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Ich glaub, mich tritt ein Pferd

Update: Nun also doch Reinickendorf. Schlimm genug, dass sich die Irren überhaupt zusammenrotten dürfen.

Wenn ich so etwas lese, kriege ich das kalte Reihern. Ein NPD-Bundesparteitag am Jahrestag der Novemberpogrome. Wobei: das verstaubt-defekte Ambiente der Trabrennbahn Mariendorf passt schon ziemlich perfekt zu einer Veranstaltung der Ewiggestrigen.

 

Paris aus Schweden in Berlin

Paris heißt die Band, aus Stockholm kommen sie und bringen uns gut gelaunten Gitarrenpop mit einem Schuss Synthiesound mit. Auf der kleinen Bühne im kuscheligen Privatclub sind Emma, Annika, Matthias und Johan ganz dicht dran am Publikum, wenn das mal nicht den Novemberblues ratzfatz vertreibt.

>Reinhören!

Paris spielen heute ab 22 Uhr im Privatclub, Pücklerstraße 34 (unter dem Weltrestaurant Markthalle), Karten an der Abendkasse für lässige 6 Euro

Hier geht’s zur offiziellen Website: www.parismusic.se

 

Gewalt im Nahverkehr nimmt zu

Bei Spiegel online steht, was wir hier alle schon wissen: Die Gewalt im ÖPNV nimmt drastisch zu. Ich selbst erlebe es inzwischen mindestens einmal wöchentlich: Eine fünf bis achtköpfige Gruppe von Hänflingen macht – vor allem im Oberdeck von Linienbussen – bewusst so viel Lärm, dass irgendjemand um Ruhe bittet. Sofort wird in einer Mischung aus frustriertem Opferhabitus und schwerer Aggressivität zurückgemeckert, -gespuckt oder -geschlagen. Die BVG beklagt, dass es im Schnitt 2x täglich zu tätlichen Angriffen auf Fahrer und Sicherheitspersonal kommt. Wer hat ähnliches erlebt?

 

Roochen oda nich roochen?

Rot-Rot hat beschlossen: In der kommenden Legislaturperiode soll ein Nichtraucherschutzgesetz verabschiedet werden, welches mittelfristig zu einem Rauchverbot in allen Berliner Gaststätten führen soll. Senatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD): „Wir wollen den Nichtraucherschutz in öffentlichen Gebäuden und Gaststätten durchsetzen.“ Sie kann sich sogar ein komplettes Rauchverbot in Restaurants, Kneipen und Clubs vorstellen.

Hmmmm. In der Schultheiß-Butze sitzen ohne eine dichte, durstfördernde Wand aus Zigarettenqualm? Der kleine, putzige Zigarillo nach dem Essen: Vergangenheit? Das Rockkonzert ohne lustvoll bis auf den Filter heruntergequarzte Kippen? Könnte sein. Und? Wäre das schlimm? Ein bisschen. Wäre daduch was gewonnen? Im Großen und Ganzen wohl dann doch eine Menge.

Irland und Frankreich haben es vorgemacht: Es funktioniert. Die Menschen konsumieren in der Kneipe nicht weniger Essen und Getränke, als vorher. Die Raucher stehen halt in kleinen, geselligen Grüppchen vor den Lokalen und quarzen sich gemütlich eins. Oder sie lassen es eben. Und finden es weniger schlimm, als sie selbst dachten.

Nun kann man fragen: Warum muss ein solches Rauchverbot immer gleich staatlich verordnet werden? Der „mündige Bürger“ als solcher wünscht sich doch immer, der Staat möge sich weitestmöglich zurückziehen und gefälligst die Klappe halten. Nun: Der Bürger ist nicht mündig und dezent genug. Wenn ich ein Salmiak-Lakritz esse, ist das meine Privatsache. Wenn ich allen umstehenden ebenfalls gegen ihren Willen eins in den Mund stopfe, dann ist das nicht mehr meine Privatsache, sondern eine Belästigung. Mit dem kleinen Zusatz, dass Lakritz in haushaltsüblicher Dosierung niemandem schadet.

So lange ich dies als Raucher nicht verstanden habe, muss ich – so bedauerlich das ist – an die Hand genommen werden und mir gefallen lassen, dass mir das Rauchen in der Öffentlichkeit verboten wird. Ich habe selber viele, viele Jahre geraucht und weiß daher: Rauchen ist unglaublich bescheuert, macht aber Spaß. Leider verärgert und schadet es – außer einem selbst natürlich – auch anderen Menschen. Man sollte daher die Dezenz aufbringen es nur dort zu tun, wo es wirklich niemanden stört. So lange es aber genügend Spacken gibt, die das nicht kapieren, muss der Staat eben draufhauen.

