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189. Prozesstag – Jugendfreund von Uwe Mundlos als Zeuge

Update: Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe ist erkrankt, der Sitzungstag fällt aus.

Er spielte mit Uwe Mundlos Basketball, gemeinsam gingen sie auf Radtouren: Aleksander H. war in seiner Jugendzeit ein guter Freund von Uwe Mundlos. Dieser entwickelte sich später zum mutmaßlichen rechten Gewalttäter. H. hielt mit ihm Kontakt, bis Mundlos 1998 mit Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt die Flucht ergriff und in den Untergrund ging. Am Dienstag sagt der Zeuge, der nach eigenen Angaben nichts mit der rechten Szene zu tun hatte, im Münchner Prozess aus.

Ebenfalls in den Zeugenstand treten Katrin D. und Markus F. Sie sollen Angaben über den Mitangeklagten Ralf Wohlleben machen. Diesem wird vorgeworfen, er habe die Mordpistole Ceska 83 organisiert und sie dem NSU-Trio überbringen lassen.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Das NSU-Trio: Helden in der rechten Szene – Das Medienlog vom Freitag, 27. Februar 2015

Zwei Zeugen und fünf Anträge standen auf der Agenda des 188. Verhandlungstags. Die erste Zeugin war eine Freundin des Mitangeklagten Carsten S. und zeichnete ein Bild der rechten Szene Ende der neunziger Jahre, nach der Flucht von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. „Sie wurden hochgelobt“, als Helden und Märtyrer verehrt, sagte Christina H. Ihr Freund S. habe sich wegen der ihm vorgeworfenen Tat, einem Waffentransport, Vorwürfe gemacht. „Seine Reue wirkt glaubhaft; der Prozess und das Leiden der Opfer scheinen ihm nahe zu gehen“, beobachtet Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung.

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Ankläger wollen Verfassungsschutz nicht durchleuchten

Hat ein hessischer Verfassungsschützer vom Kasseler NSU-Mord gewusst und wurde er von der Behörde gedeckt? Anwälte fordern eine Untersuchung. Doch die Bundesanwaltschaft sträubt sich.

Die Sensation war so perfekt, dass sie nur noch Makel bekommen konnte: In Hessen hatte ein Schweigekartell aus Politik und Ämtern Informationen über einen rassistischen Mord zurückgehalten. Der damalige Innenminister und heutige Ministerpräsident Volker Bouffier steckte in dem Sumpf mit drin, genauso wie das ihm unterstellte Landesamt für Verfassungsschutz. Und natürlich dessen Mitarbeiter Andreas T., der von Plänen wusste, den Deutschtürken Halit Yozgat am 6. April 2006 in seinem Kasseler Internetcafé zu erschießen.

So lautet die Version, die die Anwälte der Hinterbliebenen von Yozgat aus mehreren Telefonmitschnitten der Polizei destillierten. Demnach war T. nicht nur zufällig anwesend, als der 21-Jährige mutmaßlich von den NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in einem Internetcafé niedergeschossen wurde. Noch unglaubwürdiger als schon zuvor wirkte T.s Beteuern, er habe die Schüsse nicht gehört und den blutenden Yozgat nicht hinter seinem Tresen liegen sehen. Die hessische Politik habe dann schließlich dafür gesorgt, dass T.s Wissen bei den Ermittlungen der Mordkommission nicht aufflog.

Anwälte organisieren mediales Vorspiel

Deshalb fordern die Opferanwälte Doris Dierbach, Thomas Bliwier, Alexander Kienzle und Bilsat Top nun, Ministerpräsident Bouffier in den Münchner NSU-Prozess zu laden; außerdem den früheren bayerischen Innenminister Günther Beckstein, der Bouffier damals zu mehr Offenheit gegenüber den Ermittlern riet. Am Donnerstag, gegen Ende des letzten Verhandlungstags dieser Woche, trugen die Juristen insgesamt fünf Anträge vor. Sie enthalten auch die Forderung, die bislang unter Verschluss gehaltenen Mitschnitte abzuspielen – darauf findet sich etwa der mysteriöse Ratschlag eines Geheimdschutzbeauftragten der Behörde an T.: „Ich sage ja jedem: Wenn er weiß, dass irgendwo so etwas passiert, bitte nicht vorbeifahren.“

Bevor die Anträge offiziell an das Gericht gestellt wurden, hatten die Anwälte ein mediales Vorspiel organisiert: Nach einem Zeitungsbericht schien es wie eine unumstößliche Tatsache, dass der Verfassungsschutz in den neunten Mord der NSU-Serie eingeweiht war – und Bouffiers Ladung vor Gericht praktisch ausgemacht.

