Lesezeichen
 

Schleichweg statt Broadway? Wie sich der Wirtschaftsminister beraten lässt

Der Wahlkampf hat (wenn auch nur für eine kurze Zeit) ein heißes Sommerthema gefunden: Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat von einer Kanzlei die Vorlage für ein Gesetz zur Zwangsverwaltung für angeschlagene Banken ausarbeiten lassen. Die Vorwürfe in diesem Zusammenhang sind vielfältig und nicht alle gleichermaßen stichhaltig. Zum einen heißt es, zu Guttenberg hätte die Expertise und das Fachwissen seines personell gut ausgestatteten Ministeriums nutzen sollen, um eine Gesetzesvorlage zu erarbeiten. Doch dieses Phänomen des „Outsourcing“ ist in der Politik wohlbekannt und sehr viel häufiger anzutreffen als nach außen hin sichtbar: Die immer komplexeren politischen Zusammenhänge, die viel zitierte Mehrebenenproblematik oder das Schnittstellenmanagement zwischen verschiedenen Institutionen und Entscheidungsträgern erfordern schlichtweg sehr viel und sehr spezialisierte Expertise, die ein einziges Ministerium alleine nicht immer aufbringen kann. Untersuchungen, wie etwa die vom ZDF zitierte, und wissenschaftliche Analysen (vgl. Falk/Römmele 2009) zeigen deutlich, dass der Beratungsbedarf von Ministerien und anderen öffentlichen Einrichtungen in den letzten Jahren deutlich gewachsen ist. Das Wirtschaftsministerium stellt hier keine erwähnenswerte Ausnahme dar.

Ein zweiter Kritikpunkt jedoch trifft den Kern des Problems: Eine Kanzlei hat ein wirtschaftliches Eigeninteresse und vertritt zudem eine Reihe von Unternehmen, die bestimmte Wünsche an die Politik herantragen möchten. Diese gemeinhin als „Lobbying“ bezeichneten Aktivitäten sind ebenso wie das Beanspruchen externer Berater übliche Praxis. Allerdings sind die Europäische Union und einige Nichtregierungsorganisationen darum bemüht, diese Lobbyingprozesse transparent und nachvollziehbar zu gestalten. Die These lautet: Nur wenn die Akteure und ihre Interessen bekannt sind, kann das Lobbying richtig eingeschätzt werden – und nur dann wird der Demokratie kein Schaden zugefügt. Der im vorliegenden Fall beauftragten Kanzlei wurde so gesehen die große Chance gewährt, einen sehr direkten Einfluss auf einen Gesetzentwurf nehmen zu können, ohne etwa die Namen ihrer Klienten, die von einem solchen Gesetz betroffen sein könnten, öffentlich machen zu müssen. Der Wirtschaftsminister muss sich also vorwerfen lassen, verdecktes Lobbying zugelassen zu haben.

Und drittens steht der Zeitpunkt dieses Vorganges in der Kritik. Da das Gesetz nicht mehr in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann, ist die Vorlage der Kanzlei de facto hauptsächlich Munition für den Bundestagswahlkampf. Die Forschung unterscheidet hier sehr genau zwischen verschiedenen Formen der Politikberatung. Im Falle von Gesetzesvorlagen, die also die „materielle Politik“ betreffen, sollte die Beratungsleistung „objektiv“ sein. Schließlich soll jedes Gesetz seinem Anspruch nach dem Wohle des Volkes dienen. In der Wahlkampfberatung hingegen werden Konzepte und Kampagnen verlangt, die auf die Ziele der jeweiligen Partei und die Ansprache ihrer Wähler zugeschnitten sind. Hier geht es nicht um hehre Ziele wie Objektivität oder Neutralität; kämpfen ist angesagt. Wenn nun eine der Form nach objektive Beratungsleistung für den Wahlkampf verwendet wird, lässt dies Rückschlüsse auf die Verbindungen zwischen Ministerium und Kanzlei zu und wirft Fragen nach der Objektivität vorangegangener Beratungen auf.

