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Der Welt erster Geist

 

Jason Molina ist ein Heimatloser, nur in der Musik fühlt er sich zuhaus. Mit Magnolia Electric Co. hat er ein karges und doch hoffnungsfrohes Folkalbum aufgenommen

Cover

 
Magnolia Electric Co. – O! Grace
 
Von dem Album: Josephine Secretly Canadian/Cargo Records 2009

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Was ist zu schreiben über die Musik von Jason Molina? Musik, zu deren Beschreibung man intuitiv unzählige abgegriffene Adjektive bemühen möchte: schön!, fesselnd!, melancholisch!, …

Und was ist zu erzählen über einen Mann, der neben seinen Liedern wenig von sich preisgibt? Die Rubrik „Biography“ fehlt auf Jason Molinas Website, in Interviews spricht er kaum über sich. Mitte Vierzig mag er sein, vielleicht auch erst Ende Dreißig, schwer zu schätzen, wie viel älter ihn die gerauften Haare und die verquollenen Augen wirken lassen. Molina kommt aus Ohio, etwa zwei Dutzend Platten nahm er mit der Band Songs: Ohia auf, ein paar Soloalben und nun das vierte mit Magnolia Electric Co., Josephine heißt es.

Er schreibe mehr Musik als er höre, sagte Molina kürzlich in einem Interview mit dem Netzmagazin Pitchfork. Aber wann soll jemand, der so kreativ ist, auch Musik hören: Seit dem letzten Album mit Magnolia Electric Co. vor drei Jahren habe er sechs weitere Platten aufgenommen, die lägen jetzt erstmal im Regal. Und es ist einiges passiert seit damals, seit Fading Trails: Jason Molina zog von Indiana zurück nach Chicago und schließlich nach London, und einer der Bassisten von Magnolia Electric Co., Evan Farrell, starb bei einem Wohnungsbrand.

Natürlich habe Josephine auch etwas mit dem Tod seines Mitspielers zu tun, sagt Molina. Einerseits sei Evan Farrell beteiligt gewesen an der Ausarbeitung vieler auf Josephine umgesetzter Ideen, andererseits handelten die Texte von Molinas Leben – und Farrell sei Teil dieses Lebens gewesen. Ein Album zu Ehren ihres langjährigen Mitspielers sei es aber nicht. Denn eigentlich erzähle Josephine von Molinas fehlender Bindung zur Welt. Mindestens dreißig Mal sei er in den vergangenen zwölf Jahren umgezogen, nun eben nach England. Immer wieder handelten seine Lieder in der Vergangenenheit davon, dass er die Füße nicht auf den Boden bekommt.

Oder besser gesagt: Von Menschen, die ihre Füße nicht auf den Boden bekommen. Denn Molina singt gerne in der dritten Person oder aus der Sicht Anderer. Nun ist es etwa Grace, die von ihrer Einsamkeit berichtet. Auf ihrem immer länger werdenden Weg zwischen den Horizonten fühle sie sich wie der Welt erster Geist. Jason Molina legt ihr seine Geschichte in den Mund: „I know a man who’s heart is restless, he’s never home and he’s never gone. And he had some good things, but he lost them like everything he ever set his heart upon.“ Wer das von sich singt, gibt doch eine Menge preis.

Überhaupt, es irren viele Geister über Josephine, immer wieder singt Molina von der Weite des Horizonts, davon welch ein Narr er gewesen sei. Er erzählt vom Paradies, dann auch vom Schatten, der darüberliegt. „Hope dies last of all“, singt er. Wer das singt, dem ist meist wenig mehr geblieben als die Hoffnung. In der Musik bekomme er die Füße an den Boden, sagt Jason Molina. Nein, so klingt es wirklich nicht.

Josephine schwingt im ersten Teil gemächlich, oft ist das Klavier zu hören, auch die akustische Gitarre. Die Lieder sind karg, viel weniger wärmend als noch auf Fading Trails. Das, sagt Jason Molina, sei nicht der Trauer über den Tod Evan Farrells geschuldet, es sei von Anfang an sein Wunsch gewesen, ein minimalistisches Album aufzunehmen. Auf halber Strecke ein musikalischer Bruch: Mit The Handing Down kehren die elektrischen Gitarren und das rumpelige Schlagzeug zurück. Jason Molina schätzt Vinyl, die Unterscheidung in A-Seite und B-Seite. Diese B-Seite ist trockener und härter.

Was ist also zu schreiben über die Musik von Jason Molina? Musik, zu deren Beschreibung man auch nach langem Überlegen noch die abgegriffenen Adjektive bemühen möchte: schön!, fesselnd!, melancholisch!, …

„Josephine“ von Magnolia Electric Co. ist auf CD und LP erschienen bei Secretly Canadian/Cargo Records.

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