Der braune 1. Mai ist vorbei. Bundesweit marschierten rund 1.800 Neonazis auf. Die Teilnehmerzahlen gehen damit weiter stark zurück. Tausende Menschen stellten sich den Rechtsextremen entgegen – teils erfolgreich. Eine Zusammenfassung.
Von Publikative.org, Störungsmelder und den Ruhrbaronen
Berlin: Nicht viel passiert – 500 gegen 2.000
Unter dem Motto „Wir wollen nicht die Melkkuh Europas sein“, hatte die NPD in die „Reichshauptstadt“ geladen, wie es in einigen Redebeiträgen hieß. Rund 500 Neonazis folgten der Einladung. Zumeist kamen die Rechtsextremen aus Berlin, Brandenburg, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Kurz vor dem Beginn der Demonstration hatten einige Gegendemonstranten versucht, die Strecke mit einer Betonpyramide zu blockieren. Doch die Polizei konnte die Blockade noch vor dem Start der NPD-Demo räumen, so dass diese gegen 13.00 Uhr beginnen konnte. Neben Holger Apfel, Udo Voigt und Karl Richter war vor allem die Sächsische Landtagsfraktion der NPD zahlreich vertreten. Während des Aufmarsches war es vor allem der Berliner Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke, der am Lautsprecherwagen den Aufmarsch mit Redebeiträgen begleitete.
Nach einer kurzen Runde durch Schöneweide, die immer wieder von lautstarkem Protest am Rand der Strecke begleitet wurde, fand am S- Bahnhof eine Abschlusskundgebung statt. Als der NPD-Vorsitzende Holger Apfel an das Mikrofon trat, gab es laute Buh-Rufe aus den eigenen Reihen und auch während der Rede zahlreiche gelangweilte Neonazis. Neben Apfel traten noch Maria Fank, Udo Voigt und Karl Richter ans Mikrofon. Schon während der Rede von Karl Richter begann die Abreise der Neonazis. Gegen 16 Uhr war der braune Spuk in Berlin vorbei. Während der Demonstration kam es immer wieder zu Angriffen und Behinderung von Journalisten. Den Neonazis standen rund 2.000 Gegendemonstranten entgegen.
Frankfurt: Nicht mal angekommen
In Frankfurt am Main haben Tausende Nazigegner die Zufahrtswege zu einer geplanten NPD- Kundgebung blockiert und somit dafür gesorgt, dass die Mainmetropole zumindest größtenteils nazifrei blieb. Eigentlich wollte die NPD vor dem Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Innenstadt gegen den Euro protestieren. Gerichtlich wurde ihr jedoch ein Kundgebungsort im Ostend zugesprochen – mit Blick auf den EZB-Neubau. Doch hier kamen gerade einmal zehn NPD-Anhänger an. Dafür marschierten rund 150 Neonazis durch das nahe Hanau (Main-Kinzig-Kreis).
Dort wurden sie erst gegen Ende ihrer „spontanen“ Demo von der Polizei begleitet und zum Bahnhof gebracht. Der Fraktionschef der NPD im Schweriner Landtag, Udo Pastörs, wollte mit anderen Partei-Funktionären wie Peter Marx und Arne Schimmer sowie dem Vorsitzenden der „Jungen Nationaldemokraten“, Andy Knape, anschließend aus Hanau abreisen. Bürger stellten sich ihnen jedoch in den Weg, sodass die Polizei die Neonazis zu ihrem Fahrzeug geleiten musste. Mehrere Scheiben des Wagens, mit dem die NPD-Kader abreisten, waren zuvor eingeschlagen worden.
Würzburg – 350 Neonazis gegen 8.000 Gegendemonstranten
Entgegen den Erwartungen beteiligten sich an dem 1. Mai-Aufmarsch des „Freien Netzes Süd“ (FNS) im unterfränkischen Würzburg nur rund 350 Neonazi-Aktivisten. Im Vorfeld sind bis zu 500 Personen angenommen worden. Tatsächlich stellt die Teilnehmerzahl für das FNS einen weiteren Flop dar. Waren 2010 noch über 1000 Neonazis dem Aufruf des Kameradschaftsnetzwerks gefolgt, so nahm die Teilnehmerzahl in den letzten Jahren kontinuierlich ab. Im Vorjahr folgten nur mehr rund 400 extrem rechte Akteure dem Aufruf. Die 350 Teilnehmer in Würzburg dürften nun also einen weiteren Tiefpunkt für das FNS bilden.