Übrigens: Wenn Justizministerin Brigitte Zypries nun ihr Ministerium dazu antreibt, ebenfalls einen Entwurf vorzulegen, der offensichtlich auch ihrem Wahlkampf dienen wird, macht sie sich des selben Vergehens schuldig, wie ihr Kollege zu Guttenberg. Denn egal, ob nun externe Berater oder die Ministerien selbst damit beschäftigt sind: Diese Arbeit kostet Steuergelder und aus diesem Grund darf sie nicht für den Wahlkampf verwendet werden. Wahlkampfkosten sind in Deutschland Sache der Parteien (die dann wiederum vom Bund nach bestimmten Regeln finanziert werden). Ministerien aber haben sich dem Wohle des Volkes und nicht dem bestimmter Parteien zu widmen.

Literatur:
Falk, S., & Römmele, A. (2009). Der Markt für Politikberatung. Wiesbaden: VS Verlag.

 

Also doch nur ein Pferderennen

Nun ist es also soweit. Das große TV-Duell zwischen Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier findet am 13.9., zwei Wochen vor der Wahl, statt. Die 90-minütige Debatte wird ab 20:30 von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 übertragen. Jeder Sender stellt auch einen Moderator als Fragesteller. Ist das nun das von Reinhard Appel 1972 vielbeschworene „mehr Demokratie“ oder soll es in erster Linie der Politunterhaltung und dem Interesse der Fernsehsender dienen? Dass die kleinen Parteien ausgeschlossen sind und somit eine Möglichkeit weniger haben, flächendeckend die eigenen Wähler mit guter Rhetorik zu mobilisieren, wurde prompt von Guido Westerwelle (FDP) moniert. Er kritisierte, dass „die Opposition, die etwa 35 bis 40 Prozent der Stimmen in den Umfragen auf sich vereint, ausgesperrt wird“. Und recht hat er.

Dass die privaten Sender ein Format bevorzugen, das einen Wettkampf der Kanzlerkandidaten und somit mehr Unterhaltung verspricht, ist noch verständlich. Dass die Öffentlich-Rechtlichen aber nicht darauf pochen, im Rahmen ihrer Informationspflicht alle Spitzenkandidaten zu beteiligen, ist eher unverständlich. Vermutlich haben sich halt Merkel und Steinmeier durchgesetzt. Wohl auch, was den Termin betrifft. Schließlich will man sicher sein, dass nicht allzu viel Schaden angerichtet werden kann. Und wie die Debattenforschung in der Vergangenheit aufzeigte, sind Debatteneffekte eher kurzfristiger Natur, wirken also nur einige Tage nach.

Für die Zuschauer ist ein solches Format zwar interessant, da es den direkten Vergleich der Kandidaten im politischen Wettstreit erlaubt (im Amerikanischen „horse race“ genannt), was sicherlich auch ein Minimum an „Unterhaltungswert“ garantiert. Schade ist es aber dennoch, da die Beteiligung eines Lafontaine oder Gysi, einer Künast und eines Westerwelle sicherlich nicht nur den Unterhaltungswert der Debatte steigern würde, sondern auch sachliche Einblicke in die politischen Vorstellungen, Meinungen und Verhaltensweisen einer oder eines vermutlichen Vizekanzlers geben könnte.

 

Frankenland in Not

Wahlkampf-Reporter Michael Schlieben hat Nürnberg, Fürth und Herzogenaurach besucht. 2007 erschütterte die Region schon das Aus des AEG-Werkes, jetzt wanken Quelle und Schaeffler.

Der Streit darüber, ob und wie der Staat den Unternehmen helfen soll, tobt nicht nur zwischen den Koalitionspartnern CSU und FDP, sondern auch innerhalb der beiden Parteien. Der FDPler aus Herzogenaurach unterstützt die Proteste der Schaeffler-Belegschaft, der JuLi aus dem benachbarten Erlangen sagt er: „Krise? Welche Krise?“:

Michael Schliebens Bericht aus dem Frankenland finden Sie hier. Inzwischen ist er schon weitergereist nach Freital in Sachsen, in die ehemalige Hochburg der Sozialdemokratie. Auf Twitter (@zeitonline_pol) können Sie seine Spur verfolgen (Kürzel: (ms), Hashtag: #wkr09).

