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Den Euro retten durch Gelddrucken

 

Wennschon, dennschon: vielleicht liege ich ja völlig daneben, aber wie wäre es denn, wenn die EZB den Banken im Euroraum so viel Geld zur Verfügung stellte, dass sie damit alle Finanzierungswünsche der Staaten zu tragbaren Konditionen erfüllen könnten? Dann gäbe es auch wieder Wachstum, oder jedenfalls ließe sich das Risiko einer Rezession nachhaltig vermindern. Die Quadratur des Kreises besteht im Euroland heute ja darin, gleichzeitig die Staatshaushalte zu sanieren und den Schuldendienst durch robustes Wirtschaftswachstum zu ermöglichen.

Wie wäre es, wenn die EZB in einem nächsten Schritt, oder vielleicht einem überübernächsten Schritt, den Banken unbegrenzt Zentralbankgeld zu einem Hauptrefinanzierungssatz von 0,5 Prozent und für zehn Jahre anböte? Warum nicht? Wir sind ja schon bei knapp einer halben Billion für drei Jahre und einem Zins von zurzeit ein Prozent angekommen. Solange es keine Inflationsgefahren gibt, spricht, soweit ich das sehe, nichts dagegen, dass die Banken sich auch zwei oder drei Billionen vom Euro-System besorgen könnten. The sky is the limit. Wenn der Transmissionsmechanismus zwischen monetärer Expansion und nominalem Sozialprodukt eines Tages wieder greift, müsste die EZB natürlich in ihren – reich gefüllten – Instrumentenkasten langen und den Geldüberhang abschöpfen. Da gibt es kein Problem.

Bei meinem Vorschlag könnten die staatlichen Schuldner dann zu den Banken gehen und zehnjährige Schuldscheindarlehen zu einem Satz von, sagen wir, drei Prozent anbieten. Vor allem die deutschen Banken kämen als Geldgeber infrage, da die Flucht aus den mediterranen Problemländern vor allem ihnen zugutekommt. Ich erinnere mich aus meiner Zeit bei Citibank, dass eine Zinsmarge von 40 Basispunkten oder 0,4 Prozentpunkten bei einem großen Kreditvolumen als auskömmlich galt. Hier reden wir aber über 250 Basispunkte. Das Risikiopolster wäre also einerseits dick genug, sollte man meinen, während andererseits ein zehnjähriger Nominalzins von drei Prozent Staaten wie Italien oder Spanien beim Schuldendienst nicht überfordern dürfte. Außerdem ließen sich die Zinszahlungen auch leicht in die Jahre drei bis zehn verschieben (wir kennen das von den „subprime mortgages“!) – sie wären dann einfach etwas höher (knapp unter 4 Prozent), aber immer noch niedrig, und es wäre Zeit gewonnen für die strukturelle Verbesserung der Staatshaushalte. Wichtig wäre im Übrigen auch, dass die EZB klarstellt, dass der Refinanzierungssatz bei diesen Geschäften für einige Jahre nicht erhöht wird oder, besser noch, dass er zehn Jahre lang bei 0,5 Prozent bleibt.

Schuldscheindarlehen haben den Charme, dass sie, ähnlich wie lang laufende Hypothekenkredite, nicht abgeschrieben werden müssen, wenn eines Tages die Zinsen am Markt wieder steigen – die Kurse der Festzinsbonds würden in die Tiefe rauschen, ein Kredit aber steht bis zuletzt zum Nominalwert in den Büchern der Gläubiger. Schuldscheine können außerdem zweimal oder auch dreimal abgetreten werden und haben in dieser Hinsicht anleiheähnliche Eigenschaften. Die Banken können sie also, wenn es ihnen gefällt, weitergeben, allerdings nicht mehr zum Nominalwert, sondern zu den dann herrschenden Marktkonditionen. Abnehmer sind meist institutionelle Anleger wie Versicherungen, Pensionskassen oder staatliche Reservefonds von Ländern mit strukturellen Leistungsbilanzüberschüssen. Die Ausstattung der Schuldscheine kann von vornherein auf deren Bedürfnisse zugeschnitten werden, vor allem ihre künftigen Verbindlichkeiten (Geldabflüsse). Laufzeiten und Zinsen können so variiert werden, wie es der Endanleger wünscht.

Sind drei Prozent realistisch, wenn Italien heute für seine zehnjährigen Anleihen 6,07 Prozent bezahlen muss? Werden die Banken nicht bei einem de facto gleichen Risiko diese viel besser verzinsten Anleihen kaufen? An Geld fehlte es ihnen ja nicht. Nun, was wird passieren: Die Bondrenditen werden kräftig sinken, und der Renditeunterschied zwischen Schuldscheindarlehen und Bonds wird sich stark vermindern und sich bei einem Niveau einpendeln, dass die Unterschiede in der Liquidität und der bilanziellen Behandlung der beiden Instrumente reflektiert. Früher waren die Renditen der deutschen Schuldscheine in der Regel um etwa 20 Basispunkte höher als die von vergleichbaren Anleihen.

Auf welchem Niveau es zur Angleichung der Renditen kommt, hängt davon ab, wie überzeugend die Sanierungsprogramme der staatlichen Schuldner aus der Sicht der Banken sind. Es muss vermieden werden, dass die Flutung der Banken mit Zentralbankgeld bei ihnen zu einem Anlagenotstand führt, auf den die Schuldner mit einem Einstellen ihrer Bemühungen reagieren. Der Deal „billiges und langfristiges Geld gegen Sanierung der Haushalte (und eine zunehmend gemeinsame Finanzpolitik)“ darf nicht einseitig aufgekündigt werden. Die Banken brauchen unbedingt Flankenschutz durch EFSF / ESM, den europäischen Bankenverband, den IWF und die EZB selbst, damit es nicht zu einem sogenannten moral hazard-Problem kommt. Vor allem die deutschen Steuerzahler, bei denen die Risiken vor allem landen werden, legen großen Wert darauf.

Das Eigenkapitalproblem der Banken ist mit meinem Vorschlag noch nicht gelöst, außer dass ihre Gewinne und damit ihre Rücklagen durch die großen Zinsmargen stark zunehmen werden. Wenn es schnell gehen soll, was ich angesichts der konjunkturellen Lage für wünschenswert halte, müssen die Banken vermutlich simultan rekapitalisiert und vorübergehend teilverstaatlicht werden, damit sie von den Bilanzrelationen her in die Lage versetzt werden, den Staaten die benötigten Kredite zu gewähren.

Das Euro-Problem ist also lösbar. Dabei zeitig die Krise auch positive Effekte, weil sie uns einen schwachen Euro beschert und die Mitgliedstaaten Eurolands zu Reformen zwingt, die ohne sie vielleicht nie in Angriff genommen worden wären. Sie machen das System wetterfest.

Am Ende werden die Marktteilnehmer erkennen, dass sich die Währungsunion insgesamt einer robusten Gesundheit erfreut: Die OECD schreibt in ihrem Economic Outlook vom November 2011 (auf Seite 6), dass das aggregierte staatliche Defizit 2012 nur bei 2,9 Prozent des Sozialprodukts liegen wird, also knapp unterhalb der Maastricht-Schwelle. Für die USA wird ein gesamtstaatliches Defizit von 9,3 Prozent, für Japan von 8,9 Prozent erwartet. Während in der Leistungsbilanz für die USA mit einem Defizit von 2,9 Prozent des BIP gerechnet wird, dürfte es im Euroland zu einem Überschuss von 0,6 Prozent kommen.