Der Schriftsteller Uwe Tellkamp meint, viele Flüchtlinge kämen nur wegen der Sozialsysteme. Die meisten Deutschen sehen das anders. Woher ich das weiß? Ich bin das Volk.
Der deutsche Schriftsteller Tellkamp aus Dresden behauptete kürzlich, einhundert minus fünf Prozent der Flüchtlinge kämen nicht deswegen zu uns, weil in ihren Heimatländern Krieg, Hunger und Zerstörung den Alltag bestimmten. Vielmehr wäre ihr Plan, in die deutschen Sozialsysteme einzuwandern. Ein Hammersatz. Zwar blöd, falsch, rassistisch und zynisch, aber superpraktisch, um die Leute, also uns, hinterm Ofen vorzulocken. Weiter„Eine Meinung allein macht noch keinen klaren Kopf“
Unsere Autorin ist Schriftstellerin und arbeitet als Fußpflegerin in Marzahn. Hier trifft sie Menschen, deren Geschichten sonst selten gehört werden. So wie Frau Blumeier
Die Vorurteile gegen die Plattenbausiedlung im Ostberliner Stadtbezirk Marzahn halten sich hartnäckig. Marzahn, heißt es, sei eine Betonwüste. In Wahrheit ist Marzahn quietschgrün, es gibt breite Straßen, genügend Parkplätze, intakte Gehwege und an Übergängen abgesenkte Bordsteinkanten, überall Rollpisten, und alles, was Räder hat, kommt bestens voran und ans Ziel.
Aufgewachsen ist sie in einer Belgrader Arbeitersiedlung. Dann entstand der neue Turm, in dem sie nun lebt: Eagle Hills. Hier ist jede Frau schön und jedes Kind gesund.
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Preston-Fleck vom neunundzwanzigsten Stock liegt noch in ihrem frisch gemachten Bett. Seit dreieinhalb Jahren wohnt sie weit oben in den Eagle Hills. Sie ist in Belgrad aufgewachsen, in einer Arbeitersiedlung namens Labudovo brdo. Sie hatte ein heiteres Wesen, etwas Berufsglück und doppeltes Heiratsglück, zuerst mit Fleck, dann mit Preston. Sie konnte besser leben. Sie konnte hinauf, aber sie wusste nicht, wohin. Zufällig wuchs zur gleichen Zeit der neue Turm aus der niedergewalzten Armensiedlung vom Fluss hinauf und zum Himmel empor. Weiter„Eine fünf Zentimeter breite Leuchtaura“
Wie man ein politisches Vakuum nutzt: Während Rajoys Regierung katalanische Musiker verhaften lässt, verfasst die Schnulzenkönigin Marta Sánchez eine neue spanische Hymne. Nationalsymbole sind jetzt Grundschulstoff.
Der Freitext-Autor Michael Ebmeyer hat diesen Artikel zusammen verfasst mit Gemma Terés Arilla, geboren 1982 in Granollers, Provinz Barcelona. Sie hat jahrelang als Deutschlandkorrespondentin für Catalunya Ràdio gearbeitet und war Pressesprecherin der nun geschlossenen katalanischen Vertretung in Berlin.
Katalonien, da war doch was.
Ein Referendum für die Abspaltung von Spanien, vom Staat verboten und von prügelnden Polizisten gestört.
Eine einseitige Unabhängigkeitserklärung des katalanischen Parlaments.
Verhaftung diverser katalanischer Politiker und Aktivisten durch die spanische Justiz. Flucht des Ministerpräsidenten Carles Puigdemont nach Brüssel.
Aktivierung des Verfassungsartikels 155, der Katalonien unter Zwangsverwaltung stellt.
Von Madrid verordnete Neuwahlen zum katalanischen Parlament, bei denen aber wieder das unwahrscheinliche Bündnis der Independentistes – Liberal-Konservative, Linksnationalisten und Linksradikale – die Sitzmehrheit erlangte. Weiter„Aus spanisch-katalanischen Parallelwelten“
Die neue österreichische Regierung ist im Amt und niemand muss sich fürchten – heißt es. Auf den Straßen Wiens kann man Beobachtungen machen, die anderes verheißen.