 

Von den „Fantastischen Vier“ zur „Intrige“ – eine kommunikative Herausforderung für die SPD

„Hessen und kein Ende“, so mag die SPD-Führung stöhnen. Beinahe das gesamte Jahr 2008 hindurch lieferte die hessische SPD in ihrem Ringen mit sich selbst und der Frage, ob sie eine von der Linken geduldete Koalition mit den Grünen eingehen solle, viel Stoff für Berichte, Diskussionen und Spekulationen. Bei der Landtagswahl im Januar 2009 erhielt sie dafür von den hessischen Wählern eine Quittung. Der Absturz in der Wählergunst war schmerzhaft genug, doch schien damit die Sache ausgestanden, so dass die Bundes-SPD unbelastet von hessischen Querelen in das Bundestagswahljahr 2009 gehen konnte. Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Doch nun hat Volker Zastrow von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Rechercheergebnisse präsentiert, die die Geschehnisse des Jahres 2008 in einem etwas anderen Licht erscheinen lassen. Aus den „Schurken“ von damals werden zwar nicht „Heilige“, doch wirken die vier sogenannten Abweichler weniger als aufrichtige und selbstlose Streiter für eine gute Sache, als es damals für die Öffentlichkeit den Anschein haben konnte. Vielmehr scheinen wenigstens einige der einstigen „politischen Lichtgestalten“ auch eigene Karriereinteressen verfolgt und ein doppeltes Spiel gespielt zu haben. Diese Geschichte ist aus dem Stoff gemacht, der sie für die Massenmedien und die Öffentlichkeit interessant macht. Es geht um Personen, es gibt überraschende Wendungen und reichlich Raum für vielerlei Spekulationen. Öffentliche Aufmerksamkeit dürfte dem Thema daher sicher sein.

Eine politische Enthüllungsgeschichte, die das Interesse der Öffentlichkeit findet, ist für die SPD nicht zwangsläufig von Nachteil. Sie mag zwar die Bürger an die hessischen Querelen erinnern, doch könnte sie auch das damalige Handeln einiger führender Sozialdemokraten in einem besseren Licht erscheinen lassen. Gefährlich dürfte die Geschichte für die SPD vor allem deshalb sein, weil einige Sozialdemokraten die Gelegenheit gekommen sehen könnten, innerparteiliche Gegner zu attackieren. Beispielsweise könnten sich Verfechter des Ypsilanti-Kurses bestätigt sehen und die vier sogenannten Abweichler angreifen – und damit innerparteiliche Kontroversen auslösen. Gerade in Wahlkampfzeiten dürfte es für eine Partei aber nur wenig geben, was so abträglich ist wie innerparteiliche Auseinandersetzungen. Denn zum einen schätzen Bürger Parteien, die geschlossen auftreten und nicht zerstritten wirken. Zum anderen lenken interne Diskussionen die Aufmerksamkeit von Mitgliedern, Anhängern und Sympathisanten davon ab, dass das Ziel eigentlich darin besteht, den politischen Gegner, also andere Parteien zu attackieren. Folglich sollte Ruhe als erste Pflicht eines jeden Sozialdemokraten gelten. Es bleibt freilich abzuwarten, ob es der SPD-Führung gelingen wird, diesen Imperativ durchzusetzen und alle Sozialdemokraten zu kommunikativer Selbstdisziplin anzuhalten.

 

Jamaika an der Saar?

Das Aufkommen der Linkspartei hat den Grünen im Saarland (wie auch anderswo) eine interessante strategische Option geboten und es scheint, als wolle die Partei die Gelegenheit nutzen. Durch ihre Zurückhaltung in Koalitionsfragen und eine deutliche Emanzipation von der SPD konnten sich die Grünen in letzter Zeit zunehmend als unabhängige Größe zwischen CDU und FDP einerseits und SPD und Linkspartei andererseits positionieren.

Man könnte also sagen, dass die Grünen auf dem Weg sind, die neue FDP zu werden. Schon vor einiger Zeit haben die Grünen die FDP als „Partei der Besserverdiener“ abgelöst und sind also für entsprechende Wählergruppen attraktiv. Neu ist nun die strategische Komponente: Die Grünen haben die Position im Parteiengefüge eingenommen, die für die FDP (insbesondere auf Bundesebene) früher charakteristisch war. Sie befinden sich zwischen dem bürgerlichen und dem linken Lager, die im Saarland beide mit jeweils ca. 45% der Stimmen rechnen können und somit beide sind für eine Regierungsbildung auf die Unterstützung der Grünen angewiesen sind.

