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Debattenkultur: Wenn Randgruppen nicht mehr am Rand stehen

„Randgruppen-Artikel“ steht über dem Text. Das ist, zugegeben, keine sehr originelle Überschrift, aber der Text selbst hat es in sich. Er stammt aus der Abizeitung der Liebfrauenschule im hessischen Bensheim aus dem Jahr 1996. Der ironische Text macht die Leser darauf aufmerksam, dass sich im Abiturjahrgang der katholischen Mädchenschule nicht weniger als 41 Randgruppen befunden hätten – und das bei einer Jahrgangsgröße von etwas mehr als 90 Abiturientinnen. Weiter„Debattenkultur: Wenn Randgruppen nicht mehr am Rand stehen“

 

Als Einziger nicht eingeladen

Stellen Sie sich vor, Ihr Kind wird als einziges Kind in der Klasse nicht zum Geburtstag eingeladen – und das obwohl es weder die Klasse tyrannisiert noch sich ständig daneben benimmt. Das ist Jennifer Engele passiert. Ihr Sohn Sawyer hat Downsyndrom und geht in eine Regelschule in Kanada, wo die Familie wohnt. Alle Kinder der Klasse bekamen von einem Mitschüler die Einladung zu einer Geburtstagsfeier. Nur er eben nicht. Der Grund ist so einfach wie offensichtlich: Es liegt daran, dass Sawyer behindert ist. Die Mutter verfasste daraufhin einen offenen Brief an die Eltern des Geburtstagskindes, der auf Facebook derzeit massenweise geteilt wird.

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Was der Brexit für behinderte Menschen bedeutet

Was der Brexit für behinderte Menschen bedeutetDie Entscheidung der Briten, die Mitgliedschaft in der Europäischen Union zu beenden, versetzt das Königreich in eine Art Schockzustand. Besonders geschockt sind nicht zuletzt behinderte Menschen, die sich darüber bewusst sind, welche Verbesserungen die EU in den vergangenen Jahren für sie erreicht hat. Aber nicht nur die Briten sind besorgt, die Behindertenpolitik der EU könnte sich verändern, wenn die Briten nicht mehr mitreden und Einfluss nehmen, denn mit den Briten wurde in den vergangenen Jahren einiges getan, um die Lebenssituation der rund 80 Millionen behinderten EU-Bürger zu verbessern. Weiter„Was der Brexit für behinderte Menschen bedeutet“

 

Proteste für Barrierefreiheit und Teilhabe: Darum geht es

In vielen Städten Deutschlands gibt es derzeit Protestveranstaltungen behinderter Menschen: In Berlin gab es nicht nur eine der größten Demonstrationen behinderter Menschen seit Jahrzehnten, sondern auch Pfeifkonzerte vor Parteizentralen und Ministerien, und es ketteten sich sogar behinderte Menschen stundenlang in der Nähe des Bundestages fest, um für ihre Rechte zu demonstrieren. In Stuttgart wurde die Teilhabe zu Grabe getragen und auch in Hamburg und München gingen behinderte Menschen auf die Straße, begleitet von vielen Aktivitäten auch in sozialen Medien. Der Hashtag #nichtmeinGesetz ist viel genutzt derzeit. Worum geht es überhaupt? Weiter„Proteste für Barrierefreiheit und Teilhabe: Darum geht es“

 

Eurovision: Österreich schlägt Schweden – zumindest bei der Barrierefreiheit

Ich hatte mich so auf den Eurovision Song Contest in Stockholm gefreut. Eigentlich war ich nie ein großer ESC-Fan, bis ich im vergangenen Jahr zum ersten Mal den Wettbewerb in Wien erlebt habe. Was für eine tolle Stimmung der Song Contest im Publikum, vor den Fernsehgeräten und nicht zuletzt im Pressezentrum erzeugt! Das macht einfach Spaß.

Meine Stimmung ist allerdings in diesem Jahr bislang noch nicht so richtig toll – und das liegt am ESC-Pressezentrum.

