Erneut befasst sich das Gericht am 73. Prozesstag mit den Geschehnissen nach dem Zwickauer Wohnungsbrand von 2011, den laut Anklage Beate Zschäpe legte. Geladen ist ein Polizist, der Zschäpes Kleidung sichergestellt hatte, nachdem diese sich in Jena gestellt hatte. Als Zeugin tritt zudem eine Frau auf, die in ihrem Namen eine Mobilfunk-Karte gekauft und Zschäpe überlassen hatte – die Karte wurde später im Brandschutt gefunden.
Auch zwei Morde untersucht der Senat: Zum Tod von Süleyman Tasköprü aus Hamburg sagt der Gerichtsmediziner aus, der die Leiche obduzierte. Zum Fall von Halit Yozgat aus Kassel ist ein Zeuge geladen, der sich zur Tatzeit im Internetcafé aufgehalten hatte. Er war bereits dreimal nach München zitiert worden, jedoch nie vor Gericht erschienen.
Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.
86 Nebenkläger sind für den NSU-Prozess akkreditiert – doch an der Verhandlung nehmen die Opfer und Familien der Hinterbliebenen nur noch selten teil. Einer der Gründe sei das gefühlskalte Verhalten der Hauptangeklagten Beate Zschäpe, das viele Betroffene abschrecke, schreibt die Ombudsfrau der Opfer und Hinterbliebenen des NSU, Barbara John, im Tagesspiegel. Die Nebenkläger blieben den Sitzungen einerseits fern, weil ihnen die Zeit fehlt, andererseits, weil die Aufarbeitung extrem belastend sei.
Er erinnere sich nur noch bruchstückhaft, an einem entscheidenden Punkt will er nicht nachgefragt haben – so äußerte sich der Zeuge Alexander S. am Mittwoch im NSU-Prozess. Vor Gericht gab sich S., der nach eigenen Angaben vor einem Jahrzehnt aus der rechten Szene ausgestiegen sein will, ahnungslos – tatsächlich habe er Richter Manfred Götzl angelogen und seine politische Einstellung relativiert, kommentiert die Rechtsextremismus-Journalistin Andrea Röpke auf der Aktionsseite Blick nach rechts.
Ein „feucht-fröhlicher“ Abend war es, als die Hannoveranerin Silvia S. ihrem Bekannten Holger G. ihre Krankenversicherungskarte überließ – so erinnerte sich am ersten Prozesstag nach der Weihnachtspause ihr Mann Alexander. Die Karte gab G. schließlich an Beate Zschäpe weiter, heute sitzt er unter anderem deswegen mit ihr auf der Anklagebank. Mithilfe von Alexander S. versuchte das Gericht, mehr über den Gefallen für das Nazi-Trio zu erfahren, „auch wenn seine Aussage kein allzu großes Gewicht im NSU-Komplex haben dürfte“, wie Frank Jansen im Tagesspiegel kommentiert. Die Vernehmung beschreibt er als Duell zwischen Richter Manfred Götzl und dem Zeugen.
Der heute angesetzte Prozesstermin fällt aus, weil einer der Zeugen erkrankt ist. Aussagen sollten Andreas Sch. und Frank L., die an der Beschaffung der Mordpistole beteiligt sein sollen. Beide waren bereits zu früheren Terminen vor Gericht erschienen.
71 Verhandlungstage sind absolviert, 113 weitere stehen bis Ende 2014 auf der Agenda des Münchner Oberlandesgerichts. Doch selbst die werden nicht ausreichen, wie Frank Jansen im Tagesspiegel schreibt. Der NSU-Prozess werde nicht nur lang, sondern für den Staat auch sehr teuer werden.
Nach der Weihnachtspause hat der Münchner Staatsschutzsenat die Arbeit wieder aufgenommen. In einer langwierigen und zähen Zeugenvernehmung versuchte das Oberlandesgericht, die Beschaffung einer Krankenversicherungskarte für Beate Zschäpe aufzuklären. Der Mitangeklagte Holger G. hatte die AOK-Karte einer Bekannten abgekauft und sie dann an die untergetauchten Neonazis weitergegeben. Am Mittwoch hörte das Gericht nun den Ehemann der Bekannten als Zeugen – den 33-Jährigen Kaufmann Alexander S., der zumindest längere Zeit der rechten Szene in Niedersachsen angehörte. An den konkreten Abend der Übergabe konnte oder wollte der Zeuge sich jedoch nicht erinnern. (mit dpa)
Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.
Der Tod von zehn Menschen war die eine, die direkte Folge der NSU-Taten. Doch die Terrorgruppe hat weit mehr angerichtet: Sie hat einen Staat bloßgestellt. Die deutschen Sicherheitsbehörden und Ermittler sind blamiert, weil sie den rechtsextremen Machenschaften nichts entgegenzusetzen hatten. Das weiß auch Beate Zschäpe – und feiert beim Prozess in München ihren Triumph über den Rechtsstaat, wie Hannelore Crolly in der Welt kommentiert. Zwar werde die Angeklagte wohl zu einer Haftstrafe verurteilt – „aus dem Prozess in München wird sie dennoch als Siegerin hervorgehen, und mit ihr die rechtsextreme Gesinnung“.
Der Polizist Martin A. ist wohl der einzige Mensch, der einen der Pistolen-Mordanschläge des NSU überlebt hat: Er saß im April 2007 in Heilbronn neben seiner Kollegin Michèle Kiesewetter, als diese erschossen wurde – Mitte Januar sagt er in München aus. Während die Öffentlichkeit gespannt auf seine Vernehmung wartet, ist dem Zeugen laut einem Welt-Bericht nicht wohl: „Er habe Angst, so heißt es im Umfeld des Polizisten“, schreibt Hannelore Crolly. Unklar sei dabei, ob der 31-Jährige die Rache von Rechtsextremen fürchtet oder das Trauma nicht noch einmal durchleben will.
71 Tage NSU-Prozess im vergangenen Jahr waren ein Kaleidoskop voller Schicksale: Es sprachen Opfer, Angeklagte und Zeugen. Manche weinten, überwältigt von der Grausamkeit der Taten. Anwälte schrien durch den Saal, der Richter schrie zurück. In den Medien produzierte das fast täglich Gesprächsstoff. Daher zieht die Süddeutsche Zeitung Bilanz – über Taten, Ermittlungen und die bisherigen Verhandlungstage. In einer digitalen Reportage fließen Text, Bilder und Videos zusammen. Im Magazin der Zeitung und in einem Video widmen sich die Autoren hingegen ganz nüchtern den Protokollen aus dem Gerichtssaal.