Nach einer über zweistündigen Wartezeit zog der Aufmarsch vom Hauptbahnhof aus durch weiträumig abgesperrte Straßen. Zu den Teilnehmern zählten unter anderem die FNS- Führungskader Matthias Fischer, Norman Kempken, Kai-Andreas Zimmermann, Daniel Weigl und Robin Siener sowie die Anti-Antifa-Aktivsten Sebastian Schmaus, Michael Reinhardt und Lorenz M. aus München. Gegenproteste in Sicht- und Hörweite der Neonazi- Demo waren allerdings aufgrund der Absperrung nicht möglich. Während sich der Aufzug in Bewegung befand, konnten sich sogenannte Anti-Antifa-Aktivisten, die sich zum Teil als Medienvertreter ausgaben, immer wieder außerhalb ihres Blocks bewegen und Journalisten bei ihrer Arbeit behindern. Regelmäßig wurden Pressevertreter geschubst und eingeschüchtert. Bei insgesamt zwei Zwischenkundgebungen, die beide von lauten Gegenprotesten begleitet waren, versuchten die Neonazis, den menschenverachtenden „nationalen Sozialismus“ als Lösung für den „Kapitalismus“ anzupreisen und okkupierten soziale Themen damit erneut ganz im neonazistischen Sinn. Antisemtische Parolen grölend zogen die 350 Nazis zurück zum Hauptbahnhof, wo sie wenig später ihre Kundgebung beendeten und mit Bus- und Bahn die Heimreise antraten. Gegen die Neonazi-Aktion protestierten den ganzen Tag lang weit über 8.000 Bürgerinnen und Bürger.
Dortmund: Das Versagen der Zivilgesellschaft
Für Worch und seine Partei „Die Rechte“ war der erste Mai ein Erfolg. Ihm ist es gelungen, nicht nur Teile der Kameradschaftsszene an seine Partei zu binden, sondern auch Teile der NPD: Thorsten Heise, Mitglied des Bundesvorstandes, hielt sich zwar an das von der Partei verhängte Redeverbot, aber gemeinsam mit dem Vorsitzenden der NPD Unna/Hamm Hans- Jochen Voß reihte er sich in Worchs Demonstrationszug ein. 450 Nazis marschierten am 1. Mai durch den Dortmunder Vorort Körne, vorbei an adrett gepflegten Vorgärten und geschlossenen Geschäften. Protest? Gab es nur vereinzelt. Anhänger der Antifa hatten es zum Teil geschafft sich an allen Sperren vorbei bis an die Aufmarschstrecke der Nazis heranzupirschen. Sie protestierten laut und friedlich gegen die Nazidemonstration, welche die Dortmunder Polizei vergeblich zu verbieten versucht hatte. Nur die Polizei und die Antifa stellte sich den Nazis in den Weg – und das zeigt, warum Dortmund die Nazi-Hochburg im Westen ist und nicht, wie Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) gebetsmühlenartig wiederholt, eine Hochburg des Widerstandes: Weder Gewerkschaften, noch Kirchen und Parteien zogen gestern gegen die Nazis auf die Straße. Ihren Protest, den der von Sieraus vielgepriesener Zivilgesellschaft, suchte man vergebens. Während in Städten wie Dresden prominente Politiker wie Wolfgang Thierse (SPD) an Protesten Nazis beteiligen, feierten die Dortmunder Politiker bei Bier, Bratwurst und Börek sich selbst auf dem 1. Mai Fest im Westfalenpark. Indes konnte Worch und seine Truppe ungestört und lauthals die Abschaffung der Gewerkschaften fordern.
Erfurt: Erst verfahren, dann gescheitert
In der Thüringer Landeshauptstadt Erfurt versammelten sich knapp 300 Neonazis für einen Aufmarsch aus dem Spektrum der „freien Kräfte“. Das Oberverwaltungsgericht hatte kurz zuvor entschieden, dass sich die Veranstaltung nicht auf eine stationäre Kundgebung beschränken durfte, der Anmelder Michael Fischer aus dem Weimarer Land wurde jedoch als Versammlungsleiter abgelehnt. Seine Rolle übernahm Michael Hartmann von der „AG Weißenfels“. Doch erst 90 Minuten nach dem angekündigten Beginn stellten sich die Neonazis zu ihrem Aufmarsch auf. Der Grund: Der Fahrer ihres Lautsprecherwagens hatte sich in Erfurt offenbar verfahren und fand sich plötzlich hinter der Gegenkundgebung wieder, die ihn von den versammelten Neonazis trennte. Seit Monaten hatte das Bündnis „Keinen Meter“ in Erfurt für Blockaden mobilisiert, mehr als 1.000 Personen zeigten den Neonazis, dass sie nicht willkommen waren. Diese waren aus Baden-Württemberg, Niedersachsen, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt in die Landeshauptstadt gereist, konnten jedoch unter lautem Protest nur knapp 300 Meter zurücklegen.
Wegen einer großen Blockade auf der Route der Neonazis leitete die Polizei den Aufmarsch auf dem selben Weg zum Bahnhof zurück. Flogen schon auf der ersten Hälfte Flaschen aus dem Aufmarsch in Richtung Gegendemonstranten, entluden sich die Aggressionen auf dem Rückweg auch an den eingesetzten Polizeibeamten. Wiederholt drang aus dem Einsatzwagen der Polizei „Stellen Sie sofort ihre Angriffe auf die Beamten ein“. Auch unverhohlene Drohungen gegenüber Gegendemonstranten und Journalisten untermauerten die aggressive Grundstimmung. 50 Minuten nach dem Beginn des Aufmarschs lösten die Verantwortlichen die Veranstaltung offiziell auf und die Neonazis wurden in den Bahnhof eskortiert. Unterdessen dröhnte aus dem Lautsprecherwagen der benachbarten Gegenkundgebung laut der Chumbawumba Klassiker „Time to wake up, Enough is enough“. Der Lautsprecherwagen der Neonazis hingegen hatte in der Tat keinen Meter zurückgelegt.