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Studie zur Barrierefreiheit in deutschen Städten: München ist Spitzenreiter, Köln Schlusslicht

Welche deutsche Metropole ist die barrierefreieste Stadt Deutschlands? Wenn man der Umfrage des Marktforschungsinstituts Innofact im Auftrag der Aktion Mensch glaubt, ist es München. Frankfurt, Hamburg und Berlin belegen die Plätze zwei bis vier – Schlusslicht ist Köln.

Bewohner der fünf Metropolen sowie aus ganz Deutschland wurden aufgefordert, die Barrierefreiheit
ihrer Stadt zu bewerten. München liegt in der Gesamtbewertung über dem Bundesdurchschnitt. So bestätigen zum Beispiel 41 Prozent der Münchener, dass ihre Stadt viel für Menschen mit Behinderung macht. Zum Vergleich: In Köln stimmen dieser Aussage nur 22 Prozent zu. Die Aktion Mensch ließ für die repräsentative Studie 1.295 Personen zwischen 18 und 65 Jahren in Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt am Main befragen sowie rund 1.000 weitere Bundesbürger in anderen Städten.

14 Prozent behinderte Befragte

„Aus der bundesweiten Stichprobe ergibt sich auch ein repräsentativer Anteil (14 Prozent) von Menschen mit Behinderungen“, so die Aktion Mensch in ihrer Pressemitteilung. Zur Vergleichbarkeit der Bewertung der Barrierefreiheit in deutschen Städten wurden in der Studie unter anderem die Zugänglichkeit von verschiedenen Orten und Einrichtungen, das städtische Engagement für Barrierefreiheit sowie die Einbindung von Menschen mit Behinderung in den Städten abgefragt. Das heißt, unter den 1.000 Befragten waren 140 Menschen mit Behinderungen. Das ist zwar repräsentativ, die Frage ist, wie sinnvoll das ist.

Wie viele nichtbehinderte Menschen können wirklich beurteilen, wie barrierefrei ihre Stadt ist? Ich behaupte, nicht wirklich viele. Ruft man beispielsweise in einem durchschnittlichen Restaurant an und fragt nach der Anzahl der Stufen am Eingang, heißt es fast immer, es gebe keine. Und fast immer gibt es welche. Für nichtbehinderte Menschen sind ein oder zwei Stufen keine Barriere. Dementsprechend nehmen sie diese auch nicht wahr. Sie empfinden also Restaurants oder andere Einrichtungen als barrierefrei, die gar nicht barrierefrei sind. Auf völlige Ahnungslosigkeit stößt man, wenn man nach einer barrierefreien Toilette fragt. Die meisten Menschen, die nicht darauf angewiesen sind, haben noch nie darauf geachtet, ob es in ihrem Lieblingscafé eine barrierefreie Toilette gibt. Wie sollen sie beurteilen, wie barrierefrei ihre Stadt ist?

Frankfurt? Nicht im Ernst!

Deshalb wundert mich das Ergebnis auch nicht. Während ich mich mit München als Gewinner noch arrangieren kann (ich persönlich hätte allerdings Berlin gewählt), ist Frankfurt auf Platz zwei wirklich ein Witz. In Frankfurt habe ich beruflich schon sehr viel Zeit verbracht und hatte unzählige Erlebnisse, die gegen die Stadt auf einem der vorderen Plätze sprechen.

Frankfurt ist für mich die Bundeshauptstadt defekter Aufzüge (wenn es überhaupt welche gibt!) und Gewinner beim chronischen Mangel an barrierefreien Hotelzimmern. Das Maß an Barrierefreiheit dieser Stadt lässt sich sehr schön an der Höhe der Stufe zwischen Bahnsteig und S-Bahn bemessen. Rollstuhlfahrer, die vom Frankfurter Flughafen die S-Bahn in die Stadt nehmen wollen oder wieder zurück, kommen ohne Hilfe nicht zurecht. Und jedes Mal spielen sich unglaubliche Szenen ab, wenn Leute ihre Koffer aus der S-Bahn wuchten. Ich habe schon Menschen aus der S-Bahn auf ihre Koffer fallen sehen.

Mich wundert, dass Berlin so schlecht abschneidet. Immerhin kann man in Berlin die öffentlichen Verkehrsmittel relativ gut nutzen, es gibt verhältnismäßig viele Restaurants und Cafés mit barrierefreien Toiletten und ein barrierefreies Hotelzimmer findet sich auch immer.

