Mit Riesenschritten nähert sich die Welt dem Punkt, an dem, getrieben durch immer niedrigere Preise für Photovoltaik und Windstrom, zusätzlich benötigte Energie komplett aus alternativen Quellen stammen wird. Er dürfte das Ende des fossilen Zeitalters markieren und damit das Ende der Unternehmen, die sich darauf nicht rechtzeitig vorbereitet haben. Manchmal kann das sehr schnell passieren, wie die beiden folgenden Bilder vom Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts zeigen: Innerhalb von nur 13 Jahren hatten Autos die Pferdekutschen vollkommen von der Fifth Avenue Manhattans verdrängt.
Manchmal passiert der Strukturwandel fast über Nacht. Jüngere Beispiele sind das Verschwinden der Handysparte von Nokia, die Konkurse führender Kohleproduzenten und das plötzliche Schrumpfen der deutschen Versorger, vieler global aufgestellten Banken oder der europäischen Stahlindustrie. Die nächsten Kandidaten könnten Volkswagen, Daimler und BMW sein, wenn sie die Zeichen der Zeit nicht erkennen oder nicht ernst nehmen. Was ist, wenn einzelne Länder beschließen, ab einem bestimmten Zeitpunkt keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen? In Norwegen und in den Niederlanden wird darüber bereits nachgedacht. Kalifornien könnte bald folgen. Die Luft ist in vielen der chinesischen, indischen oder lateinamerikanischen Megastädte heutzutage so belastet, dass diesel- oder benzinbetriebene Autos demnächst aus den Zentren verbannt werden dürften, oder dass nach dem Vorbild Londons hohe Eintrittsgelder verlangt werden. Auch ohne staatliche Subventionen schlägt dann die Stunde der Elektrofahrzeuge.
Wenn auf den Straßen mehr Elektroautos fahren, muss das nicht heißen, dass der Strom selbst aus „sauberen“ Quellen stammt. Es ist aber wahrscheinlich, dass das demnächst für die zusätzlich benötigte Elektrizität gilt. Die globale Kapazität von Wind- und Solaranlagen dürfte auch in den nächsten Jahren mit Raten zwischen 15 Prozent (Wind) und 25 Prozent (Solar) zunehmen. Gleichzeitig stagnieren oder fallen die Investitionen in Anlagen, die den Strom durch das Verbrennen von Kohle, Gas und Erdöl gewinnen. Der Economist zitiert die International Renewable Energy Agency, die darüber berichtet, dass die Preise für Solarpaneele seit 2010 um nicht weniger als 80 Prozent gefallen sind. Solarstrom kann in den sonnigeren Regionen der Welt neuerdings auch ohne Subventionen billiger angeboten werden als Strom aus fossilen Quellen. Für die armen Länder des Südens sind das wunderbare Entwicklungen.
Ein Grund für die rapide Expansion der alternativen Energie sind die großen Fortschritte bei der Leistungsfähigkeit von Batterien sowie ihr anhaltender Preisrückgang. Da die Sonne nicht immer scheint und der Wind nicht immer weht, schwankt die Abgabe von Strom ins Netz sehr stark, so dass sich die Abnehmer bisher nicht darauf verlassen konnten, den Strom dann zu bekommen, wenn sie ihn brauchten. Es war ein Argument dafür, immer ausreichend konventionelle Kraftwerke als Reserve vorzuhalten und es mit der Umstellung auf Erneuerbare langsam angehen zu lassen. Dieser Aspekt ist zunehmend weniger relevant, weil der Trend dahin geht, aus gebrauchten Autobatterien Speicherkraftwerke zu bauen sowie die Elektrofahrzeuge in der Zeit, in der sie nicht bewegt werden, zu einem gigantischen Stromspeicher zu vernetzen. Auch die Umwandlung von überschüssigem Strom in speicherbares Gas ist eine interessante Methode, wie sich Spitzen ausgleichen lassen.
Während das globale Sozialprodukt real mit einer Rate von rund drei Prozent zunimmt, steigt die Energienachfrage im Trend lediglich um ein Prozent, also etwa so schnell wie die Weltbevölkerung. Denn die Energieeffizienz verbessert sich ebenfalls mit Riesenschritten. Durch die Isolierung von Gebäuden, Wärmepumpen, immer sparsamere Verbrennungsmotoren, kürzere Entfernungen zwischen Erzeugern und Verbrauchern, durch Steuern und Abgaben auf den Einsatz fossiler Brennstoffe sowie den kommenden Umstieg auf Elektromobilität lässt sich der allgemeine Wohlstand stärker steigern als der Energiebedarf.
In den reichen Ländern mit ihren Wachstumsraten von nur etwa 1,5 Prozent ist er bereits rückläufig, für die Welt insgesamt ist es nur eine Frage der Zeit. Darüber, wie lange es noch dauern wird, gehen die Meinungen – je nach Interessenlage – weit auseinander. In den Schwellenländern mit ihrem sehr niedrigen pro-Kopf-Verbrauch und raschen Wirtschaftswachstum gibt es natürlich noch erheblichen Nachholbedarf. Der Preisverfall von Kohle, Gas und Erdöl stimuliert darüber hinaus für sich genommen den Verbrauch von fossilen Brennstoffen. Aber die Umwelt ist teilweise schon jetzt in einem so katastrophalen Zustand, dass es mit der herkömmliche Energiegewinnung und Mobilität nicht mehr ungebremst weitergehen kann. Die Politik wird zunehmend gegenhalten müssen
Ich vermute, dass wir den sogenannten Tipping Point, an dem der globale Verbrauch fossiler Energieträger absolut zurückzugehen beginnt, früher erleben werden als allgemein erwartet, vielleicht schon vor 2030. Angesichts des Preisverfalls von Strom aus Sonne und Wind, des explosiven Ausbaus der Kapazitäten und der großen Vorteile für die Umwelt ist ein Prozess in Gang gekommen, der nicht mehr zu stoppen ist.