Lesezeichen
 

Warum schreit das Ich so laut?

Vom Selfie-Wahn bis zum personalisierten Kaffeepott: alles schön individuell, bitte. In der Abscheu vor dem Wir und den anderen zeigt sich unsere pubertäre Gesellschaft.

Individualität: Das Ich schreit so laut, warum nur?
© Elvis Ma/Unsplash.com

Ich habe weder einen Garten noch einen Balkon. Ich habe auch keine Pflanzen in der Wohnung. Das sei nur deshalb erwähnt, um klarzustellen, dass es für mich keinen, aber auch gar keinen Grund gibt, auch nur die Existenz eines Gartenbedarfsartikelfachgeschäft zu bemerken. Subjektive Wahrnehmung, die uns beobachtungslos durch den Alltag führt: Als Nichtraucher weiß man nicht, wo die Tabakläden im eigenen Viertel sind, und wer kein Haustier hat, dem fällt meist nicht auf, dass sich in der Straße nebenan Der Hundling oder Die Zierfisch-Oase findet. Letztens aber blieb ich doch, wahrscheinlich zum ersten Mal in meinem Leben, vor dem Schaufenster eines Garten-Centers stehen, Samenpäckchen, Schaufeln jeder Größe mit unterschiedlichsten Griffen im Schaufenster, ein gestreifter Liegestuhl auch, außerdem ein menschengroßer Blumentopf aus Plastik. Auf dem Topf ein Schild: „Hier können Sie Ihren Blumentopf individualisieren.“ Weiter„Warum schreit das Ich so laut?“

 

Der Schmutzkübelkampagnen-Schmierenroman

„Kurz und Kern“ – das wäre kein guter Buchtitel. Und überhaupt: Die österreichische Wahlkampfkomödie taugt nicht mal als Romanstoff. Könnte bitte ein Lektor eingreifen?

Reuters/Leonhard Foeger

Wollte man einen Roman über Politik schreiben und die Protagonisten Kurz und Kern nennen, es ginge bei keinem Lektor durch. Zu gewollt, zu naheliegend, zu kalauerhaft klingt das, wäre der berechtigte Einwand. Überhaupt wäre die Schmierenkomödie, die sich die beiden fiktiven Spitzenkandidaten der österreichischen Volksparteien SPÖ und ÖVP liefern, vermutlich nicht originell genug. Gab es das nicht schon mal, vor dreißig Jahren, in Schleswig-Holstein? Weiter„Der Schmutzkübelkampagnen-Schmierenroman“

 

Die Monster sind wach

Spaniens Ministerpräsident Rajoy hat die katalanische Krise selbst ausgelöst. Vor mehr als sieben Jahren. Die aktuellen Vorgänge erinnern schmerzhaft an die Franco-Diktatur.

Katalanische Separatisten gegen rechte Nationalisten in Valencia am 9. Oktober (© Jose Jordan/AFP/Getty Images)

Carles Puigdemont hat es nicht ganz lassen können. Als Präsident der Generalitat, der Regionalregierung in Barcelona, hat er am Dienstagabend die Unabhängigkeit Kataloniens verkündet – und sie zugleich ausgesetzt, um erst einmal einen „Prozess des Dialogs“ zu eröffnen. Er gab sich alle Mühe, besonnen und friedfertig zu klingen.

Doch vergebens: Für die Regierung in Madrid bedeutet Puigdemonts Erklärung, dass sie weiter ihrer Logik der Eskalation folgen kann. Sie hat sich ein Arsenal an Zwangsmaßnahmen gegen die abspenstigen Katalanen zurechtgelegt und droht nun damit, sich auf Artikel 155 der spanischen Verfassung zu berufen, der die katalanische Selbstverwaltung formell außer Kraft setzt – nachdem sie faktisch schon in den vergangenen Wochen großenteils entzogen wurde.

