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Zeuge klopft radikale Sprüche – Das Medienlog vom Freitag, 11. Juli 2014

 

Am Donnerstag besuchte die Vizepräsidentin des Bundestags, Claudia Roth, den NSU-Prozess – und hörte die radikalen Äußerungen des Zeugen Thomas G. aus Thüringen. Der Neonazi streitet ab, die NSU-Gruppe gekannt zu haben. Über seine angebliche Mitgliedschaft in der militanten Kameradschaft Hammerskins wollte er sich wie bei seinem ersten Gerichtstermin trotz Androhung eines Ordnungsgeldes nicht äußern. Stattdessen habe er die Vernehmung „als Plattform für übelste rassistische Propaganda missbraucht“, resümiert Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online.

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G. redete bei der Befragung von „Volkstod“ und „Ausländerrückführung“, vor einem Jahr hatte er den Prozess als „Affentheater“ und „Schande“ bezeichnet. Juristisch relevant war allerdings seine Weigerung, Auskunft über die Hammerskins zu geben. Beim nächsten Termin in zwei Wochen wird wohl ein Ordnungsgeld verhängt werden. „Androhungen von Ordnungsmitteln schrecken ihn nicht. Dafür wird er in seinen Kreisen vermutlich gefeiert werden“, schreibt Friedrichsen. Die Äußerungen sprengten „bisweilen die Grenzen des Zumutbaren“.

Für das Gericht gehe es darum, sich von dem schweigenden Zeugen nicht die Autorität nehmen zu lassen, heißt es auf ZEIT ONLINE: „Käme G. mit einer unverhohlenen Aussageverweigerung durch, könnte der Senat keine Zeugenvernehmung mehr souverän führen.“ G. stelle sich im Saal als Märtyrer dar, der von Repressalien des Gerichts bedroht wird.

„Selten geht es im NSU-Prozess so zu wie in einer amerikanischen Gerichtsshow. (…) Doch am Donnerstag war das anders“, bilanziert Per Hinrichs in der Welt den provokationsreichen 126. Verhandlungstag. Politikerin Roth zitiert er mit den Worten, sie habe bei der Aussage „regelrecht Magenkrämpfe“ bekommen.

Gegenüber der Süddeutschen Zeitung kritisierte Roth die Aufklärung des NSU-Terrors in ihrem Heimatland Baden-Württemberg. Sie forderte einen Untersuchungsausschuss von der Landesregierung, um etwa die Verbindungen Chemnitzer Neonazis nach Baden-Württemberg aufzuklären. Auch „dass schwäbische Polizisten beim Ku-Klux-Klan waren, kann nicht einfach so abgehakt werden“, sagte sie.

Am Vormittag hatte ein Ermittler des Bundeskriminalamts Ermittlungsergebnisse zum letzen Banküberfall der Gruppe in Eisenach vorgetragen. Bei den 15 Überfällen, die Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt angelastet werden, handelten beide offenbar sehr systematisch – sie hätten sich „auf erschreckende Weise professionalisiert“, schließt Frank Jansen im Taggesspiegel aus dem Bericht des Beamten. Ein Beispiel dafür seien die hochwertigen Mountainbikes, die Polizisten im Wohnmobil der Täter fanden.

Kurz vor der Vernehmung des Thüringer Neonazis Tino Brandt gibt es neue Hinweise auf dessen Zusammenarbeit mit dem NSU: Der MDR Thüringen berichtet über die Aussage eines Bekannten von Brandt. Dieser sagte, Brandt habe ihm anvertraut, dem Trio ein Wohnmobil besorgt zu haben. Weiter habe er gesagt, dass er bis zum Schluss Kontakt mit den dreien gehabt habe. Dem Bericht zufolge zweifeln die Ermittler allerdings an der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Holger Schmidt vom SWR berichtet, in einer Vernehmung durch das BKA sei der Mann von seiner Aussage abgerückt.

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 14. Juli 2014.