Es gibt mittlerweile eine Internetseite, auf der versucht wird, den ominösen Mailbox-Anruf des Bundespräsidenten bei Bild-Chef Kai Diekmann zu rekonstruieren – im WulffPlag entsteht ein Puzzle aus den zahlreichen Bruchstücken, die Bild und der Springer-Verlag gezielt an eine Menge Journalisten bestimmter Medien und durch sie an die Öffentlichkeit haben durchsickern lassen.
Aus der Privataffäre von Christian Wulff und seiner anschließenden Schlammschlacht mit Deutschlands größten Boulevardblatt wird also eine digitale Schnitzeljagd, ähnlich wie im Fall der getürkten Doktorarbeit von Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg.
Ein klares Bild kann sich die Öffentlichkeit damit immer noch nicht machen. Zwar spricht nach Lektüre der auf der Internetseite gesammelten Wulff-Wortfetzen einiges dafür, dass er nicht nur – wie er behauptet – um Verschiebung des kritischen Bild-Berichts über seinen Hauskredit gebeten hat. Quelle sind aber letztlich allein die Bild-Zeitung und Springer, die als einzige über die Orginalabschrift verfügen. Die Drecksarbeit möchte Bild in diesem Fall allerdings ganz offensichtlich andere Medien und Internetjäger für sich erledigen lassen, um sich selber als vermeintlich seriöses Aufklärungsblatt zu profilieren.
Als weiteren Schritt dieses so perfiden wie durchsichtigen Spiels hat Bild dem Bundespräsident scheinheilig den Wortlaut seines Anrufs zukommen lassen, nebst begleitendem öffentlichem Tamtam, damit der seine angeblich verräterischen Worte möglicherweise selber veröffentlicht. Das ist also der neue Stil des Blattes: Die Opfer seiner Kampagnen sollen sich jetzt selber ans Messer liefern.
Wulffs Anwalt hat daraufhin – nicht ungeschickt – Wulffs früherem Haus- und Hofblatt gestern faktisch freigestellt, den Text abzudrucken. Worauf Springer/Bild natürlich nicht eingehen. Es wäre ja nicht in ihrem Sinne.
Nun springen die Wulffplag-Jäger ein und übernehmen den Job. Klüger wäre es, Wulff beendete das böse Spiel von Bild, um endlich das Heft des Handelns wieder in die Hand zu bekommen, und ließe den Text auf die Seite des Präsidialamtes stellen. So aber bleibt das Schicksal des deutschen Staatsoberhaupts in dieser (auch Medien-)Affäre womöglich in der Hand von Bild.
Selbst das hat sich Wulff selber zuzuschreiben. Er hat sich Jahre lang mit Bild eingelassen, weil es (auch) ihm nutzte, und war so naiv zu glauben, diese Liason hielte ewig. Auch so sind wohl seine zornigen Worte auf der Diekmann-Mailbox zu verstehen: als Ausdruck enttäuschter Liebe. Oder, wie es Ex-Bildblogger Stefan Niggemeier in seinem Blog kenntnisreich kommentiert: „Tödlich ist es, zu glauben, einen Pakt mit der „Bild”-Zeitung schließen zu können und davon am Ende profitieren zu können.“
PS: Wulff hat in seinem Fernsehinterview vergangene Woche volle Transparenz versprochen und dies gar als vorbildlich gepriesen. Anders als angekündigt, will er die 400 Fragen von Bild und seine Antworten sowie die zugrunde liegenden Dokumente indes nicht ins Internet stellen, wie wir heute erfahren. Jeder mache sich darauf seinen eigenen Reim.