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Aktien sind überbewertet

 

Der Deutsche Aktienindex hat am Dienstag bei 11.966 Punkten geschlossen und hat damit im ersten Quartal des Jahres um beachtliche 22 Prozent zugelegt. Nach den gängigen Maßstäben sind deutsche Aktien allerdings stark überwertet und müssten daher demnächst einbrechen. Bekanntlich halten sich Rallyes aber selten an fundamentale Bewertungen und dauern oft länger, als man denkt. Spekulationen gegen steigende Kurse haben schon so manchen ruiniert.

Wenn ich den DAX und die Performance des Deutschen Rentenindex (REX) seit Ende der achtziger Jahre, wie in der nachfolgenden Grafik mit proportionalen Achsen dargestellt, miteinander vergleiche, wird mir ganz anders. Die Botschaft lautet: In der Vergangenheit kam es stets dann zu einem Einbruch des Aktienindex, wenn er sich zu stark nach oben von der Entwicklung des Rentenindex entfernt hatte. Heute haben wir es ganz eindeutig wieder mit einer solchen Situation zu tun. Es würde nicht überraschen, wenn die durchschnittlichen Kurse auch diesmal um rund 60 Prozent fallen würden, also von rund 12.000 auf etwa 5.000, wie von Anfang 2000 bis Anfang 2003 und danach von Ende 2007 bis Frühjahr 2009. In den Jahren 1990 und 2011 war es zu Rückschlägen von jeweils etwa einem Viertel gekommen – da war der Abstand zum Rentenindex vorher nicht so übertrieben groß, der Korrekturbedarf also geringer.

Grafik: Performance von DAX und REX seit 1988

Wer einen Kursrückgang von nicht weniger als 60 Prozent für möglich hält, muss daran glauben, dass Aktien und Renten in einer symbiotischen Beziehung zueinander stehen und dass es daher Muster gibt, die sich wiederholen. Könnte es sein, dass es diesmal nicht so ist? Ein Grund könnte sein, dass deutsche Bonds zurzeit für die meisten Anleger keine sinnvolle Alternative für Aktien sind: Für zehnjährige Bundesanleihen gibt es nur noch eine Rendite von 0,2 Prozent, während die Dividendenrendite des DAX immerhin noch bei 2,3 Prozent liegt.

Aktien sind daher auch für konservative Anleger attraktiv. Vielleicht ist das aber keine besonders relevante Aussage, denn wenn die Aktienkurse tatsächlich demnächst um 60 Prozent nachgeben sollten, ist es nur ein schwacher Trost für die Käufer, dass sie anfangs bei der laufenden Verzinsung einen Vorteil von mehr als zwei Prozentpunkten hatten. Hinzu kommt, dass das Kursrisiko am Rentenmarkt gering ist, so lange die EZB ihre Ankündigung wahrmacht, monatlich netto festverzinsliche Wertpapiere der Euroländer im Wert von 60 Milliarden Euro aufzukaufen.

Mit anderen Worten, selbst bei dem jetzigen rekordniedrigen Renditeniveau ist das Kursrisiko bei Bonds gering, für’s Erste jedenfalls. Ein Umstieg von Aktien in Renten ist daher ziemlich risikolos. Das Drama wird beginnen, sobald die EZB erreicht, was sie mit ihrem Gelddrucken erreichen will, nämlich eine Inflationsrate von etwas unter zwei Prozent. Angenommen, die Rendite der Zehnjährigen steigt dann wieder auf sechs Prozent, was einst als ein sehr niedriges Niveau galt, wird es zu einem Kursverlust von 37 Prozent kommen.

Nicht nur im Vergleich zu Renten, auch aus zwei weiteren Gründen sind Aktien überteuert:

1. Das Kurs-Buchwertverhältnis des DAX beträgt heute 2,03, was bedeutet, dass der Markt bereit ist, für Aktien das Doppelte ihres inneren Wertes zu bezahlen; das ist deutlich mehr als in der Vergangenheit und ein Zeichen für die sehr optimistischen Gewinnerwartungen.

2. Das Kurs-Gewinnverhältnis auf der Basis der bis heute veröffentlichten Gewinne der vergangenen vier Quartale liegt bei 20,1 und damit ebenfalls weit über den sonst üblichen Werten von 13 bis 15; die Anleger erwarten zur Zeit, dass die Gewinne in diesem Jahr gegenüber 2014 um satte 30 Prozent zulegen werden. Ich denke auch, dass 2015 ein gutes Jahr sein wird, aber 30 Prozent?

Und die Gegenargumente?

1. In den Aktienkursen stecken gegenwärtig beträchtliche Risikoprämien. Es handelt sich dabei um die Differenz zwischen der durchschnittlichen Gewinnrendite von heute 5,0 Prozent (das ist die Inverse des Kurs-Gewinn-Verhältnisses) und der „risikolosen“ langfristigen Bondrendite von 0,3 Prozent, also um 4,7 Prozentpunkte. Das ist aus historischer Sicht ein ziemliches dickes Polster, mit dem sich Kursverluste abfedern lassen.

2. Durch den freien Fall des Euro-Wechselkurses sind deutsche Aktien (und solche der anderen Euroländer) nicht nur aus Sicht ausländischer Kapitalanleger ein Schnäppchen. Wie weit soll der Euro noch fallen? Viel spricht angesichts des riesigen Leistungsbilanzüberschusses der Währungsunion, des vergleichsweise geringen aggregierten staatlichen Budgetdefizits und der guten Konjunkturindikatoren dafür, dass das meiste schon hinter uns liegt. Dass die EZB weiter Gas geben wird, ist inzwischen allseits bekannt und keine negative Überraschung mehr. Normalerweise dürfte sich der Euro also in Kürze fangen und wieder kräftig aufwerten. Wahrscheinliche Gewinne am Devisenmarkt sind ebenfalls ein Gegengewicht zu den Kursrisiken bei Aktien.

Unter’m Strich bleibe ich aber bei meiner Behauptung in der Überschrift: Die Aktien sind überbewertet.