 

Babyshambles im Postbahnhof

Freunde der Klatschpresse interessiert ja vornehmlich, ob Herr Doherty mal wieder die Nase zu voll genommen hat und ob er nun mit Frau Moss knutscht oder doch wieder nicht mehr. Fans treibt hingegen nur eine Frage um: Wird er heute auftreten, oder lässt er das Konzert wieder mal platzen?
Weil der Kerl nun mal leider verdammt gute Musik macht (>> reinhören!), ist ihm fast alles zu verzeihen. Auch dass sich wegen seiner Drogensucht seine vorherige Band, The Libertines, auflösten – als Wiedergutmachung gründete er ja immerhin die Babyshambles. Und auch wenn ich schon mal bis halb vier Uhr morgens auf den Herren wartete, weil man munkelte, er würde doch noch auf die Bühne steigen (was er dann aber nicht tat), werde ich diesmal wieder mein Glück versuchen. Meine Vorfreude wird allerdings nur von sehr viel Hoffnung am Leben erhalten: Die Konzerte in Mannheim und Köln (am 29. und 30.10.) sind bereits ausgefallen.

Babyshambles spielen am Mittwoch, den 1.11. ab 21 Uhr (Schätzung des Veranstalters) im Postbahnhof. Karten kosten ca. 27 Euro.

Hier geht’s zur offiziellen Website: www.babyshambles.net

 

Rein oder nicht rein

Berlin ist glücklicherweise nicht für eine besonders strenge Türpolitik bekannt. Die Handvoll VIP-Türsteher, die die Wichtigkeit und Coolness des Clubs, vor dem sie stehen, gleich mal auf sich selbst überträgt, lässt sich in der Hauptstadt problemlos umgehen. In anderen Städten soll das ja viel schlimmer zugehen. Ich jedenfalls habe keine Lust, mir von diesen Diktatoren des Nachtlebens vorschreiben zu lassen, wann für mich der Abend beginnt oder ob überhaupt.
Am vergangenen Wochenende gerieten mein Süßer und ich ganz unverhofft doch in eine Türsteher-Situation und lernten eine ganz neue Abart kennen: Den Erzieher. Was hat der vor einem Club zu suchen, werden Sie sich jetzt zurecht fragen. Fragten wir uns auch.
Wir wollten das „Solar“ ausprobieren, eine Bar-Restaurant-Kombi in den obersten beiden Stockwerken eines Hochhauses am Anhalter Bahnhof. Panoramascheiben und „eine spektakuläre Aussicht“ schwärmt ein von mir geschätztes Berliner Stadtmagazin. Während wir uns dem Hochhaus durch einen dunklen Innenhof näherten, staunten wir über den gläsernen Fahrstuhl, der rot angeleuchtet außen die Fassade hinaufsaust – und erschraken über die vielen Menschen, die drinnen vor dem Fahrstuhl Schlange standen. Wollen wir da wirklich rein?, beratschlagten wir, während wir durch die offene Tür treten wollten, aus der uns gerade ein Schwung Leute entgegengekommen war. Plötzlich blaffte uns jemand im Militärton von der Seite an: „Guten Abend heißt das erstmal!“ Wir erstarrten, schauten und orteten den Türsteher, den wir vorher gar nicht wahrgenommen hatten, als denjenigen, der uns da aufs Unhöflichste, nun ja, begrüßt hatte. Der Mann war offenbar der Meinung, den Gästen Lektionen erteilen zu müssen. „Man grüßt, wenn einem die Tür aufgehalten wird“, belehrte uns der wichtige Wicht noch. Dann schloss er die Tür vor unserer Nase.
Die tolle Aussicht, wenn auch eine etwas andere, genossen wir dann statt dessen aus den Fenstern einer wunderbaren Bar direkt am Kotti, die möglicherweise angesagt ist, aber trotzdem ganz ohne Türsteher auskommt. Sonst müsste ich da wohl ebenfalls einen großen Bogen drum machen.

Die tolle Bar am Kotti, deren Namen ich gerade vergessen habe (oder trägt sie gar keinen?) befindet sich im Ostausläufer des hässlichen Betongebirges, das sich von der Adalbertstraße bis in die Skalitzer Straße hinein erstreckt. Man darf sich vom wenig einladenden Treppenhaus nicht abschrecken lassen, sondern sollte mutig ins erste Stockwerk steigen und sich dort von seinen Ohren leiten lassen. Die Bar ist klein und kuschelig und blickt direkt aufs quirlige Kotti.

 

Was ist los mit der Victoria Bar?

