Im Anschluss an den Sieg der deutschen Mannschaft gegen die Türkei im EM-Halbfinale ist es in Dresden zu ausländerfeindlichen Ausschreitungen gekommen. Mehrere Dutzend Maskierte griffen kurz nach dem Schlusspfiff gezielt türkische Lokale an, wie Polizei und Staatsanwaltschaft laut Frankfurter Rundschau mitteilten. Mindestens zwei Menschen erlitten Verletzungen, Inventar wurde zerstört, Scheiben gingen zu Bruch. Die Täter konnten entkommen, bevor die Polizei auftauchte.
Schwarz gekleidet und maskiert
Oberstaatsanwalt Jürgen Schär sagte der AP, es sei klar, dass es sich nicht um eine spontane Tat einiger betrunkener Jugendlichen gehandelt habe. Ermittelt werde wegen Landfriedensbruchs in besonders schwerem Fall. Die Polizei schloss nicht aus, dass es sich bei den Tätern um rechtsextremistisch eingestellte Hooligans vom Fußballclub Dynamo Dresden handeln könnte. An den Ausschreitungen waren laut Polizei zwischen 30 und 60 schwarz gekleidete und maskierte Männer beteiligt. Das Vorgehen der Täter lasse den Schluss zu, dass sie sich zu den Angriffen verabredet hatten. Insgesamt stellten die Einsatzkräfte die Identität von 92 Personen fest. 17 von ihnen müssen sich unter anderem wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung und Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz und Sprengstoffgesetz verantworten.
Die Täter schlugen die Scheiben mehrerer Dönergeschäfte im Dresdner Stadtteil Neustadt ein und verwüsteten teilweise die Einrichtung. In einem Lokal zündeten sie eine türkische Flagge an. Zudem warfen sie Flaschen in die Lokale und zündeten Böller. Ein türkischer Imbissbetreiber sagte der AP: „Ich hatte Todesangst.“ Bei den Ausschreitungen wurden mindestens zwei Menschen verletzt. Entgegen ersten Angaben der Polizei handelt es sich nicht um die Betreiber, sondern um Gäste.
Antisemitische Parolen in Hannover
Einen ähnlichen Übergriff gab es in Thüringen: Nach dem Spiel scherten drei junge Männer im Alter zwischen 16 und 18 Jahren in Brotterode im Landkreis Schmalkalden-Meiningen aus einem Autokorso aus, hielten vor einem Dönerladen und verprügelten den Besitzer, wie die Polizeisprecher mitteilte. Der 21-Jährige wurde am Kopf verletzt.
In der Innenstadt von Hannover skandierten Fans von Hannover 96 in der Nacht antisemitische Parolen. Die 21 Männer im Alter von 16 bis 22 Jahren wurden vorübergehend festgenommen, wie die Polizei mitteilte. Gegen alle wurden Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet.
Zwischenfälle gab es auch in München und Hamburg: In St. Pauli griff eine Gruppe deutscher Fans einen türkischen Wagen an. Als Polizeibeamte eingriffen, seien sie von umstehenden Deutschen mit Flaschen beworfen worden, erklärte die Polizei. In der bayerischen Landeshauptstadt pöbelten vereinzelt Personen aus dem rechten Spektrum türkische Fans an, wie die Polizei mitteilte. In Köln nahm die Polizei laut N-TV eine Gruppe Hooligans fest. Die Männer seien als äußert gewaltbereit bekannt und hätten immer wieder Schlägereien angezettelt, teilte die Polizei mit.
Neonazis wollen in Hamm aufmarschieren
In Hamm planen Neonazis am 28. Juni 2008 einen Aufmarsch. Das Motto: „Gegen Inländerfeindlichkeit und türkischen Chauvinismus – Für deutschen Nationalstolz, nicht nur zur Fußball-EM!“ Nach Angaben der Neonazis kam es in Hamm zu „zwei unerfreulichen Ereignissen“, bei denen türkische Fußballfans Deutsche angegriffen hätten. Die Informationen der Neonazis stammen offenbar aus den Pressemitteilungen der Polizei. Die Neonazis behaupten – ohne genaue Kenntnis der Sachlage, der Angriff auf einen Mann am Hammer Bahnhof sei mit der Attacke von Jugendlichen auf einen Rentner in der Münchner U-Bahn zu vergleichen. Ungeachtet des hysterischen Geschreis der Neonazis, die Hass säen wollen: Selbstverständlich sind nationalistische Attacken von Türken genauso ein Bullshit wie Angriffe von deutschen Rechtsextremisten.
