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Woher kommt die Liquidität

 

Die EZB hat in ihrem neuesten Finanzstabilitätsbericht ein interessantes Kapitel zum Thema Liquidität. Interessant ist er, weil vielerorts die mechanistische Vorstellung anzutreffen ist, Liquidität sei etwas, das allein die Zentralbank über ihre geldpolitischen Operationen bereitstellt. Deshalb ist immer wieder zu lesen, die Notenbank pumpe zu viel Geld – gemeint ist damit in der Regel Zentralbankgeld oder Geldbasis – in den Markt und  sorge damit für allerlei Verwerfungen.

So ist es aber nicht. Hier die EZB:

Liquidity is a multifaceted concept and, if anything, the common element in all of the definitions appears to be “ease of financing”. From a global perspective, an essential distinction is made between central bank liquidity and liquidity created outside the public sector.

Der zweite Teil des Satzes ist entscheidend. Es gibt zahlreiche Liquiditätsquellen außerhalb der Zentralbank, die von jener nur mittelbar gesteuert werden können. Wenn eine Bank einen Kredit vergibt, dann schafft sie damit originär frisches Geld und verbessert die Liquiditätslage. Wenn die Aktienmärkte boomen, verbessern sich die Finanzierungskonditionen. Wenn die Chinesen amerikanische Staatsanleihen aufkaufen, wird in den USA das Geld billiger.

Noch einmal die EZB:

Traditionally, global liquidity has been defined bas the sum of narrow money created by central banks and international reserves within advanced economies. Such a monetary liquidity measure is, however, less suitable today owing to global financial integration, new financial innovations that have led to alternative channels of access to credit and the growing importance of emerging markets.

Die Menge an Zentrabankgeld dürfte in den seltensten Fällen die entscheidende Bestimmungsgröße für die globale Liquidität sein. Das bedeutet nun nicht, dass die Zentralbanken machtlos sind. Die Höhe des von ihnen kontrollierten kurzfristigen Zinses beeinflusst über vielfältige Kanäle die Finanzierungsbedingungen – und Sonderoperationen wie der Kauf von Staatsanleihen oder die Aufweichung der Anforderung an die Sicherheiten, die die Banken bereitstellen müssen, natürlich auch.

Aber die Zinsen alleine sind in diesem Zusammenhang nicht die einzige und vielleicht nicht einmal die wichtiges Variable.  Das musste Alan Greenspan erfahren, als er den Leitzins anhob, die langfristigen Zinsen aber trotzdem niedrig blieben, weil die Chinesen verrückt nach US-Staatsanleihen waren. Und das erfährt die EZB jetzt, wo sie die Zinsen senkt, die Banken aber trotzdem nicht mehr Kredite vergeben. Deshalb auch die von Charles Goodhart und anderen angestoßene Debatte, ob es nicht sinnvoller sei, spekulativen Übertreibungen durch höhere Eigenkapitalanforderungen (die die Kreditvergabe und damit die Geldschöpfung der Banken blockieren) statt durch höhere Zinsen entgegenzuwirken.

Der Diskurs würde profitieren, wenn wir in den Medien mit einem breiteren Liquiditätsansatz operieren würden, statt immer nur auf die Geldpolitik der Zentralbanken zu starren. Aber das Publikum verlangt nach klar identifizierbaren Akteuren – und deshalb schreiben wir weiter über Bernanke und Draghi und ihre Notenpressen.