Ein Rechtsextremer verneint den Massenmord an den Juden, kommt vor Gericht – und macht dort einfach weiter. Das bringt ihm eine Bewährungsstrafe – und einen Ruf als Märtyrer.
Von Dennis Pesch
Eine Menschengruppe steht im Kreis vor Saal 256 des Duisburger Landgerichts. In ihrer Mitte steht Henry Hafenmayer. Der Angeklagte trägt ein weißes Hemd in schwarzer Jeans, seine Gürtelschnalle zeigt die Reichsflagge. Es ist der siebte und letzte Prozesstag seines Berufungsprozesses wegen Holocaustleugnung, angesetzt waren nur zwei. Am Ende hat sich das Verfahren drei Monate lang hingezogen. Die Unterstützer, die Hafenmayer umringen, waren bei allen Terminen dabei. Überwiegend kommen sie aus dem Spektrum der sogenannten Reichsbürger.
In erster Instanz war der 46-Jährige 2017 vom Amtsgericht in Oberhausen zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt worden, wegen vier Fällen von Volksverhetzung – genauer gesagt: der Leugnung des Holocaust. Im November 2015 und im Februar 2016 hatte er zwei offene Briefe an Hunderte staatliche Stellen, die rumänische Botschaft und ein Pressebüro geschickt. Die Briefe veröffentlichte er auf seiner Website mit dem Titel „Ende der Lüge“. Und Hafenmayer macht weiter – selbst im Gerichtssaal. Sein Fall zeigt, wie Rechtsextreme sich mit den Mitteln der Strafprozessordnung eine Bühne verschaffen können.
Hitler-Reden auf CD
Mit seinen Briefen hatte Hafenmayer CDs verschickt, auf denen den Holocaust leugnende Videos enthalten waren, unter anderem ein Interview mit der Leugnerin Ursula Haverbeck. Dem ersten Brief hängte er zudem 13 Reden von Adolf Hitler als Audiodateien an. Weil er den Massenmord an den Juden als „Lüge“ bezeichnete, eröffnete die Staatsanwaltschaft zwei Verfahren. Zwei weitere Anklagepunkte kamen nach Veröffentlichung der Briefe auf der Homepage hinzu.
Gegen das Urteil legten sowohl Hafenmayer als auch die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Als dann im Juli dieses Jahres die Neuauflage des Prozesses begann, legte der Verurteilte richtig los. Zwei Anträge zur Einstellung des Verfahrens und drei Anträge zur Einberufung von Sachverständigen für Zeitgeschichte, Biologie und Judaistik stellte Hafenmayer. Immer verbunden mit teils über 50 Seiten langen antisemitischen Tiraden, in denen er den Holocaust infrage stellte. „Es ist der Versuch, das Berufungsverfahren als Schauprozess gegen sogenannte wahre Volksgenossen zu inszenieren“, sagt ein Sprecher der Initiative gegen Rechts Oberhausen, die beide Prozesse dokumentiert hat.
Der Leugner will Märtyrer sein
Hafenmayer hingegen sieht sich in einer Rolle als Aufklärer. Seine Anträge sind in Wirklichkeit Vorträge. Er nennt Juden die „Lenker der Weltgeschichte“. Durch die Einberufung des Sachverständigen für Biologie will er beweisen, dass der Begriff „Parasit“ eine naturwissenschaftlich korrekte Bezeichnung für Juden sei.
Dass jeder seiner Anträge abgelehnt wird, ist für ihn zweitrangig. Er will Märtyrer und Systemkritiker sein, ein Lautsprecher der Holocaustleugner. Wenn er umringt ist von seinen Unterstützern, zeigt das, dass er diese Rolle für sie erfüllt. Die Kammer lässt ihn die sieben Prozesstage gewähren. Die Mimik der Richterin und der Schöffen drückt zeitweise Ekel aus. Einfach stoppen konnten sie den Angeklagten dennoch nicht. „Anträge müssen vollständig verlesen werden, um im Prozess behandelt werden zu können“, sagt eine Sprecherin des Landgerichts. Nahe liegt, dass die Kammer kein Risiko eingehen wollte, dass das Urteil in einer Revision kassiert wird.
Beide Prozesse gegen Hafenmayer waren auch Orte, an denen sich Neonazis vernetzen. Beim ersten Verfahren besuchten ihn die Holocaustleugner Gerhard Ittner und Sylvia Stolz. Beide sitzen mittlerweile in Haft, der Angeklagte zitierte sie in der Berufungsverhandlung mehrfach. Beim sechsten Prozesstag besuchten ihn Sascha Krolzig und Michael Brück, Führungskader der Partei Die Rechte. Hafenmayers Verteidiger André Pickert, Haus- und Hofanwalt von Die Rechte, nannte das in seinem Plädoyer ein „bürgerliches Umfeld“.
Vernichtungsfantasien vor Gericht
Zur eigentlichen Verhandlungssache, den offenen Briefen und der Veröffentlichung im Netz, machte Hafenmayer keine Angaben. Aus einem einfachen Grund: Von welchem Ort aus er die Briefe auf der Website veröffentlicht hat, konnte das Gericht nicht ermitteln. Damit war nicht sicher, dass die Holocaustleugnung auf dem Boden des deutschen Strafgesetzbuchs stattgefunden hatte. Zwei der vier Verfahren wurden deshalb eingestellt. Ein Kriminalhauptkommissar erklärte dem Gericht schriftlich, dass die IP-Adressen aus Datenschutzgründen gelöscht worden seien. Das kritisiert die Initiative gegen Rechts: „Für eine Staatsschutz-Abteilung ist das eigentlich ungewöhnlich.“
Die Freiheitsstrafe fällt am Schluss geringer aus als zuvor: zehn Monate auf Bewährung. „Trotz des Verhaltens in der Hauptverhandlung hoffen wir, dass der Warnschuss ankommt“, erklärt die Richterin die Entscheidung, die Strafe abermals zur Bewährung auszusetzen.
Zuvor hatte der Angeklagte dem Gericht für den Fall gedroht, dass der Nationalsozialismus wieder eingeführt wird: „Es wird viele Prozesse in diesem anständigen Staat geben, weil es eine Menge aufzuarbeiten gibt“, sagte er in seinem Schlusswort. Über seine Vorstellung der Zukunft ließ er keine Zweifel aufkommen: „Die Unruhe, die in den Völkern gärt, wird zur Endlösung der Judenfrage führen.“
Nun werden wahrscheinlich weitere Verfahren auf Hafenmayer zukommen. Die Staatsanwaltschaft kündigte Ermittlungen wegen seiner Äußerungen vor Gericht an. Dem Holocaustleugner winkt erneut ein großer Auftritt.