Aus den kleinen Begebenheiten des Lebens, aus Schmerzen und Freuden, zaubert Simone White ihre sanften Lieder. Fast überall auf der Welt ist sie bekannter als in Deutschland
„Pretending to be myself again.“ Mit diesen Worten eröffnet Simone White ihre neue Platte Yakiimo. Sie fühle sich wie ein Hase im Hasenkostüm, singt sie. Wie ein Tiger hinter einer Tigermaske, ein Vampir mit Plastikzähnen. Bunny In A Bunny Suit handelt davon, wie schwer es Simone White fällt, Simone White zu sein – „Imitating the person I’ve always been, changing my name to my name“.
Solche Probleme mag man hierzulande schwer nachvollziehen können – überall sonst auf der Welt ist die von Hawaii stammende Folksängerin bekannter als in Deutschland. Beinahe überall sonst brauste zu ihrem Beep Beep Song ein pferdestarker Sportwagen über die Bildschirme. Dieser Werbefilm lief unter anderem in der Pause des Finales der Rugby-Weltmeisterschaft vor zwei Jahren, und das sahen sich mehrere hundert Millionen Menschen auf der ganzen Welt an.
Nach ihrem ersten Album The Sincere Recording Company Presents Simone White hatte das Londoner Label Honest Jons sie unter Vertrag genommen und I Am The Man veröffentlicht. Im vergangenen Sommer trat Simone White neben Tony Allen, Candi Staton, Victoria Williams und anderen bei Damon Albarns Honest Jons Revue auf, in London, Lyon und New York. Einen gewissen Trubel hatte sie also zu verkraften nach dem Erfolg von I Am The Man – das im vergangenen Jahr mit einjähriger Verspätung übrigens auch in Deutschland erschien.
Musikalisch fällt die von ihr beklagte Persönlichkeitsspaltung kaum auf. Die Lieder auf Yakiimo sind so einfach gestrickt wie die zuvor. Drei der Lieder sind ohnehin in andere Version schon auf ihrem ersten Album Sincere Recording Co. Presents Simone White erschienen. Das macht aber nichts, denn das wurde schließlich nur auf einem winzigen Label veröffentlicht und ist hierzulande kaum erhältlich.
Da ist die gezupfte Gitarre, leichtes Klacken im Hintergrund, mal ein Trommeln auf dem Korpus ihres Instruments. Die Kargheit der Lieder lässt ihren Emotionen Raum, die Melodien streichen wie Sonnenstrahlen über die Ohren, ihre Stimme wärmt noch das kälteste Herz. Selbst dann, wenn sie von der Geräuschlosigkeit einer Trennung singt oder von einer des Lebens überdrüssigen Freundin. Es sind die kleinen Begebenheiten, Schmerzen, Freuden, aus denen Simone White ihre Lieder zaubert.
So auch das Titelstück: Im vergangenen Jahr weilte sie in Japan, in der kleinen Küstenstadt Shimoda. Immer wieder hallte ein schauriger Klang durch die Straßen des Ortes, eine Art Gebetsruf. Ein paar Tage darauf in Kamakura hörte sie nach einem Konzert wieder dieses Geräusch und beschloss, ihm auf den Grund zu gehen. Schließlich fand sie den kleinen Lastwagen eines Yakiimo-Verkäufers. Yakiimo sind gegrillte Süßkartoffeln, sie werden im Winter in Japan an jeder Ecke angeboten. Die Verkäufer singen alle ein sehr ähnliches, eindringliches Liedchen, um die Leute zu locken. Sie sang es den Rest ihrer Reise vor sich hin und beschloss, ihr eigenes Yakiimo-Lied zu schreiben.
Zum Schluss trägt Simone White den uralten St. Louis Blues vor, den stimmte ihre Großmutter stets an, als Simone noch klein war. Am Ende variiert sie den versöhnlichen Text, den Louis Armstrong und Bessie Smith sangen: „I love that man although he makes me weak and cry, I love that man although he tells so many lies, yes, I love that man but I forgot the reason why.“
Ihre Suche geht also weiter.
„Yakiimo“ von Simone White ist auf CD und LP bei Honest Jons/Indigo erschienen.
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