Es ist ein neuer, mysteriöser Todesfall im NSU-Komplex: Melisa M., Zeugin im NSU-Ausschuss von Baden-Württemberg, starb am Samstag etwa anderthalb Jahre nach ihrem damaligen Freund Florian H., einem möglichen Zeugen zum rätselhaften Polizistenmord von Heilbronn. „Wann immer die Hoffnung auf eine Erklärung aufkam, gab es Tote“, kommentiert Miguel Sanches von der WAZ. Damit gehöre der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter „zu den rätselhaftesten der NSU-Mordserie“. Wie viele Beobachter ordnet der Autor die gestorbenen Zeugen einer vermeintlichen Serie zu, in der auch der V-Mann Thomas Ri. den Tod fand.
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Ein gerichtsmedizinisches Gutachten ergab, dass M. an einer Lungenembolie infolge eines Motorradunfalls gestorben war. In weiteren Untersuchungen soll die Leiche nun auf Gifte und Medikamentenrückstände geprüft werden. Im Untersuchungsausschuss hatte M. zum Tod ihres Freundes ausgesagt, konnte jedoch keine umfangreichen Aussagen machen. H. hatte sich am Vorabend seines Ablebens von ihr getrennt.
„Zwei Zeugen im Fall Kiesewetter sind tot, es bleibt ein ungutes Gefühl“, schreibt Solveig Bach auf ntv.de. Den Informationen von H., nach denen eine rechte Gruppe aus Baden-Württemberg für den Mord mitverantwortlich sein könnte, schenkte die Polizei anfangs keinen Glauben – womöglich sei das ein Fehler gewesen. Angesichts neuer Erkenntnisse bleibe „immer eine Antwort weniger als Fragen“.
Die Fälle beim angeblichen „Zeugensterben“ haben „sehr unterschiedliche Ursachen und deuten keineswegs zwingend auf eine Fremdeinwirkung hin“, analysieren wir auf ZEIT ONLINE. So legen die Meldungen von gestorbenen Zeugen zwar den Schluss nahe, es könne sich nicht mehr um Zufälle handeln – doch steht ein Beweis dafür weiter aus: „Den Zeugen, der gefesselt und erschossen aufgefunden wurde, hat es im Komplex NSU noch nicht gegeben.“ Aber: „Jeder weitere Todesfall (…) macht hellhörig, denn es gibt mehrere davon“, merkt dpa-Autorin Julia Giertz an.
Die These von gewollten Todesfällen legt René Heilig im Neuen Deutschland nahe: „Wer redet, lebt nicht lange.“ Nun wolle die Staatsanwaltschaft den Fall schnell abschließen, „wie schon zu oft, wenn es um Zeugenschaft in Sachen NSU geht“.
Das Risiko einer Lungenembolie ist nach Expertenangaben im Allgemeinen zwar selten, nach einem Unfall jedoch wahrscheinlich, wie von der taz zitierte Experten sagen. Demnach ist eine künstlich herbeigeführte Embolie zwar möglich, aber bislang in krimineller Absicht nicht bekannt. „Leider sind wir mittlerweile so weit, sagen zu müssen, alles ist möglich, nichts ist ausgeschlossen“, sagt der Anwalt Mehmet Daimagüler, der Opferangehörige im NSU-Prozess vertritt, gegenüber Wiebke Ramm in den Yahoo-Nachrichten.
Die turbulenten Entwicklungen in Baden-Württemberg brächten den Untersuchungsausschuss durcheinander, schreibt Herbert Beck von der Schwäbischen Zeitung: „Der Tod der Zeugin (Melisa) M. liefert ein weiteres Mosaiksteinchen.“ Dadurch jedoch gewinne das Bild des NSU-Komplexes „nicht an Schärfe“. Wahrscheinlich werde es dem Gremium nicht gelingen, wie geplant bis Jahresende seinen Abschlussbericht vorzulegen.
Das nächste Medienlog erscheint am Mittwoch, 1. April 2015.