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Warum es eine sanfte Umschuldung in einer Währungsunion nicht gibt

 

Es mangelt bekanntlich nicht an Vorschlägen, wie eine Umschuldung in Griechenland zu organisieren sei. Manche fordern den radikalen Schnitt jetzt und heute, andere eine Verlängerung von Laufzeiten. Viele der Schlauberger, die jetzt mit solchen Empfehlungen hausieren gehen, berücksichtigen allerdings nicht die Besonderheiten in einer Währungsunion. Konkret: Die Auswirkungen einer Umschuldung auf die Refinanzierung griechischer Banken.

Wenn Griechenland Konkurs anmeldet, Wolfgang Münchau hat in der FTD darauf hingewiesen, darf die EZB griechische Anleihen nicht mehr als Sicherheit in ihren Refinanzierungsoperationen verwenden. Die alten Anleihen wären schließlich ganz offensichtlich im Default – und es ist unwahrscheinlich, dass ein Land, dass gerade 50 Prozent seiner Schulden gestrichen hat, in der Lage ist, neue Anleihen mit solider Bonität zu emittieren.

Würde die EZB diese Bonds minderer Qualität weiter akzeptieren, würde sie gegen den im Lissabonner Vertrag festgelegten Grundsatz verstoßen, wonach sie nur gegen angemessenes Collateral Geld verleihen kann (das ist die juristische Betrachtungsweise, in der ökonomischen würden sie monetäre Staatsfinanzierung beziehungsweise einen Ressourcentransfer von den reichen in die armen Länder betreiben).

Die Notenbank muss sich also verweigern. Das bedeutet aber, dass automatisch das griechische Bankensystem bankrott ist, dessen Sicherheiten bei der EZB laut JP Morgan zu knapp 80 Prozent aus griechischen Staatsanleihen oder vom griechischen Staat gedeckten Papieren bestehen – und das natürlich noch stärker als bisher von der Notenbank abhängig sein wird, wenn die Umschuldung beginnt.

Nun kann man natürlich versuchen, freiwillige Umschuldungslösungen zu ersinnen, die nicht als Default gelten und die es der EZB erlauben, im Boot zu bleiben. Nur dürfte das erstens angesichts der sehr dezidierten Haltung der Rating-Agenturen in diesem Punkt schwer sein und zweitens hat man es mit einem collective action Problem zu tun: Jeder freiwillige Forderungsverzicht schafft Anreize für die Banken, sich diesem zu entziehen, in der Hoffnung, dass die anderen mitmachen und sich so die Bonität verbessert, wodurch der Wert der eigenen Anleihen steigt. Auch die Brady-Bonds waren mit Zwang verbunden, zumindest informell. Entweder es tut weh, dann muss Zwang her, oder es tut nicht weh, dann bringt es aber auch nichts.

Mit anderen Worten: Jede wilde Umschuldung ohne solche Maßnahmen stößt Griechenland – und wahrscheinlich über die üblichen Ansteckungskanäle ganz Europa – in den Abgrund, wenn die EZB nicht ihre eigenen Regeln bricht. Ein Schuldenschnitt müsste also ZWINGEND von neuen Stützungsmaßnahmen für die griechischen Banken und den Staat begleitet werden, damit griechische Anleihen wieder die Sicherheitenanforderungen erfüllen. Es gibt in einer Währungsunion keine sanfte Umschuldung.

Man kann sich in der Tat Brady-Bonds vorstellen, die von der EU gedeckt werden, da widerspreche ich Kantoos gar nicht. Nur: Dann müsste die Politik den Wählern vermitteln, dass trotz der Umschuldungsaktion und der Risiken, die sie birgt, neue Rettungspakete geschnürt oder Garantieerklärungen abgegeben werden müssen. Und natürlich wird die Debatte losgehen, ob denn die Brady-Bonds nicht eine Vorstufe zu den Euro-Bonds sind. Schlimmstenfalls retten wir also unsere Banken UND Griechenland. Viel Spaß bei dem Versuch, dass im Bundestag durchzusetzen.

Bei einem Zahlungsausfall eines Mitgliedsstaats einer Währungsunion, läuft automatisch die Zentralbank voll und damit wird das Problem eines Landes zum Problem aller Länder. Das macht die ganze Angelegenheit komplizierter als im Fall eines souveränen Staates mit eigener Geldpolitik – und deshalb ist die Umschuldung gefährlicher, selbst wenn sich die Ansteckungseffekte, die ich und viele andere befürchten, in den Griff bekommen lassen.

Vielleicht muss man diesen Weg trotzdem irgendwann gehen, mich erstaunt nur die Selbstsicherheit, mit der die Umschuldungsanhänger ganz offensichtlich davon ausgehen, dass schon alles gut werde – und mit der sie argumentieren, dass halb Europa tatsächlich insolvent und nicht illiquide ist. Ich glaube jedenfalls, uns wäre viel erspart geblieben, wenn es Lehmann nicht gegeben hätte.