Doch dass es dazu kommt, scheint nun eher unwahrscheinlich. Denn alle Beteiligten am Prozess haben das Recht, Stellungnahmen zu einem Antrag abzugeben. Dazu gehören auch die Mitarbeiter des Generalbundesanwalts, die die Anklage vertreten.

Die Staatsanwaltschaft tobt

Und deren Reaktion auf das Ansinnen der Anwälte war ungewöhnlich drastisch: Die Karlsruher Beamten ließen kein gutes Haar an den Schriftstücken. „Die Beweise werden zusammengesucht und im gewünschten Licht bewertet – nicht, ohne die Medien vorher ausführlichst zu informieren“, schimpfte Bundesanwalt Herbert Diemer. Die Opfervertreter hätten sich somit nur das zusammengesucht, was in ein verschwörerisches Bild des Mordes passte.

Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten trug im Anschluss eine ausführliche Begründung vor. Demnach seien die Beweismittel, also die Aufzeichnungen der Telefonate, „völlig ungeeignet“, zur Aufklärung des Mordes etwas beizutragen. Sie enthielten außerdem ganz andere Informationen. So bittet der Geheimschutzbeauftragte T. in einem Gespräch darum, bei der Polizei die Wahrheit zu sagen. Dieser stimmt auch zu. In der Tat ist im größten Teil der Protokolle keine Rede von Vertuschung. „Wertungsgetränkt“ sei die Interpretation des Gesprächs, sagt Weingarten. Es belege „das genaue Gegenteil der behaupteten Beweistatsache“.

Die Chancen auf einen Auftritt Bouffiers vor Gericht stehen damit schlecht, und auch die Tonbänder werden wohl weiter im Geheimen lagern. In der Vergangenheit ist der Strafsenat unter Leitung von Richter Manfred Götzl meist den Forderungen der Bundesanwaltschaft gefolgt – auch in einem Fall, als Nebenkläger beantragt hatten, fehlende Ermittlungsakten über Verfassungsschützer T. nach München zu schaffen.

Einen gewichtigen Anteil daran, die Durchleuchtung von T.s Verstrickungen zu verlangsamen, hatte somit die Bundesanwaltschaft selbst.

Zeugin nennt Ralf Wohlleben „Leitperson“

Vor dem Disput hatten am Donnerstag noch zwei Zeugen ausgesagt. Christina H. ist eine Freundin des Mitangeklagten Carsten S.. S. soll dem NSU-Trio die Pistole überbracht haben, mit der neun Menschen erschossen wurden. H. war kurz nach der Jahrtausendwende gemeinsam mit S. aus der Szene ausgestiegen, sie selbst war nach eigenen Angaben bereits mit zwölf Jahren hineingeraten. Nach ihrem Eindruck waren der ebenfalls Angeklagte Ralf Wohlleben und der Zeuge André K. die „Leitpersonen“ der Szene, sie hätten S. zu Treffen geschickt und das Geschehen bestimmt. Zudem habe sie Gespräche über das untergetauchte NSU-Trio mitbekommen – diese galten unter Gesinnungsgenossen demnach als „Märtyrer“.

Zweiter Zeuge war Achim F., der Bruder von Gunter F., der am Vortag ausgesagt hatte. Er bestätigte, dass die beiden Geschwister 1998 durch Kontakte eine Wohnung für die gerade untergetauchten Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt beschafft hatten. Zudem überließ Gunter F. Uwe Böhnhardt seinen Personalausweis. Auch besaß das Trio einen Zettel mit detaillierten persönlichen Daten über Gunter F. Wie die mutmaßlichen Terroristen an das Dokument gelangt waren, konnte sich Achim F. – wie sein Bruder – nicht erklären.

