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Schützt die Staatsanleihe

 

Ich war am Donnerstag bei einem Briefing von Joachim Fels, Chefvolkswirt bei Morgan Stanley. Ich bin mit Fels nicht immer einer Meinung, er ist aber einer der wenigen Bankökonomen, die ich respektiere und schätze, weil er sich eine eigene und meistens gut fundierte Meinung erlaubt. In diesem Briefing entspann sich eine interessante Debatte: Was ist eigentlich eine Staatsanleihe?

Staatsanleihen – zumindest aus den Industrieländern – galten bislang als weit gehend risikolose Anlage. Sie bilden die Basis für die risk free rate, mussten nicht mit Eigenkapital unterlegt werden und sind auch sonst die Grundlage für viele Transaktionen im Finanzsektor. Zwei Operationen haben nun dafür gesorgt, dass Staatsanleihen im Euro-Gebiet nicht mehr risikofrei sind.

1. Die Einigung von Deauville, die den Weg bereitete für die so genannte Privatsektorbeteiligung bei Staatsschuldenkrisen.

2. Die Verweigerung der EZB, den krisenbedrohten Ländern unbegrenzt Liquidität zur Verfügung zu stellen zum Beispiel durch den Ankauf ihrer Anleihen.

Ergebnis: Euro-Anleihen können nun ausfallen, denn weder springen im Krisenfall die anderen Mitgliedsstaaten voll ein, noch tut das die EZB. Damit unterscheidet sich ein europäischer Bond  grundlegend von den Anleihen souveräner Staaten mit eigener Zentralbank, die ihre Notenpresse anwerfen können. Natürlich würde ein Staatsanleiheninvestor auch durch eine Inflationierung reale Wertverluste hinnehmen, doch dabei handelt es sich um einen schleichenden und kontrollierbaren Prozess. Eine Pleite aber ist ein binärer Event und sie ist in der Regel heftig. Paul de Grauwe hat den Mechanismus im Detail herausgearbeitet.

Deshalb werden die Märkte verrückt angesichts eines Schuldenstands von 120 Prozent in Italien, aber tolerieren in Japan viel höhere Niveaus. Euro-Anleihen sind, um mit Fels zu sprechen, Kreditprodukte.

Das dürfte zunächst einmal unstrittig sein. Wie ist diese Entwicklung normativ zu bewerten? Im deutschen Kanzleramt würde man diese Entwicklung wahrscheinlich willkommen heißen. Weil er die Gefahr des Zahlungsausfalls einkalkulieren muss, kann der Markt endlich zwischen Länderrisiken diskriminieren und  somit die solides Wirtschaften bestrafen und unsolides belohnen.

Das funktioniert aber nur, wenn auch der Markt einigermaßen gut funktioniert. Und daran kann man bekanntlich zweifeln. Weder hat der Markt die Ungleichgewichte im Währungsraum frühzeitig erkannt, noch die Schuldenexzesse von George W. Bush diszipliniert. Unter anderem deshalb habe ich mich im vorherigen Eintrag dafür ausgesprochen, den Fokus darauf zu legen, Staatsanleihen wieder zu sicheren Investments zu machen. Es mag eine Rolle für den Markt geben, aber keinesfalls soll er zum alleinigen Richter über die Politik werden.

Wer aber soll die Finanzpolitik disziplinieren, wenn der Markt es nicht tut? Die Antwort: Der Souverän, also der Wähler. Es ist ja keineswegs so, dass hohe Staatsschulden bei den Bürgern gut ankommen – und es gibt Beispiele für Konsolidierungsanstrengungen ohne den Druck der Märkte. Aber die Wähler sind kurzsichtig und die Politiker Gauner, wird man an dieser Stelle einwerfen. Das mag sein, aber sind die Bondhändler viel besser?