In diesem Sinne ist das vielleicht eine gut gemeinte Studie, aber die Aussagekraft ist wohl eher mäßig. Es befragt auch keiner Kinderlose, welche Stadt die schönsten Spielplätze hat.

 

Bundesteilhabegesetz – der Entwurf verspricht mehr Bürokratie und kaum Vorteile

Nun ist er da, der Entwurf zum Bundesteilhabegesetz. Er ist 360 Seiten lang und soll das Leben behinderter Menschen nachhaltig verbessern. Seit Monaten war der Entwurf erwartet worden. Nicht zuletzt Menschen, die mit Assistenz leben, hatten sich von dem Gesetz viel versprochen. Dass sie mehr als 2.600 Euro ansparen dürfen zum Beispiel. Dass Assistenz und Teilhabe vom Sozialhilferecht entkoppelt wird. Dass Leistungen bundesweit vereinheitlicht werden. Dass die Partner von behinderten Menschen kein finanzielles Risiko eingehen, wenn sie eine behinderte Frau oder einen behinderten Mann heiraten. Das alles waren Forderungen der Behindertenverbände, der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung und vielen anderen. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zeigte sich begeistert darüber, wie viele behinderte und nichtbehinderte Menschen zu dem Gesetz angehört worden seien. Aber eine Anhörung heißt ja nicht, dass man auch wirklich zuhört und sich danach richtet, was gesagt wurde.

Schlag ins Gesicht

Der Entwurf liegt nun auf dem Tisch. „Sehr ernüchternd“, „bin entsetzt“, „das Gesetz sei ein Schlag ins Gesicht behinderter Menschen“ – das waren die ersten Reaktionen, die ich zu dem Entwurf las und das hat mehrere Gründe.

Seit mehr als 40 Jahren gibt es das Versprechen, Assistenz und Teilhabeleistungen aus der Sozialhilfe herauszunehmen. Das ist aber wieder nicht geschehen. Das Bundesteilhabegesetz bleibt mit dem vorliegenden Entwurf den alten Prinzipien des Sozialhilferechts verhaftet. Das Vermögen wird zur Berechnung herangezogen, man darf nun aber statt 2.600 Euro im ersten Schritt 25.000 Euro besitzen, später sogar 50.000 Euro.

Das wird aber auch weiterhin dazu führen, dass Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen zur Verwirklichung verbriefter Menschenrechte ihr eigenes Einkommen und Vermögen einsetzen müssen. Das läuft nicht nur dem Grundgedanken des Nachteilsausgleichs zuwider. Es ist auch keineswegs im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention. Teilhabeleistungen, die keine Unterhaltsleistungen sind, dürften demnach nicht angerechnet werden. Aber dazu konnte sich die Bundesregierung schon wieder nicht durchringen.

Familien weiter belastet

Dabei spielt Geld natürlich eine Rolle. Die Bundesregierung spricht von Millionenbeträgen, die das neue Gesetz kosten soll, ohne aber zu erwähnen, dass das genau die Kosten sind, die bislang von behinderten Menschen selbst und ihren Angehörigen getragen wurden und dass diese weiterhin nicht vollständig entlastet werden. Kosten entstehen der Regierung dadurch, dass Vermögensgrenzen angehoben wurden – aber die Hoffnung war, dass sie beseitigt werden. Dazu konnte man sich dann doch nicht durchringen.

Die Grundlagen für die Berechnung der erhöhten Freibeträge sind außerdem abenteuerlich. Wie ein behinderter Mensch für das Alter vorsorgen soll, ist immer noch nicht geklärt. Bei 50.000 Euro Vermögen – das ist die letzte Stufe der Gesetzesänderung, die 2020 in Kraft treten soll – ist Schluss. Ein Eigenheim finanzieren? In einen Vorsorgeplan einzahlen? Das Vermögen der Eltern oder des Ehepartners erben? Gibt’s nicht! Auch weiterhin hält das Sozialamt die Hand auf, sobald ein bestimmter Betrag erreicht ist.