 

Keine Erinnerung trotz Beweisen – Das Medienlog vom Donnerstag, 26. Februar 2015

Der Zeuge Gunter F. und sein Zwillingsbruder Achim wurden in der rechten Szene „die Geklonten“ genannt, weil sich beide angeblich sehr ähnlich sehen. Eine wichtige Rolle im NSU-Komplex nehmen die Geschwister jedoch auch wegen mindestens einer Unterstützungsleistung ein: Gunter F. soll Uwe Böhnhardt seinen Personalausweis und seine Geburtsurkunde überlassen haben. Am Mittwoch sagte der Chemnitzer in München aus. Doch Erinnerungen wollte der Zeuge daran nicht mehr haben. Damit reihte er sich „ein bei denjenigen, die angeblich nichts oder nicht viel wussten und auch nichts wissen wollten“, kommentiert Tim Aßmann vom Bayerischen Rundfunk.

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188. Prozesstag – Freundin sagt über Ex-Neonazi Carsten S. aus

Der Mitangeklagte Carsten S. steht im Zentrum des 188. Verhandlungstags: Als Zeugin geladen ist eine frühere Freundin, die S. in den rechten Kreisen von Jena kennengelernt hatte und die gemeinsam mit ihm aus der Szene ausstieg. Christiane H. hatte bei der Polizei ausgesagt, wie sehr ihr Bekannter nach dem Auffliegen des NSU im November 2011 litt und dass sie ihm die vorgeworfene Tat nicht zugetraut habe: S. soll dem Trio aus Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vor Beginn der Mordserie in Chemnitz eine Ceska-Pistole überbracht haben.

Mit der Waffe wurden mutmaßlich neun Menschen erschossen. S. hatte die Kurierleistung gestanden und sich bei den Angehörigen der Opfer entschuldigt.

Ein weiterer Zeuge ist Achim F., dessen Bruder Gunter bereits am Vortag ausgesagt hatte. Die Geschwister waren in der rechten Szene von Chemnitz unter dem Namen „die Geklonten“ bekannt. Wie der Bruder soll F. über mögliche Zugänge des Trios zu Waffen aussagen.

ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Sind die Geheimdienst-Enthüllungen eine Luftnummer? – Das Medienlog vom Mittwoch, 25. Februar 2015

Während die Empörung um die enthüllte Geheimhaltungstaktik des hessischen Verfassungsschutzes weiter schwelt, setzt der NSU-Prozess nach einwöchiger Pause seine Arbeit fort – wenn auch nur für einen halben Tag: Weil die Hauptangeklagte Beate Zschäpe nach der Mittagspause erkrankte, wurden lediglich eine frühere Nachbarin des NSU-Trios aus Zwickau gehört. Verschoben wurde auch die Befragung des obersten sächsischen Verfassungsschützers Gordian Meyer-Plath.

Wie andere Zeugen beschrieb Gabriele S. die Angeklagte als harmlose „Hausfrau“. Doch „blitzt in ihrer Aussage das Bild einer anderen Beate Zschäpe auf“, nämlich „aggressiv, laut, unter Stress“, heißt es bei Gisela Friedrichsen von Spiegel Online.

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187. Prozesstag – Mögliche NSU-Mitwisser als Zeugen geladen

Erneut beschäftigt sich das Oberlandesgericht mit mutmaßlichen Unterstützern aus der früheren Zeit des NSU-Trios. Dazu gehören die Brüder Gunter und Achim F., die in der rechten Szene von Chemnitz unter dem Namen „die Geklonten“ bekannt waren. Gunter F., der heute aussagt, soll Uwe Böhnhardt seinen Personalausweis und seine Geburtsurkunde überlassen haben. Mit den Papieren soll Böhnhardt einen Reisepass beantragt haben, um unter falschem Namen auftreten zu können. F.s Bruder ist am Donnerstag geladen.