Der nächste Akt des Dramas spielt sich dann auf den Straßen ab. Und wenn Ministerpräsident Mariano Rajoy dabei weiter den harten Hund gibt, riskiert er nicht nur die Abspaltung Kataloniens. Auch im Rest Spaniens könnte es zu tiefen Verwerfungen kommen.

Weiter„Die Monster sind wach“

 

Nicht vergessen: Tinder anschalten

Schweiß, Softeis und auch noch was zum Lesen: Hurra, es ist wieder Buchmesse! Überlebenstipps für fünf Tage zwischen Bücher- und Menschenmassen

© [M] ZEIT ONLINE/Hannelore Foerster
Kaum ist die deutschlandweite Verstimmung um den Preis der Wiesnmaß abgeklungen und die armen, degradierten Bahnrestaurantmitarbeiter der SBB können Dirndl und Lederhosen wieder ablegen, ist wieder Buchmesse in Frankfurt. Seit mehr als 20 Jahren spielen diese Inhalte, die Saisonwechsel bezeichnen, in meinem Leben eine Rolle. Ersteres, weil ich zwar in Franken, doch in Bayern wohne und zweites, weil ich ja auch was mit Büchern und so. Während ich nur einmal auf der Wiesn war in meinem Leben, um mit meinem Dienstherren Steckerles-Fisch essen zu gehen und sonst nichts mit dieser Grande Fête zu tun hatte bisher, bin ich doch jedes Jahr irgendwie, unverhofft, doch dann wirklich, ja, wahrhaftig wieder in den Hallen, die die World bedeuten. Weiter„Nicht vergessen: Tinder anschalten“

 

Ja! Nein! Oder vielleicht doch?!

Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Deshalb sollte man eine starke Position vertreten. Aber was, wenn man seine Meinung in der Kakofonie der Gegenwart verloren hat?

© Clem Onojeghuo / unsplash.com (https://unsplash.com/@clemono2)

„Man, I don’t even have an opinion.“ (Marvin, Pulp Fiction)

Ich habe Probleme mit meiner Haltung. Schon länger. Es ist nicht so, dass ich keine hätte. Werte, klar, die hab ich. Gemein sein zum Beispiel, gehässig oder herablassend gegenüber Benachteiligten: finde ich doof, will ich nicht, mach ich nicht. Aber eine konkrete Meinung zu haben macht mir Schwierigkeiten, gar nicht zu reden von einer kontroversen. Ich würde mich nie hinstellen und sagen: Toiletten gendern, habt ihr denn keine anderen Sorgen! Oder: Die Dieselbetrüger von VW gehören alle an den Eiern aufgehängt! Keine Frage, das sind schöne, kraftvolle Meinungen, wie so viele andere auch, gehörte wie unerhörte. Ich würde aber nie mit einer von ihnen hervortreten. Weiter„Ja! Nein! Oder vielleicht doch?!“

 

Papa ist der Beste

Mit Müttern wird oft gehadert. Zwischen Väter und Töchter dagegen passt meistens kein Stück Papier. Aber manchmal kann diese enge Bindung auch ein Fluch sein.

© Caroline Hernandez / unsplash.com (https://unsplash.com/@carolinehdz)

2018 wäre mein Vater 100 Jahre alt geworden. Es ist erstaunlich, dass er dieses Jubiläum nicht geschafft hat, er hat immer sehr gerne und ausgiebig gefeiert. Seine runden Geburtstage glichen Staatsakten und dauerten mehrere Tage, er hörte nicht auf, bis auch wirklich alle erschöpft in den Ecken lagen, während er schon begann, die nächste Feierlichkeit zu planen. Weiter„Papa ist der Beste“

 

Das heilige Gesöff

Milch gilt noch immer als Wundermittel. Systematisch werden Kinder damit vollgepumpt. Dabei schmeckt das weiße Zeug schlimm. Und die Produktionsbedingungen sind grausam.