Auch das Vermögen des Ehepartners wird immer noch angerechnet. Wer mit einem behinderten Menschen verheiratet ist, zahlt also weiterhin drauf. Verunglückt der Ehepartner zum Beispiel und sitzt nach dem Unfall im Rollstuhl und braucht umfassende Assistenz, dann hat die Familie nicht nur den Unfall zu verdauen, sondern auch noch massive finanzielle Einbußen. Wer zu viel Vermögen hat (mehr als 25.000 Euro, später 50.000 Euro) bekommt nichts für Teilhabemaßnahmen oder Assistenz. Es erbt dann also schon zu Lebzeiten indirekt das Sozialamt und nicht die Ehefrau oder der Ehemann.

Gesetz bringt sogar Verschlechterungen

Was hat das mit gleichberechtigter Teilhabe zu tun? Mit dem Gesetz drohen sogar Verschlechterungen. Denn nur die Menschen sind leistungsberechtigt, die in fünf (von neun) Lebensbereichen ohne Unterstützung nicht teilhaben können oder in drei Lebensbereichen auch mit Unterstützung nicht teilhaben können. Es geht also nicht darum, wer wirklich Unterstützung braucht, sondern ob die Lebenssituation der Person bürokratischen Kriterien entspricht. Ein sehbehinderter Student beispielsweise, der „nur“ Unterstützung beim Lesen für sein Studium braucht, bekäme künftig zum Studieren keine personelle Hilfe mehr. Das ist weder im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention noch im Sinne des Gesetzgebers.

Das Gesetz ist enttäuschend. Darüber können auch die Selbstbeweihräucherungsreden der Regierung nicht hinwegtäuschen. Sie hat versucht, die UN-Behindertenrechtskonvention in ein nationales Gesetz zu gießen. Das bedient sich nur aus den Begriffen der Konvention, wendet sie aber nicht an. Selbstbestimmung, ambulantes vor stationärem Wohnen, die Freiheit, sich die Assistenz selbst zu organisieren, und vieles, vieles mehr sind jedoch Grundprinzipien der UN-Behindertenrechtskonvention, die Deutschland ratifiziert hat. „Entscheidend ist, was hinten ‚rauskommt“, hat Helmut Kohl einmal gesagt. Ein Gesetz, das sich Teilhabegesetz nennt, aber am Ende nicht die Teilhabe sichert, sondern alten Wein in neuen Schläuchen verkauft, braucht niemand.

 

Behinderte Menschen als Warnhinweis

Um es vorweg zu sagen: Nein, ich bin keine Raucherin, der die Bilder auf Zigarettenpackungen lästig sind. Ich rauche nicht. Aber mich irritiert der Warnhinweis, der jetzt in ganz Europa auf Zigarettenpackungen auftaucht, dennoch: „Rauchen verursacht Schlaganfälle und Behinderungen“ ist dort seit Neuestem zu lesen. Dazu wird das Bild einer blassen, apathischen Frau im Rollstuhl gezeigt oder das Bild eines Mannes, der künstlich beatmet wird.

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Ausgrenzung muss Folgen haben

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat heute eine Studie zum Thema Diskriminierung in Deutschland vorgelegt. Wenig überraschend erst einmal: Diskriminierung gibt es häufig, viele erleben sie. Nahezu jeder dritte Mensch in Deutschland (31,4 Prozent) hat in den vergangenen zwei Jahren eine Diskriminierung erfahren. Vergleichsweise häufig kommt Benachteiligung aufgrund des Alters (14,8 Prozent) vor, gefolgt von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (9,2 Prozent). Diskriminierung aufgrund von Behinderung haben 7,9 Prozent der Befragten erlebt. Wenn man bedenkt, dass 13 Prozent der Deutschen behindert sind, ist die Zahl relativ hoch.

Menschen wehren sich öfter

Die Befragung der Antidiskriminierungsstelle basiert auf zwei Säulen: In einer repräsentativen Umfrage des Bielefelder Forschungsinstituts SOKO Institut für Sozialforschung und Kommunikation wurden rund 1.000 Menschen ab 14 Jahren bundesweit telefonisch befragt. Diese Ergebnisse geben einen Überblick darüber, wie verbreitet Diskriminierung in Deutschland ist. In einer umfassenden schriftlichen Betroffenenbefragung konnten überdies alle in Deutschland lebenden Menschen ab 14 Jahren über selbst erlebte oder beobachtete Diskriminierungserfahrungen berichten. Mehr als 18.000 Personen haben sich beteiligt und knapp 17.000 selbst erlebte Situationen beschrieben.