Ebenfalls in den Zeugenstand tritt Jörg W., ein Kopf aus dem Umfeld der mittlerweile verbotenen rechtsradikalen Organisation Blood & Honour. Ein anderes Mitglied aus der Gruppe soll den Auftrag gehabt haben, eine Pistole für das Trio zu besorgen. Beide Zeugen sollen über mögliche Zugänge des Trios zu Waffen aussagen.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Mord in Kassel: Was wusste der hessische Verfassungsschutz? – Das Medienlog vom Dienstag, 24. Februar 2015

Im Fall des NSU-Mordes an dem Kasseler Halit Yozgat vom April 2006 wird über die Verwicklung des Inlandsgeheimdienstes spekuliert: Die Welt am Sonntag hatte berichtet, dass der hessische Verfassungsschützer Andreas T. womöglich nicht nur Zeuge, sondern Mitwisser der Tat war und dass sein Arbeitgeber offenbar die Ermittlungen behinderte. Nun wird eine umfassende Aufklärung von T.s Rolle gefordert. Damit „gerät der Verfassungsschutz zusehends in Erklärungsnot“, kommentiert Timo Frasch in der FAZ.

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186. Prozesstag – Sachsens oberster Verfassungsschützer im Zeugenstand

Update: Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe erkrankte während der Sitzung, der Zeuge Meyer-Plath wird daher an einem späteren Termin gehört.

Neue Erkenntnisse zur Verstrickung des Geheimdienstes in den NSU-Komplex soll der 186. Verhandlungstag bringen: Geladen ist der Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes, Gordian Meyer-Plath. Befragt wird der 46-Jährige allerdings nicht in seiner Funktion als Behördenleiter denn wegen einer früheren Tätigkeit: Für den Brandenburger Verfassungsschutz hatte er den V-Mann „Piatto“ betreut. Der Rechtsextreme, der bürgerlich Carsten Sz. heißt, lieferte 1998 eine Information, die möglicherweise zur Ergreifung des gerade untergetauchten Trios aus Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hätte führen können: Demnach sollte ein Anhänger der radikalen Organisation Blood & Honour dem Trio eine Waffe beschaffen. Fahnder gingen dem Hinweis jedoch nicht nach.

Meyer-Plath hatte bereits im Untersuchungsausschuss des Bundestags ausgesagt. Die Verpflichtung eines V-Manns wie Sz., der damals wegen versuchten Mords in Haft saß, bezeichnete er im Nachhinein als Fehler. Bemerkenswert sei jedoch die Qualität von „Piattos“ Hinweisen gewesen: So seien Publikationen aus der rechten Szene „plastiktütenweise“ auf seinem Schreibtisch gelandet.

Weiterhin sind zwei Frauen geladen, die in der Zwickauer Polenzstraße jahrelang als Nachbarn des rechtsextremen Trios gelebt hatten.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Volker Bouffier als Zeuge im NSU-Prozess? – Das Medienlog vom Montag, 23. Februar 2015

Der Fall des dubiosen Verfassungsschützers Andreas T. ist vor Gericht noch lange nicht abgehandelt: Die Anwälte der Hinterbliebenen des 2006 erschossenen Kasselers Halit Yozgat wollen laut Medienberichten neue Beweisanträge im Prozess einbringen, die die Rolle von T. als Zeugen des Mordes aufklären sollen. So soll der damalige hessische Innenminister und heutige Ministerpräsident Volker Bouffier aussagen, dass er früher von dem pikanten Fall erfahren hatte, als er öffentlich zugab, wie Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online berichtet.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

T. war zur Zeit des Mordes an dem Deutschtürken Yozgat in dessen Internetcafé, bestritt jedoch bei der Polizei und vor Gericht, von der Tat etwas mitbekommen zu haben. Damit geriet er in Bedrängnis, weil er sich bei der Aussage in Widersprüche verstrickte und unplausible Angaben machte.

Weiterhin geladen werden soll nach dem Willen der Anwälte der damalige Geheimschutzbeauftragte des hessischen Verfassungsschutzes, der kurz nach der Tat mit T. gesprochen hatte. Insgesamt fünf Anträge liegen dem Gericht aus der Hamburger Kanzlei der Juristen Thomas Bliwier, Doris Dierbach und Alexander Kienzle vor. Damit wollen die Opferbeistände beweisen, „dass T. bereits vor dem Tattag im April 2006 konkretes Wissen über die Täter, den Tatort, die Tatzeit und die Art der geplanten Tatbegehung gehabt habe“, wie Friedrichsen zusammenfasst.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 24. Februar 2015.