© Koen van Weel/ANP/AFP/Getty Images

Ich weiß nicht mehr genau, wie Kuhmilch in mein Leben kam. Ich muss sie schon konsumiert haben, bevor ich mich bewusst dazu entschied, denn ich bin nie gestillt, sondern mit Kuhmilch großgezogen worden. Meine Mutter gehörte zu der Generation Frauen, die es nicht taten – nicht unbedingt, weil sie sich bewusst dagegen entschied, sondern weil es Ende der 1970er Jahre normal war, nicht zu stillen. Ich erinnere mich an den lapidaren Ton, in dem meine Mutter mir diesen Umstand schilderte, die Ratlosigkeit in ihrer Stimme, in der mitschwang, vielleicht doch etwas falsch gemacht zu haben, diesen deutschen Ärzten, deren Sprache sie nicht gut beherrschte, zu sehr vertraut zu haben, aber vor allem ist mir von dieser Unterhaltung eins in Erinnerung geblieben: die lila Tablette. Weiter„Das heilige Gesöff“

 

Don’t smoke on the horse!

Tuschetien? Den Namen auf der Einladung habe ich noch nie gehört. Dorthin gelangt man nur über die gefährlichste Straße der Welt? Ich kichere vor Freude und fahre los.

Die georgische Bergregion Tuschetien © Lucy Fricke

Sie werden seltener, aber es gibt sie noch, die Einladungen, zu denen ich nicht nein sagen will. Je abwegiger, desto besser. Und wenn jemand fragt, ob ich Lust habe, nach Tuschetien zu reisen, und ich denke: Tuschetien? Nie gehört, dann sage ich sofort zu. Eine ferne Bergregion in Nordosten Georgiens, die ausschließlich in den Sommermonaten zugänglich sei, da in der übrigen Zeit des Jahres der Pass nicht befahrbar ist, heißt es in der Einladung. Vom Gebirge verstehe ich nichts, vom Wandern erst recht nicht und in Georgien bin ich nie gewesen. Das alles spricht dafür. Weiter„Don’t smoke on the horse!“

 

Es geht nicht ums Hinterntätscheln

Immerhin: Über den Sexismus im Kulturbetrieb wird jetzt gesprochen. Aber es bleibt schwierig, strukturelle Veränderungen zu erreichen. Fünf Plädoyers zu einer Debatte.

© rawpixel.com / unsplash.com (https://unsplash.com/@rawpixel)

Künstlerinnen verdienen deutlich weniger als Künstler, Führungsfunktionen sind vor allem von Männern besetzt, Frauen partizipieren weniger an der individuellen Künstlerinnen- und Künstlerförderung als Männer, obwohl mehr Studentinnen als Studenten künstlerische Disziplinen studieren: Das sind die ernüchternden Ergebnisse der Studie zu Frauen in Kultur und Medien, auf Basis derer die Kulturstaatsministerin Monika Grütters einen Runden Tisch einberuft, der Forderungen an Politik, Verbände und Wirtschaft erarbeitet. Weiter„Es geht nicht ums Hinterntätscheln“

 

„Nervös war ich nur, als Prinzessin Diana zur Premiere kam“

Andrew Birkin hat an Filmen wie Kubricks „2001“ oder „Magical Mystery Tour“ von den Beatles mitgewirkt. Allein die Fotos auf seinem Handy erzählen große Filmgeschichte.

Aufnahme vom Dreh von Stanley Kubricks „2001“ in Namibia © Andrew Birkin

Sein Name ist kaum bekannt, und doch ist er eine der faszinierendsten Gestalten der jüngeren Filmgeschichte. Andrew Birkin, Bruder der legendären Jane. Liest man seine Biografie, denkt man ein wenig an Woody Allens Zelig, der sich stets zur rechten Zeit am richtigen Ort befand. Mit gerade mal 21 Jahren hat er mit Stanley Kubrick an 2001 und mit den Beatles an ihrem Film Magical Mystery Tour gearbeitet, wenig später mit Albert Speer an der Verfilmung seines Lebens. Weiter„„Nervös war ich nur, als Prinzessin Diana zur Premiere kam““