„Diskriminierung ist alles andere als ein Nischenthema“, sagte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, bei der Vorstellung der Ergebnisse. „Jeder Mensch kann betroffen sein. Es ist also in unser aller Interesse, mit ganzem Einsatz gegen jede Form von Diskriminierung anzugehen.“ Immerhin, die Mehrheit der Menschen hat die Diskriminierung nicht einfach hingenommen, sondern sich gewehrt oder zumindest mit jemanden darüber gesprochen und sich beraten lassen. „Die Menschen sind nicht gewillt, Diskriminierung einfach zu erdulden“, sagte Lüders. Sie brauchten aber mehr und bessere Unterstützung: „Knapp zehn Jahre nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist es höchste Zeit für eine rechtliche Stärkung der Menschen, die Diskriminierung erleben. Auch sollten wir jetzt eine Fortentwicklung des gesetzlichen Diskriminierungsschutzes in den Blick nehmen.“

Klagerecht gefordert

Lüders regte deshalb ein eigenes Klagerecht für Diskriminierungsverbände sowie für die Antidiskriminierungsstelle an: „Es muss endlich möglich sein, Betroffene vor Gericht effektiv zu unterstützen – wie es in vielen anderen europäischen Ländern längst möglich ist.“

Zumindest im Bereich behinderter Menschen könnte die Bundesregierung sofort etwas ändern, indem sie nämlich das Behindertengleichstellungsgesetz auf die Privatwirtschaft ausweitet. Es genügt ja nicht, Studien zu veröffentlichen, wer alles diskriminiert wird, sondern Ziel muss doch sein, die Diskriminierung praktisch abzustellen oder zumindest den Menschen das Gefühl zu geben, dass das gesellschaftlich nicht toleriert wird.

Wenn ich in London an einen Busfahrer gerate, der sich weigert, mir die Rampe auszufahren, dann habe ich ein starkes Gesetz im Rücken, das sogar Schadenersatz vorsieht. Wenn mir das in Berlin, Hamburg oder München passiert, kann ich froh sein, wenn ich von den Verkehrsbetrieben ein angemessenes Entschuldigungsschreiben bekomme. Und dabei geht es nicht einmal ums Geld, sondern um das Bewusstsein in der Gesellschaft, das so etwas nicht mehr toleriert wird und dass der Staat derartige Ausgrenzung nicht mehr hinnimmt, was eben bedeutet, dass man etwas zahlen muss, wenn man diskriminiert.

Bittsteller

Stattdessen muss man in Deutschland als behinderter Mensch vielfach immer noch als Bittsteller auftreten. Man muss froh sein, wenn das örtliche Schwimmbad einen nicht gleich wieder rausschmeißt und wenn der Blindenführhund mit ins Restaurant darf.

Wenn man das in Deutschland nicht regeln will, könnte Deutschland wenigstens aufhören, eine entsprechende Gesetzesinitiative auf europäischer Ebene zu blockieren.

Die ganze Thematik Diskriminierung zeigt übrigens sehr schön, dass es keineswegs ums Geld geht, das angeblich fehlt, sondern um die richtige Einstellung. Nur ein Beispiel: Blindenführhunde in Restaurants zu lassen – und zwar so, dass sich die Restaurantbesitzer schadenersatzpflichtig machen oder ein Bußgeld zahlen müssen, wenn sie blinde Menschen deshalb rauswerfen – kostet den Staat keinen Cent. Aber es wäre extrem wichtig, um das Selbstbewusstsein blinder Menschen mit Blindenführhunden zu stärken und klar zu machen, dass so ein Verhalten heutzutage nicht mehr geht. Exklusion muss Folgen haben. Das ist zielführender als Inklusion immer nur zu fordern oder in Studien festzuhalten, wie viele Menschen von Ausgrenzung betroffen sind.