Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Mario, wie hältst Du’s mit der Inflation?

 

Wie kommt die Euro-Zone wieder in ein (makroökonomisches) Gleichgewicht – das ist die große Frage der Krise. Man scheint sich einig zu sein, dass die Länder der Peripherie durch Kostensenkungen ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern müssen. Das bedeutet, dass die Inflationsraten einige Zeit deutlich unter dem Ziel der EZB von nahe, aber unter zwei Prozent liegen werden. Dagegen kann man zunächst einmal nichts einwenden.

Aber was bedeutet das für den Kern? Mario Draghi hat auf der Pressekonferenz am Mittwoch die Vorstellung zurückgewiesen, Länder wie Deutschland müssten im Gegenzug höhere Inflationsraten zulassen.

Sein Argument ähnelt dabei der Logik der Argumentation der EZB in der Debatte um die Leistungsbilanzsalden: Die Korrektur müsse durch Kostensenkungen in den Defizitländern, nicht durch eine Ankurbelung der Nachfrage in den Überschussländern erfolgen. Wenn man von positiven Effekten auf dem Arbeitsmarkt durch eine relative Verschiebung der Preise von Arbeit und Kapital abstrahiert (die nicht groß sein dürften), dann bedeutet das, dass die Euro-Zone Leistungsbilanzüberschüsse mit dem Rest der Welt aufbauen muss, um die Arbeitslosigkeit zu senken.

Ich glaube nicht, dass das funktionieren kann – aber darum geht es gar nicht. Die Frage nach dem Ausgleich der Leistungsbilanzen ist eine ökonomische, über die man lange streiten kann. Die nach dem Inflationsziel eine arithmetische: Wenn im Süden die Preise stagnieren, MÜSSEN sie in Deutschland stärker steigen, um das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen.

Goldman Sachs hat sich die Sache einmal angesehen (leider kein link):

In order for Euro area inflation to average 2% over the adjustment period, German inflation would need to average significantly more than this. In the calculations, Germany’s inflation rate averages between 3.3% and 4.7% over a 10-year period.

Nun waren solche Inflationsraten in den fünfziger und sechziger Jahren nicht unüblich und sie haben der Wirtschaft damals nicht geschadet. Das würden sie auch heute nicht, denn ein Anstieg der Teuerung wäre schließlich die Folge höherer Lohnabschlüsse, die die Unternehmen auf die Preise überwälzen würden und gegen die nun wirklich nichts einzuwenden ist. Oder wie es Joachim Fels von Morgan Stanley diese Woche in der FAZ so schön formulierte:

Die Deutschen werden die Inflation lieben lernen.

Die Angst der EZB vor der deutschen Inflationsphobie ist aber offensichtlich so groß, dass sie das lieber nicht ausprobieren will. Der Preis: Eine Verfehlung des Inflationsziels und noch mehr Elend im Süden – denn je niedriger der Preisauftrieb in Deutschland, desto größer muss die Anpassung in der Peripherie ausfallen. Noch einmal Goldman:

Assuming an implicit ECB target of 1% inflation for Euro area wide consumer prices (…) implies Greece and Portugal would experience outright deflation under the three criteria of external sustainability. More notably, those countries are joined by France, Italy and Spain—all of which experience outright deflation.

Halb Europa in der Deflation, nur damit sich in Deutschland niemand beschwert: Wer hat noch einmal gesagt, der Zentralbankrat sei in der Hand des Club Med?