Die Grünen richten ihren Wahlkampf folgerichtig auf die Verhinderung einer Großen Koalition aus – eine populäre Forderung, die zugleich keine Festlegung der Partei verlangt (auf Nachfrage wird vom Spitzenkandidaten der Grünen die rechnerisch kaum mögliche Ampelkoalition als Präferenz genannt). Natürlich wird die Frage, welchem Bündnis man sich anschließen möchte, nach der Wahl unvermeidlich sein. Sicher scheint aber schon heute, dass die Entscheidung darüber nicht aus dem Bauch heraus getroffen wird, sondern vom strategischen Kalkül der Partei geprägt sein wird. Strategieentscheidungen wiederum sind immer an den Ergebnissen orientiert, die man erreichen möchte. Für eine erste vorsichtige Einschätzung des Verhaltens der saarländischen Grünen nach der Wahl lohnt daher ein Blick auf ihre vermeintlichen Ziele.

Die Politikwissenschaft schreibt Parteien drei zentrale Ziele zu: das Gewinnen möglichst vieler Stimmen, das Besetzen möglichst vieler Ämter und das Durchsetzen möglichst vieler Punkte des Parteiprogramms. Der Erfolg oder Misserfolg bezüglich der errungenen Stimmen steht am Wahltag fest, wichtige Faktoren für die Entscheidung in der Koalitionsfrage sind somit vor allem die zu besetzenden Ämter und die politischen Vorhaben, die man verwirklichen möchte.

Bezüglich der politischen Inhalte fällt eine Einschätzung schwer: Die Grünen kritisieren zwar Seite an Seite mit SPD und Linkspartei die CDU-Regierung, beispielsweise in der Bildungspolitik, andererseits hat aber ein anderes Herzensthema, die Energiepolitik, zu Verstimmungen mit der SPD geführt. Hier scheinen die Grünen dem amtierenden CDU-Umweltminister näher zu stehen als dem in die Kritik geratenen Schattenumweltminister der SPD.

Für die Frage der Ämtervergabe scheint die Jamaika-Option attraktiver zu sein als das Linksbündnis mit SPD und Linkspartei. Eine Betrachtung der bisherigen Dreierbündnisse auf Landesebene (die „Ampeln“ in Brandenburg und Bremen Anfang der 90er Jahre) zeigt, dass in solchen Koalitionen die beiden kleineren Parteien am Kabinettstisch leicht überproportional vertreten waren (siehe Graphik). Lediglich die Bremer Grünen stellten 1991 in der Koalition prozentual gesehen weniger Senatoren als Abgeordnete, allerdings wurde 1993 ein FDP-Senator durch ein Mitglied der Grünen ersetzt.

Ein Bündnis zwischen zwei größeren und einer kleineren Partei gab es bisher noch nicht, es darf aber vermutet werden, dass die Grünen in einem solchen Szenario nicht nur bezüglich der Quantität sondern vor allem auch bezüglich der Qualität der besetzten Ämter die klare Nummer drei sein würden. Beispielsweise würde das wichtige Amt des/der stellvertretenden Ministerpräsident/in, das in einem Jamaika-Bündnis im Bereich des Möglichen liegt, in einem Linksbündnis in weite Ferne rücken.

Die politischen Verhältnisse im Saarland sind natürlich nicht auf die Bundesebene übertragbar. Allerdings könnte sich das Land nach der Wahl am 30. August hervorragend dafür eignen, koalitionspolitische Testballons steigen zu lassen…

 

Der Wahlkampf der CDU – gegen alle Regeln der Wissenschaft

Die Wahlkampfforschung ist eine noch recht junge aber boomende Teildisziplin der empirischen Sozialforschung. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie nicht nur theoretische Erkenntnisse, sondern auch praktische Hinweise zur Kampagnenführung liefert. So hat die Forschung am Beispiel des „war room“ von Bill Clinton 1992 eine annähernd optimale Wahlkampfgestaltung identifizieren können, und in der Folge waren auch die Wahlkämpfe Tony Blairs 1997 unter dem Thema „New Labour“ und die „Kampa“ Gerhard Schröders 1998 an diesem Clinton’schen Modell ausgerichtet. Diese Entwicklung ist sowohl ein Erfolg der Praktiken des Clinton-Teams, die zu hervorragenden Resultaten geführt haben, als auch ein Erfolg der Wissenschaft, die bei der Übertragung der Clinton-Kampagne auf britische bzw. deutsche Verhältnisse eine wichtige Rolle spielte.