Bei einem Spaziergang durch Wien kam mir ein Plakat unter, das ich zunächst für Wahlwerbung hielt (die neue Regierung war jedoch bereits im Amt, die Wahlkampfspuren beseitigt). Der Eindruck verdankte sich der rot-weiß-roten Fahne, die durch die linke obere Plakathälfte wallte, der Text dazu lautete: SÜD-TIROL DANKT ÖSTERREICH und darunter in kleinerer Schrift: „für die Möglichkeit, bald schon wieder den Pass unseres Vaterlandes zu bekommen!“ Weiter„ARSCH BOMBE im städtischen Amtshaus“
Im Minutentakt wird heute alles bilanziert. Aber was wir verlernt haben: unsere Fehler zu bedauern. Dabei ist diese Fähigkeit nicht nur der Ursprung aller Literatur.
Neulich auf einem Fest unter Literaten, bei flackerndem Kerzenlicht, sprach man über große Themen, die früher ausgiebig behandelt, heute aber in der Literatur nahezu verschwunden sind. Zum Beispiel die Reue. Wo gibt es noch das seitenweise Klagen über die eigenen Verfehlungen, das Grübeln über die eigene Unzulänglichkeit, über Gut und Böse, und dann den Schrecken, dass es vielleicht zu spät ist für eine Wiedergutmachung? Weiter„In der Reue liegt die Kraft“
Uhren zählen Schritte, Autos fahren von selbst, Kinder werden automatisch geortet. Das Internet der Dinge erleichtert uns nicht den Alltag, es lässt uns verdummen.
Ein Lieblingsszenario, als wir mit 15, 16 Jahren Kurzgeschichten für die Schülerzeitung schrieben, waren robotisierte Haushaltsgeräte oder andere Alltagsgegenstände, die ihre Besitzer in den Wahnsinn trieben und ihnen die Herrschaft über ihr Leben nahmen. Weiter„Die smarte Pillepallisierung der Welt“
Der Marvel-Film Black Panther wird als Meilenstein für das schwarze Empowerment bejubelt. Und wie hört sich das dann an? Zu Gast in einer Vorführung, zu der Weiße keinen Zutritt hatten.
Es ist soweit: Black Panther ist da. Die Welt hat ihren ersten ausschließlich schwarzen Blockbuster. Der Film, der bereits im Vorhinein als Meilenstein, als Beginn einer neuen Ära gefeiert wurde, hat bereits in den ersten Tagen mehr als 200 Millionen US-Dollar eingespielt. Dieser kommerzielle Erfolg ist ein Politikum, weil eine schwarze Besetzung in Hollywood bisher als Kassengift galt. Dabei handelt es sich nicht um einen politischen Film, sondern um eine Comic-Verfilmung, die versiert mit allen Superheldenzutaten arbeitet und die ihr Publikum ordentlich unterhält und zuballert. Trotzdem, oder gerade deswegen, wird der Marvel-Held Black Panther 52 Jahre nach seiner Schöpfung gefeiert wie ein schwarzer Messias. Als hätte jeder Nichtweiße dieser Welt auf ihn gewartet. Und zwar seit sehr langer Zeit. Weiter„Welche Farbe hat Action-Humor?“
Herr Paulke, Marzahner Ureinwohner, hat sein Leben lang geschleppt: Schränke oder Klaviere. Seine Füße sind reparaturbedürftig, seine Sprüche dafür umso flockiger.
Am östlichen Rand von Berlin, in Marzahn, stehen die Plattenbauten: Elfgeschosser, Achtzehngeschosser, Fünfundzwanziggeschosser. Am Fuß eines solchen Hochhauses liegt unser Kosmetikstudio. Hier arbeite ich als Fußpflegerin. Als ich vor knapp drei Jahren anfing, gehörte Herr Paulke zu meinen ersten Kunden. Während der ersten Behandlung hatte er mich lachend gefragt: „Wissense, wo se hier sind? Uff de Scheiße von Berlin. Dit warn früher allet Rieselfelder, und denn hamse Hochhäuser hinjeklotzt. Wo de Erde uffjebuddelt is, könnset noch riechen.“ Weiter„„Wissense, wo se hier sind? Uff de Scheiße von Berlin““
Im Rumänien meiner Kindheit war Zynismus ein Ventil, um sich Luft in der Diktatur zu verschaffen. Warum kommuniziert heute auch der Rest der Welt nur noch höhnisch?
Meine Nachbarin, Frau Hefti, hat vergangene Woche ihre beiden Zeitungsabos gekündigt – ein Neujahrsvorsatz. Das hat mich deshalb erstaunt, weil die fast neunzigjährige Dame viel Wert darauf legt, akkurat informiert zu sein und ganz bewusst auch darauf, die unabhängige Presse zu unterstützen. Weiter„Vom Sprechen in lieblosen Zeiten“