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Konsequenzen für lügenden Zeugen? – Das Medienlog vom Donnerstag, 21. Mai 2015

 

Zum zweiten Mal hat der ehemalige Blood-&-Honour-Chef Marcel D. im NSU-Prozess ausgesagt. Erneut bestritt er, als Spitzel für den Verfassungsschutz gearbeitet zu haben. Anwälte der Nebenklage betrachten sein pauschales Abstreiten als Zeugnisverweigerung und beantragten, gegen D. Zwangsmittel wie Ordnungshaft zu verhängen. Dazu kam es nicht. Der Zeuge müsse sich „nun aber auf ein Verfahren wegen Falschaussage gefasst machen“, merkt Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung an. Eingedenk etlicher Dokumente, Aussagen und Berichten von Untersuchungsausschüssen sei D.s fortdauernde Aussagelinie „verwunderlich“, schreibt Björn Hengst von Spiegel Online.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

„Dass einer so nassforsch, so dreist auftritt und selbst angesichts von Fakten bei seiner einzigartigen Version von Wahrheit bleibt – das macht selbst erfahrene Anwälte sprachlos“, beobachten wir bei ZEIT ONLINE. Zu bedenken ist allerdings, dass D. „nach Bekanntwerden seiner V-Mann-Tätigkeit von der Szene massiv bedroht wurde“ und daher vermutlich aus Angst seine Tätigkeit verschweigen möchte. Nebenklageanwälte wollen den Fall nun in Untersuchungsausschüsse tragen. Doch wird der Zeuge „wohl auch dort nichts beitragen“.

Mit dem Ansinnen der Opferanwälte sei im Prozess „eine Debatte über rechtsstaatliche Grundsätze“ entbrannt, schreibt Frank Jansen vom Tagesspiegel. Hintergrund ist die Auslegung des Paragrafen 70 der Strafprozessordnung, der Ordnungsmittel gegen schweigende Zeugen ermöglicht – nicht jedoch gegen lügende Zeugen. Als „umfassende juristische Diskussion auf höchstem Niveau“ beschreibt Thies Marsen vom Bayerischen Rundfunk den Prozesstag. Bei der Vernehmung an sich habe es sich allerdings um „die Wiederauflage eines der bislang skurrilsten Auftritte im NSU-Prozess“ gehandelt.

Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung enthüllen das Gehalt eines V-Manns: Der verstorbene Verfassungsschutz-Informant Corelli kassierte in seiner 18-jährigen Dienstzeit knapp 300.000 Euro, wie aus einem unveröffentlichten Bericht des Sonderermittlers Jerzy Montag hervorgeht. Corelli, bürgerlich Thomas Ri., soll Kontakt zu Uwe Mundlos gehabt haben und übergab dem Bundesamt für Verfassungsschutz 2005 eine CD mit der Aufschrift „NSU/NSDAP“. Er starb überraschend mit 39 Jahren Ende März 2014.

In einem neuen Rechercheprojekt wollen die Heilbronner Stimme, das Blog Ruhrbarone und das Recherchenetzwerk Correct!v Wissen über den NSU bündeln. Akte NSU soll Wissen bündeln und Verschwörungstheorien vorbeugen. Die Seite wird derzeit mit einem Crowdfunding aufgebaut.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 22. Mai 2015.