Auf Grundlage dieser Kampagnen hat die Forschung mittlerweile „best practices“ ausgemacht, mit Hilfe derer sie vermeintlich auch Antworten auf die Frage nach dem gelungenen Wahlkampf geben konnte. Das jüngste (und zurzeit fast überstrapazierte) Beispiel einer Kampagne, die alle zentralen Erkenntnisse berücksichtigt und sogar weiterentwickelt hat, ist zweifellos der Wahlkampf Barack Obamas. Ganz generell lauten die Regeln für einen gelungenen Wahlkampf in etwa so: Man sollte den Wahlkampf möglichst früh beginnen; man sollte sich zu bestimmten Fragen eine klare Themenhoheit erkämpfen und diese Themen auch personell besetzen; man sollte die wichtigsten Leitmedien („BILD, BamS und Glotze“) auf seine Seite ziehen; und man sollte strategisch wichtige Wählergruppen ausmachen und sie gezielt ansprechen.

Im deutschen Wahlkampf 2009 zeigt sich nun jedoch ein besonderes Phänomen: Die CDU hat gegen alle diese Regeln mehr oder weniger klar „verstoßen“. Sie führt einen Wahlkampf, wie er in diesem Blog schon einmal diskutiert wurde: kurz, knapp, Merkel. Man spürt die Kampagne kaum, hat nicht den Eindruck, dass sie schon wirklich begonnen hat. Und die im Wahlkampf medial präsenten Personen sind ausschließlich etablierte Minister und nicht etwa Wahlkämpfer, die neue Themen erobern sollen. Anders ausgedrückt: Man weiß durch Ursula von der Leyen und Karl-Theodor zu Guttenberg um die familien- und wirtschaftspolitischen und Vorstellungen der Union – wer aber würde nach einem Wahlsieg die Finanz-, die Umwelt- oder die Außenpolitik der kommenden vier Jahre gestalten?

Die Auflösung dieses Paradoxons liegt in der Ausgangslage der Bundestagswahl 2009. Die Union ist unbestritten die stärkste politische Kraft und sie stellt die Bundeskanzlerin. Dadurch kann sie sich als Partei präsentieren, die über den Dingen steht und sich nicht ins Wahlkampfgetöse stürzen muss. Denn Wahlkämpfe haben dann eine entscheidende Bedeutung und ein zentrales Gewicht, wenn die Wahl umkämpft ist. Könnte die SPD aber im August noch ein paar Prozentpunkte aufholen, so könnte sie damit die Union im September vor Fragen stellen, die diese bisher lieber nicht beantworten möchte.

 

Warum Integration im Ländle funktioniert [Update]

Die Stuttgart-Reportage unseres Wahlkampf-Reporters Michael Schlieben wird morgen auf ZEIT ONLINE erscheinen, hier publizieren wir schon mal die Video-Interviews, die er dort gedreht hat. Sie handeln von der Integration, denn die funktioniert in Baden-Württemberg besser als in vielen anderen Regionen. (Update: Der Bericht aus Stuttgart ist inzwischen online und hier zu finden.)

Daniel Mouratidis, Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen:

Jama Maqsudi, Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt, Stuttgart:

Svetlana Acevic vom Forum der Kulturen, Stuttgart:

Sabine Friesen, Sprachlehrerin in Stuttgart:

Gern verweisen wir einmal mehr auf den Twitter-Feed unseres reisenden Reporters: @zeitonline_pol, Kürzel: (ms), Hashtag: #wkr09.

 

Luxusstadt mit Luxusproblemen


Die nächste Reportage unseres Wahlkampf-Reporters ist online. Sie handelt von Bad Homburg, einer Stadt die eigentlich keine Probleme haben sollte – und sie dennoch hat.