Die von mir seit Jahren heiß geliebte Victoria Bar; ist sie auf dem absteigenden Ast? Kürzlich einige Update-Besuche gemacht. Der Laden brummt. Sehr. Er ist rappelvoll. Und laut. Und es sind leider zu wenig Barkeeper dort. Beat, Stefan und der glatzköpfige Portugiese, sie sind sehr, sehr gute Barkeeper. Aber mit einem randvollen Laden sind sie überfordert. Die Wartezeiten auf Drinks steigen ins Unangenehme. Und seit es in der Vic Bar außerordentlich gutes Essen gibt, brummt der Laden noch mehr. Und die Leute sind noch durstiger. Was dazu führt, dass hektisch-schlampig gemixt wird. Kürzlich einen völlig übersäuerten Singapore Sling nur mit Mühe herunterbekommen. Kann irgendwie nicht sein, dass das Essen besser ist als die Drinks? Hoffe, das bessert sich wieder.

 

Endlich: Der Antirucksack – aus Berlin!

Wer tagsüber mit dem Fahrrad die Gegend oder nachts die Clubs durchstreift hat zumeist ein Taschenproblem. Wohin mit ipod, Mobiltelefon, Münz- und Plastikgeld? Portmonees tragen dick auf, Mobiltelefone bringen unangenehmes Ungleichgewicht in Hemden- oder Sakkotasche, mp3-Spieler und Kopfhörer sind empfindlich. Und Handtaschen nerven. Rucksäcke noch viel mehr! Sie bringen den Körper in Unwucht, müssen vielerorts abgegeben oder in Spinden verstaut werden. Blöd, das.

Die Lösung kommt aus Berlin: Das junge Unternehmen bandee hat die gute alte Schärpe wiederbelebt, und zwar dergestalt, dass man die o.g. Gegenstände – und noch einige mehr – bequem, sicher und nah am Körper unterbringen kann. Und man sieht damit auch nicht völlig bescheuert aus. Ein eigentlich furchtbar naheliegender Gedanke. Ich werd mir jetzt gleich mal so ein Ding bestellen.

 

Daumen hoch fürs Tropical Island?

Ich hätts ja nicht gedacht. Ich hatte das Tropical Islands abgeschrieben. Aus betriebswirtschaftlicher Hinsicht. Als skurrile, schwer einsortierbare, merkwürdige, liebreizende, aber auch irgendwie kaputte Idee eines mitten in der Lausitz gelandeten Entertainment-Ufos. Heute also ein erneuter Besuch auf Drängen der Tochter. Und was soll man sagen? Sold out! Die Bude gerammelt voll. Einige Tausend Leute da. Und trotzdem funktionierten Organisation und auch Gastronomie. Man hat den einen oder anderen Caterer / Fleischlieferanten ausgetauscht. Das Essen war absolut in Ordnung, natürlich fernab jeder feingeistigen Kulinarik, durchaus aber geschmacklich und lebensmittelhygenisch einwandfrei. Es ist dort für ein „Schwimmbad“ ungewöhnlich sauber, freundlich, adrett und erträglich. Und so kann ein Besuch dort empfohlen werden.

 

Herzlich willkommen!

Berlin kann für Außenstehende schon sehr befremdlich sein. Kürzlich stand ich mit einem ganz frisch zugezogenen Neuberliner auf einem Kreuzberger Bürgersteig herum. Der Herr war aus München und ich erklärte ihm gerade, wo der beste (oder vielmehr: einzig genießbare) Bäcker in der Gegend ist. Da schlurfte plötzlich eine alte Frau herbei und stellte sich wie selbstverständlich zu uns. An sich schon eine etwas ulkig Situation. Die zerzauselte Frau trug jedoch eine ausgebeulte Jogginghose, einen verklebten Pullover und kratzte sich hingebungsvoll hinten in der viel zu weiten Hose. Für mich ist die bedauernswerte Omi nichts Neues, sie steht des öfteren vor dem Spätkauf um die Ecke, immer ähnlich verstrubbelt. Das weiß aber natürlich mein Gesprächspartner nicht. Wir stehen also da und gucken und fragen uns, ob sie denn mal was sagt („Habt ihr mal ne Zigarette?“) während ich mich innerlich ausschütte vor Lachen ob der Absurdität, mit der diese Stadt Neuankömmlingen Hallo sagt. Aber die Omi kratzt immer nur weiter, guckt an uns vorbei und schlurft irgendwann um die Ecke in Richtung Spätkauf. Ich erkläre dem Herren dann noch, wo man in Berlin Augustiner bekommt, und er nickt und schweigt und ist entweder zu höflich oder zu verdutzt, um die alte Frau zu kommentieren.