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Sparen und investieren mit Hans-Werner Sinn

 

… bevor ich mich in den Pfingsturlaub verabschiede und weil die Debatte ja weitergehen muss: Gustav Horn und Fabian Lindner haben in der FTD argumentiert, Hans-Werner Sinn mache in seiner Argumentation zu den Leistungsbilanzen einen Denkfehler. Olaf Storbeck sieht es im Handelsblatt ähnlich und Frank Lübberding ist mit anderer Stoßrichtung auch on the case.

Wir erinnern uns: Sinn argumentiert, dass der Abfluss deutschen Sparkapitals für die Investitionsschwäche hierzulande verantwortlich sei. Die zentrale Passage von Horn und Lindner.

Weder kann Ersparnis irgendwie durch Nettokapitalexport abfließen, noch sind Kredite auf die laufende Ersparnis limitiert. Die Ausländer nehmen uns nicht die Kredite weg – sie kaufen vielmehr deutsche Waren und schaffen dadurch Einkommen und Beschäftigung im Inland.

Aufmerksame Leser werden sich erinnern, dass ich ähnlich argumentiert habe. Nun reagiert Sinn in der heutigen FTD:

Horn und Lindner behaupten nun, dass es keinen Zielkonflikt zwischen der Verwendung der Ersparnis für die eigene Investition und den Kapitalexport gibt. Dabei gehen sie, ohne dies zu benennen, vom keynesianischen Spezialfall der Unterbeschäftigung des Bäckers aus. Richtig ist, dass ein Mehr an Nachfrage nach Brot in diesem Fall beim Bäcker mehr Einkommen und bei gegebenem Konsum und gegebener Investition mehr Ersparnis und Kapitalexport bedeutet. Aber das heißt nicht, dass es keinen Zielkonflikt gibt. Je mehr Kapital der Bäcker über seine Bank exportiert, desto weniger kann er selbst konsumieren oder in neue Öfen investieren.

Ich bin nicht überzeugt.

Erstens: Hans-Werner Sinn behauptet, er könne die deutsche Wachstumsschwäche nach der Jahrtausendwende durch den Kapitalexport erklären. Er muss also einen Nachfrageausfall im Aggregat herleiten können, unabhängig davon wie sich die Nachfrage zusammensetzt, ob also Export, Konsum oder Investitionen sie stützen. Anders gesagt: Wenn, übertrieben gesagt, der Ausländer das Geld, das ihm der Bäcker leiht, komplett ausgibt, um des Bäckers Brötchen zu kaufen, geht das Argument nicht mehr auf – denn dann leidet Produktionsniveau im Inland nicht.

Zweitens: Selbst wenn man sich für die Komponenten der Nachfrage interessiert. Der Zielkonflikt zwischen eigenem Sparen für die eigene Investition und Sparen für die Anlage im Ausland besteht nur, wenn das Einkommen konstant bleibt. Wenn es steigt, geht beides zusammen: Ich exportiere mehr und spare zugleich mehr. Das wollten meines Erachtens auch Horn und Lindner sagen.

Aber es geht noch weiter:

Im Übrigen schafft die höhere Nachfrage beim Bäcker nicht mehr Einkommen, wenn das Bäckergewerbe bereits voll ausgelastet ist. Dann wird der Bäcker entweder die Preise erhöhen oder Bäckergesellen von seinen Konkurrenten abwerben. Dies ist der Normalfall, auf den sich Ökonomen beziehen, wenn sie längerfristige Wirtschaftsentwicklungen jenseits einer akuten Wirtschaftskrise beschreiben.

Das ist natürlich korrekt. Bei Vollauslastung schafft noch mehr Nachfrage irgendwann nur noch Inflation. Aber was soll uns dieses Argument hier sagen? Auch eine Erhöhung der inländischen Nachfrage wäre bei Vollauslastung schädlich. Wozu also die Unterscheidung zwischen inländischer und ausländischer Nachfrage? Und ging es nicht eigentlich darum, die deutsche Krise zu erklären – also gerade die Abwesenheit von Vollbeschäftigung?

Und auch die folgende Aussage ist problematisch:

An dem Sachverhalt ändert sich auch dann nichts, wenn man die Geldschöpfung einbezieht, denn wenn es keine Inflation geben soll, muss die Zentralbank die Geldmenge unter Kontrolle halten.

Um die Geldpolitik für seine These nutzen zu können, müsste Sinn also argumentieren, dass die Zentralbank die Zügel anzieht, wenn hierzulande gewissermaßen als Ausgleich für den Kapitalabfluss mehr Kredite vergeben – mehr Geld geschöpft – wird. Mir ist nicht klar, wie er das schaffen will.

Zentralbanken steuern heutzutage nicht die Geldmenge, sondern die Inflation. Wenn Kapital nach Spanien fließt, und dafür die hiesigen Banken als Ausgleich mehr Kredite vergeben, dann muss das aus geldpolitischer Sicht bedenklicher sein, als wenn deutsches Kapital gleich zur Kreditvergabe verwendet wird. Oder anders gesagt: Deutsches Sparkapital müsste weniger inflationstreibend sein als deutsches Kreditkapital.