Michael Schlieben, der Wahlkampf-Reporter, hat sich inzwischen in Stuttgart mit Migranten getroffen und sie gefragt: Wen wählen Sie? Die große griechisch-schwäbische Community in der Landeshauptstadt ist das Thema der nächsten Reportage. Sie wird voraussichtlich am Samstag erscheinen.

Wer wissen will, was Kollege Schlieben bis dahin treibt, mit wem er spricht und was er erlebt, dem sei sein Twitter-Feed empfohlen: @zeitonline_pol, Kürzel: (ms), Hashtag: #wkr09.

 

Wer hat´s erfunden? – neue Töne im Streit um Steinmeiers Deutschlandplan

Seit fünf Tagen diskutieren die Wahlkämpfer aller Parteien mittlerweile über den Deutschlandplan von Frank-Walter Steinmeier und sein Versprechen, bis zum Jahr 2020 insgesamt vier Millionen Arbeitsplätze schaffen zu wollen. Inzwischen hat sogar die politische Konkurrenz das 67-seitige Papier gelesen und siehe da, von Häme und Spott ist gar nicht mehr viel zu hören. Im Gegenteil. Der SPD-Kanzlerkandidat hat offenbar einen Nerv getroffen und damit ist die politische Auseinandersetzung über seine Ideen in eine neue Phase getreten.

Vielleicht liegt Steinmeier ja doch gar nicht so falsch.

Nicht, dass die politische Konkurrenz plötzlich in Jubel ausgebrochen wäre, noch immer spricht CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla davon, der SPD-Kanzlerkandidat verspreche etwas, was er nicht schaffen könne. Arbeit für alle, das kann nur die Union. Natürlich hält der CDU-Politiker die eigenen Ideen für besser, wie sollte es auch anders sein. Selbstredend setzt er auf den Markt und nicht auf den Staat. Aber immerhin weiß Pofalla mittlerweile, Steinmeier habe das „richtige Thema“ angesprochen und wirft ihm gar geistigen Diebstahl vor.

Eben noch unseriös, jetzt geklaut, so funktioniert Wahlkampf.

Wesentliche Teile seines Deutschland-Plans habe Steinmeier schlicht aus dem Unions-Wahlprogramm übernommen, sagt Pofalla in einem Zeitungsinterview, ”das Copyright für Zukunftstechnologien liegt doch bei uns“. Und fügt dann hinzu, es sei doch ”ehrenwert, dass Herr Steinmeier einen Großteil unserer Ideen für richtig hält“.

Wer hat´s erfunden? Die CDU, die SPD oder etwa doch die Grünen?

Deren Spitzenkandidat Jürgen Trittin spricht von ”Produktpiraterie“ und wirft der SPD vor, sie habe ihren Vorschlägen für neue Jobs einfach ”kopiert“.

Wahlkampf als Urheberrechtsstreit? Den Arbeitslosen kann es nur recht sein.

Aber vermutlich rührt der neue Zungenschlag im Streit um Steinmeiers Deutschland-Plan auch daher, dass sich nach und nach Experten zu Wort melden, die dessen Ziele für gar nicht mehr so abwegig halten.

So hält es zum Beispiel die Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants für möglich, dass sich die Zahl der Beschäftigten im Umweltsektor auf mehr als zwei Millionen Arbeitsplätze verdoppeln lasse. Der gewerkschaftsnahe Konjunkturexperte Gustav Horn Institut für Makro-Ökonomie der Hans-Böckler-Stiftung hält sogar zwei bis drei Millionen Arbeitsplätze für möglich. Positiv haben sich auch Unternehmer wie der SAP-Chef Leo Apotheker oder Emanuele Gatti, Vorstandsmitglied von Fresenius Medical Care geäußert. Es zeigt sich also schon jetzt, dass es Unternehmen gibt, die hoffen von neuen staatlichen Anreizen oder gar Subventionen profitieren zu können

Nur die Forscher vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung gießen eine Menge Wasser in Steinmeiers neuen Wein. Denn sie glauben, dass sich ein solches Jobwunder nur mit Niedriglöhnen erreichen lasse. Aber das hört Steinmeier sicher nicht so gerne, schließlich verspricht er nicht nur Vollbeschäftigung, sondern auch flächendeckende Mindestlöhne.