dem Verfahren zugelassen, sie werden von rund 60 Rechtsbeiständen begleitet. Das Wort ergreifen werden vornehmlich die Anwälte, manche Angehörige werden jedoch auch selbst sprechen. Ersten Plänen zufolge sind mindestens 47 einzelne Stellungnahmen geplant, sie sollen nach Berechnungen rund 57 Stunden dauern. Zum Vergleich: Die Bundesanwaltschaft hatte für ihren Vortrag 22 Stunden veranschlagt und dafür acht Sitzungstage benötigt.
Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.
Die Bundesanwaltschaft hat ihr Plädoyer abgeschlossen: Sie fordert lebenslange Haft mit besonderer Schwere der Schuld und Sicherungsverwahrung für die Hauptangeklagte Beate Zschäpe. Der Mitangeklagte Ralf Wohlleben soll zwölf Jahre in Haft, Carsten S. drei Jahre, Holger G. fünf Jahre. Die Überraschung des Tages war, dass Bundesanwalt Herbert Diemer für den fünften Angeklagten André E. zwölf Jahre wegen Beihilfe zum versuchten Mord forderte. Diemer beantragte einen Haftbefehl wegen Fluchtgefahr, E. wurde im Gericht festgenommen. Heute wird entschieden, ob er bis Prozessende in Untersuchungshaft sitzen wird.
Die Anklage „fordert zu Recht harte Strafen“, kommentiert Frank Jansen im Tagesspiegel. In dem Schlussvortrag sei „ein gigantisches Gemälde des Terrors“ entstanden, das aus Sicht der Opfer und Hinterbliebenen jedoch „enorme Lücken“ habe.
Wiederholt haben Vertreter der NSU-Opfer und Hinterbliebenen die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft kritisiert. Bei Spiegel Online äußert sich der Nebenklageanwalt Stephan Kuhn: „Die Bundesanwaltschaft hat im NSU-Verfahren Staatsschutz im umfassenden Sinne betrieben.“ Dies zeige sich etwa daran, dass die Ermittler den NSU von Anfang an als Dreiergruppe identifizierten, der keine Helfer und Mitwisser gehabt habe. Kuhn sagt, er erinnere sich „an keine einzige kritische Frage oder Äußerung der Bundesanwaltschaft gegenüber den als Zeugen gehörten Beamten des Verfassungsschutzes“. Tatsächlich habe dieser genügend Informationen gehabt, um die Terrorgruppe vor den Morden aufzuhalten.
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Das nächste Medienlog erscheint am Mittwoch, 13. September 2017.
Auch am Montag, 11. September, gibt es keine Berichte in den deutschen oder englischsprachigen Onlinemedien.
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Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 12. September 2017.
Das Plädoyer der Bundesanwaltschaft steht kurz vor dem Ende. Am Freitag widmeten sich die Anklagevertreter der sogenannten rechtlichen Würdigung der Taten und fassten zusammen, welcher Delikte sich die fünf Angeklagten ihrer Meinung nach schuldig gemacht haben. Bei Beate Zschäpe ist das unter anderem die Mittäterschaft beim Mord und die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Ziemlich deutlich ist, in welche Richtung die Forderung nach dem Strafmaß in der kommenden Woche gehen wird: Oberstaatsanwältin Anette Greger sagte, die Voraussetzungen für die Sicherungsverwahrung seien bei Zschäpe erfüllt.
„Die mutmaßliche NSU-Terroristin hat sich vermutlich längst darauf eingestellt, dass die Staatsanwälte eine lebenslange Haft fordern“, analysiert Eckhart Querner vom Bayerischen Rundfunk. Auch Frank Jansen vom Tagesspiegel schreibt, die Bundesanwaltschaft werde „offenkundig die Höchststrafe für Beate Zschäpe fordern“. Demnach war Zschäpe auch am versuchten Mord in 39 Fällen beteiligt – zehn mehr als in der Anklageschrift aufgeführt. Auch bei anderen Angeklagten geht die rechtliche Bewertung über das ursprüngliche Maß hinaus. Am 12. September wird Bundesanwalt Herbert Diemer voraussichtlich die Forderung über das Strafmaß verkünden.
Für zwei Tage ist die Sommerpause unterbrochen, die Bundesanwaltschaft hat ihr Plädoyer fortgesetzt. Am Donnerstag im Fokus des Schlussvortrags: der Mitangeklagte André E., der für den NSU Wohnmobile gemietet und ihm bei der Tarnung im Untergrund geholfen haben soll. Angeklagt ist er unter anderem wegen Beihilfe zum Mord. Er habe „klipp und klar“ gewusst, was der NSU plante und tat, sagte Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten.
„Aus Sicht der Bundesanwaltschaft gehörte er quasi zur Familie“, bilanziert Julia Jüttner auf Spiegel Online die Einschätzung der Anklagevertreter. Der Angeklagte selbst sei den Ausführungen „sichtlich amüsiert“ gefolgt. Der Staatsanwalt erinnerte auch an dessen Schweigen seit der Festnahme bis zum heutigen Tag. „Für André E. muss es wie ein Ritterschlag klingen.“
Auch am Donnerstag, 31. August, gibt es keine Berichte in den deutschen oder englischsprachigen Onlinemedien.
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