Auf den Straßen und im Fernsehen wird „nachgetreten“
Nach dem EM-Halbfinale zeigte der rassistische Mob also wieder einmal der großen Öffentlichkeit seine häßliches Gesicht – im Fernsehen treten derweil Ingolf Lück und andere selbsternannte Komiker nach, „politisch unkorrekt“, wie die Stuttgarter Nachrichten lobend erwähnen. Aus Zeitgründen zitiere ich zu der unsagbar schlechten Sendung „nachgetreten“ den Blogger Gideon Böss, der sich bei Welt-Online verdienstvollerweise dieser Sache angenommen hat:
„Die Hölle dürfte mit ziemlicher Sicherheit exakt das sein, was das ZDF momentan unter dem Namen ‚Nachgetreten ‚ als Comedy ausstrahlt. Moderiert wird das ganze von Ingolf Lück. Ihm zur Seite steht der nicht weniger schmierige Guido Cantz, der einer der Stars des Kölner Karnevals ist, weswegen seine Plattheit noch nicht einmal von Mike Krüger (ebenfalls anwesend) erreicht wird. Aber auch die anderen Mitwitzler stehen mit ihren Namen dafür ein, dass es nicht zu originell zugeht.
Wer sich jemals darüber geärgert hat, dass Deutschen ein legendär schlechter Humor nachgesagt wird, sollte dabei nicht vergessen, dass Lück, dass Cantz und dass Krüger eben keine Erfindung des feindlichen Auslands sind, sondern wirklich leben und wirklich Witze machen beziehungsweise das, was sie dafür halten. Und zwar auch im ZDF, bezahlt durch GEZ-Gebühren. Jedes Land hat eben die Komiker, die es verdient. Und offizieller kann es kaum werden, als wenn das ZDF ruft: Ihr seid unsere Humorelite.
Darum sitzen sie jetzt also in ihrem Studio, basteln zum Thema Schweden aus den Begriffen ‚Elch‘ und ‚IKEA‘ dutzende Sprüche zusammen, die so subtil sind, dass sie sogar der letzte Depp noch kapiert und laut beklatscht, feuern ihre immer gleichen Gemeinheiten ab und halten sich für besonders hintersinnig, wenn sie beim Thema Polen sogar die Kurve zum Autodiebstahl bekommen (die bekommen sie immer.) Ebenfalls wichtig: sexuelle Anspielungen, außerdem was mit saufen und wenn es um Holland geht die Wohnwagen nicht vergessen. Aber die vergisst der Ingolf nicht, der ist ja Profi. Und irgendein andere dieser Spaßzombies grunzt dann los: „Italien hat ja verloren…schade.“ Allgemeines kichern setzt ein und der Klischeebeschleuniger Cantz spuckt die Worte ‚Mafia‘ und ‚Spaghetti‘ aus und formt sie zu einem einfachen Hauptsatz. Das reicht: lachen. Und so weiter, bis endlich der Abspann läuft.“
Rechtsextreme Einstellungen in der Mitte – war da was?
Hier sei auf die Studie über rechtsextreme Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft hingewiesen. Die Autoren hatten explizit an die öffentlich-rechtlichen Medien appelliert, sich ihrer Verantwortung für die Bildung demokratischer Werte bewusst zu sein. Was das ZDF aber in den vergangenen Wochen einem Millionen-Publikum servierte, das erschien eher chauvinistisch, rassistisch, schwulenfeindlich und sexistisch. Die mögliche Wirkung solcher Sendungen in einem öffentlich-rechtlichen Sender auf einfach gestrickte Menschen, die sowieso schon im nationalen Rausch sind, kann man sich leicht ausmalen.